Die „Kolonie 10“ in Berlin-Gesundbrunnen ist erneut Ziel eines erbitterten Konflikts zwischen Investoren, Behörden und Anwohnenden. Der historische Hof, bekannt für seine grüne Oase und kulturellen Angebote, soll Mikroapartments weichen. Während Abrissarbeiten begonnen haben, formiert sich Widerstand aus der Nachbarschaft und von Umweltschützern.
© Foto Titelbild: IMAGO / Jürgen Ritter
Der historische Hof der „Kolonie 10“ ist seit Jahren ein zentraler Treffpunkt im Stadtteil Gesundbrunnen. Hier finden Nachbarschaftsfeste und Flohmärkte statt, Künstler und Handwerker nutzten die Garagen früher als Ateliers und Werkstätten. Doch seit 2016 bedrohen Abrisspläne eines Investors das Ensemble. Nun spitzt sich die Lage zu: Anfang Januar 2025 versuchte der Eigentümer erneut, mit dem Abriss von Gebäudeteilen zu beginnen.
Dabei beginnt die Geschichte der „Kolonie 10“ bereits im 19. Jahrhundert. Der Remisenhof aus der Gründerzeit gilt als eines der letzten Zeugnisse Berliner Hinterhofkultur. 2016 erwarb ein Immobilienentwickler das Gelände, mit dem Ziel, dort 120 Mikroapartments zu errichten. Seither kämpfen die Bewohnerinnen und Bewohner sowie zahlreiche Unterstützende gegen die schrittweise Verdrängung.
Abriss trotz Schutzauflagen: Anhaltender Konflikt um die „Kolonie 10“
Bereits 2018 wurden erste Garagen geräumt, seitdem steht ein Großteil der ehemaligen Ateliers leer. Im Juni 2024 entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, dass die Erhaltungsverordnung für das Gebiet weiterhin gilt, was den Milieuschutz sicherte. Trotzdem setzte der Investor seine Pläne fort, unterstützt durch juristische und administrative Mittel.
Am 6. Januar 2025 rückten erneut Bagger an. Nachbarn alarmierten die Polizei sowie Ephraim Gothe (SPD), Baustadtrat des Bezirks Mitte. Die Arbeiten konnten vorerst gestoppt werden, da der Eigentümer gegen umweltrechtliche Belange verstieß. Doch bereits zwei Tage später begann ein Teilabriss, bei dem Garagen und Nebengebäude entfernt wurden. Das Bezirksamt Mitte gab an, dass die Maßnahmen sich auf Bereiche beschränkten, die nicht unter Naturschutz standen.
Gesundbrunnen: Naturschutz und soziale Gerechtigkeit trifft auf Investorenpläne
Denn die „Kolonie 10“ beherbergt nicht nur Menschen, sondern auch eine vielfältige Flora und Fauna. Auf den begrünten Dächern und Fassaden leben seltene Tierarten, darunter Fledermäuse und Haussperlinge. Laut Christopher Schriner (Grüne), Umweltstadtrat von Mitte, darf ein Abriss nur erfolgen, wenn für die betroffenen Tiere neue Lebensräume geschaffen werden. Kritiker werfen dem Investor jedoch vor, die Vorgaben zu ignorieren.
Einer der Hauptstreitpunkte ist die soziale Dimension des Projekts. Die geplanten Mikroapartments stehen symbolisch für eine zunehmende Verdrängung. Für viele Bewohnerinnen und Bewohner des Bezirks sind die hohen Mietpreise solcher Neubauten unerschwinglich.
Proteste gegen Verdrängung: Berliner zeigen Solidarität mit der „Kolonie 10“
Am 10. Januar 2025 fand eine Kundgebung mit rund 60 Unterstützern statt. Vertreter von Umweltverbänden, politischen Parteien und lokalen Initiativen sprachen sich dabei entschieden gegen den Abriss aus. Martha Kleedörfer, Mitglied der Linken in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte, machte deutlich, dass sie die Zerstörung der „Kolonie 10“ als Angriff auf den Kiez und die gemeinsame Zukunft der Anwohnenden sehe.
Auch die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ zeigte Solidarität. Ein Sprecher forderte, den Kulturhof unter dauerhaften Schutz zu stellen. Der Vorwurf, dass wirtschaftliche Interessen hier vor sozialen und ökologischen Belangen stünden, war zentraler Tenor der Reden. Trotz des Widerstands bleibt die Lage angespannt. Ein runder Tisch zwischen Bezirksamt, Anwohnerinnen und Anwohnern sowie dem Eigentümer soll in den kommenden Wochen stattfinden. Ziel ist es, eine Lösung zu finden, die den Erhalt des Hofs ermöglicht.
Quellen: Berliner Morgenpost, Berliner Zeitung, Tagesspiegel, RBB24, Offizielle Webseite der „Kolonie 10“, Deutsche Wohnen & Co. enteignen