Architektur, Absturz und Aufschwung: Das Frankfurter Bahnhofsviertel blickt auf Jahrzehnte tiefgreifender Veränderungen zurück. Die Nachkriegszeit bedeutete für Frankfurts Bahnhofsviertel nicht Wiederaufbau, sondern systematischen Abriss historischer Substanz. Im Zuge dieser Modernisierung verschwand viel architektonisches Erbe, was für die Entwicklung des Quartiers von entscheidender Bedeutung war.
© Titelbild: IMAGO
Teil 2:
Zwischen Wandel und Wiederspruch
Zum ersten Teil unserer Reihe gelangt Ihr hier
Klein, laut und voller Geschichte: Das Frankfurter Bahnhofsviertel ist seit über 200 Jahren ein prägendes Stück hessischer Stadtentwicklung. Als hektisches Eingangstor zur Innenstadt spiegelt das Gründerzeitviertel auf nur 0,5 Quadratkilometern die bewegte Geschichte der Stadt Frankfurt wider.
Im ersten Teil unserer Artikelreihe haben wir die Entstehung des Frankfurter Bahnhofsviertels sowie seine Entwicklung bis etwa 1970 beleuchtet. In diesem zweiten Teil richten wir den Blick auf die Veränderungen und Herausforderungen des Viertels ab 1970 bis in die Gegenwart.
Bahnhofsviertel Frankfurt: Ein Stadtviertel mit historischem Charme
Bereits in der Zeit zwischen der Entstehung des Bahnhofsviertels bis ins Jahr 1970 fällt auf: Das Stadtviertel war stets ein Spiegelbild der aktuellen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen, der wirtschaftlichen Zwänge und der dort lebenden Bewohnerinnen und Bewohner. Nichtsdestotrotz traf man hier auf ein Stück bleibende Geschichte: Die Gebäude, die nicht durch den zweiten Weltkrieg zerstört wurden, stammten teilweise noch aus dem späten 19. Jahrhundert. Dadurch war das Areal noch lange Zeit von seinem historischen Charme geprägt.
Heute ist das Bahnhofsviertel ein kultureller Hotspot und wird sowohl von seinem aktiven Nachtleben als auch von der hohen Kriminalität und dem Drogenkonsum geprägt. Von der historischen Bausubstanz ist hier nur noch wenig übrig. Doch wie kam es in nur 50 Jahren zu dieser weitreichenden Veränderung?
Bahnhofsviertel als Sinnbild: Umgang mit historischen Gebäuden in der Nachkriegszeit
Nach dem Zweiten Weltkrieg prägte ein allgemeiner Wunsch nach Wandel und Modernisierung die Stadtentwicklung, und das nicht nur in Frankfurt, sondern deutschlandweit: Im Fokus stand der Wiederaufbau, der vielerorts eine umfassende Abriss- und Sanierungswelle auslöste.
So auch in Frankfurt, doch die städtischen Finanzierungsmittel für die umfassenden Bauarbeiten reichten nicht für das gesamte Stadtgebiet aus. Wegen fehlender Investitionen in die vorhandene, historische Bausubstanz verfiel das Bahnhofsviertel zunehmend. Viele Gebäude standen leer, was das Viertel in den 1980er- und 1990er-Jahren zu einem sozialen Brennpunkt machte, der stark von Drogenkonsum, Kriminalität und einem expandierenden Rotlichtmilieu geprägt war.
Sanierungswellen und steigende Gentrifizierung: Das Bahnhofsviertel im Wandel
Erst als die verbliebenen großbürgerlichen Bauten der Gründerzeit umfassend unter Denkmalschutz gestellt wurden, setzte eine bis heute andauernde Sanierungsphase ein. Seither orientieren sich auch neue Gebäude stärker am historischen Stadtbild und fügen sich in die überwiegend gründerzeitlich geprägte Umgebung ein, anstatt bewusst mit ihr zu brechen. Architektonisch bedient man sich seither oft an den Stilmitteln des Historismus: Vor allem die ortstypischen Sandsteinfassaden und die Dachformen gleichen sich nun wieder an die Bauweisen des Barocks, des Neo-Klassizismus und der Neo-Gotik an.
In den vergangenen Jahrzehnten sorgten weitere Sanierungswellen dafür, dass die historischen Bauten des Bahnhofsviertels zunehmend erhalten und aufgewertet wurden. Parallel dazu hat die wachsende Wertschätzung der Architektur aus der Kaiserzeit dazu geführt, dass – ähnlich wie in anderen Frankfurter Altbauvierteln – erste Anzeichen von Gentrifizierung sichtbar werden. Mittlerweile ist das verhältnismäßig kleine Stadtviertel Wohnfläche für knapp 4.000 Einwohner.
Bahnhofsviertel Frankfurt: Historische Gebietsentwicklung mit Langzeitfolgen
Bis in die 1970er-Jahre hinein litt das Bahnhofsviertel unter geringer Wertschätzung seiner historischen Identität. Erst später wuchs das Bewusstsein für den Erhalt der alten Bausubstanz. Noch heute spiegelt das Bahnhofsviertel die Dynamik der Stadt wider. Wie genau die Zukunft des Gründerzeitviertels aussieht, gilt es abzuwarten.
Im dritten Teil dieser Artikelreihe möchten wir den Status Quo betrachten. Welche Probleme das Bahnhofsviertel als historisches Eingangstor Frankfurts bewältigen muss, und welche Zukunftsperspektiven sich daraus entwickeln berichten wir im letzten Artikel dieser Reihe.
Fortsetzung folgt…
Zum ersten Teil unserer Reihe gelangt Ihr hier

Während die 1970er Jahre noch von dem Drang nach Modernisierung geprägt waren, wird ab den 1980ern vermehrt auf den Denkmalschutz geachtet. Durch stilähnliche Sanierungsmaßnahmen und historistische Nachbauten versucht man den einst verlorenen, historischen Flair des Gründerzeitviertels wieder aufleben zu lassen. / © Wikimedia Commons, Eudessa

Frankfurter Bahnhofsviertel: Die Gebäude, die nicht durch den zweiten Weltkrieg zerstört wurden, stammten teilweise noch aus dem späten 19. Jahrhundert. Dadurch war das Areal noch lange Zeit von seinem historischen Charme geprägt. / © Foto: IMAGO

Städtebauliche Vernachlässigung: Viele Gebäude im Bahnhofsviertel standen leer, was das Viertel in den 1980er- und 1990er-Jahren zu einem sozialen Brennpunkt machte, der stark von Drogenkonsum, Kriminalität und einem expandierenden Rotlichtmilieu geprägt war. / © Foto: IMAGO
Quellen: Wikipedia, Stadt Frankfurt, FAZ