Nach langen Diskussionen hat Amazon nun das derzeit höchste Gebäude Berlins bezogen: den East Side Tower an der Warschauer Straße, mitten im Szenekiez Friedrichshain. Während der Senat die Investition begrüßt, regte sich erneut deutliche Kritik am Konzern, am Bau und an der stadtentwicklungspolitischen Signalwirkung.

Aktivistinnen und Aktivisten überklebten das S-Bahn-Schild „Warschauer Straße“ mit dem Schriftzug „Amazon Straße“. Die Aktion richtete sich gegen den neuen Amazon-Standort im East Side Tower. Mit Flyern und Protesten kritisierten sie die wachsende Konzernpräsenz im Kiez. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

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Mit 142 Metern ragt der East Side Tower an der Warschauer Straße über den Berliner Stadtraum hinaus, seit Mitte Juni nun auch offiziell mit Amazon als Hauptmieter. In dem 36-geschossigen Turm hat der Konzern 33 Etagen angemietet, die bisher auf drei Berliner Standorte verteilten Abteilungen sollen hier zusammengeführt werden. Derzeit arbeiten rund 700 Beschäftigte im Gebäude, bis 2026 sollen es bis zu 2.500 werden, wie die Berliner Morgenpost berichtet.

Zur Eröffnung begrüßte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) das Unternehmen als starken Arbeitgeber für die Stadt und sprach von einem klaren Bekenntnis zum Standort Berlin. Gleichzeitig betonte er laut Berliner Morgenpost, Berlin müsse den Mut haben, „auch in die Höhe zu bauen“ – eine Reaktion auf die anhaltende Debatte um Hochhäuser und Nachverdichtung. Mit einer Höhe von 142 Metern ist der „Amazon Tower“ an der Warschauer Brücke aktuell das höchste Gebäude Berlins, zumindest bis der benachbarte Hochhausneubau am Estrel-Hotel in Neukölln vollendet ist.

Kritik an Amazon und Hochhausprojekt: Proteste gegen Gentrifizierung und fehlende Tarifbindung

Vor dem Gebäude protestierten rund 50 Menschen gegen die Eröffnung. Kritik richtet sich dabei nicht nur gegen Amazon als global agierendes Tech-Unternehmen, sondern auch gegen die damit verbundene Entwicklung im Stadtteil. Friedrichshain-Kreuzberg ist ein linksalternativ geprägter Kiez, in dem der Bau eines Konzernhochhauses mit Gentrifizierung und zunehmender Kommerzialisierung einhergeht, begleitet von wachsendem Widerstand in der Bevölkerung.

Auch die Gewerkschaft Verdi äußerte sich kritisch. Vorstandsmitglied Silke Zimmer verwies darauf, dass Amazon trotz seiner öffentlichen Präsenz in Deutschland keinen Tarifvertrag anbiete und forderte faire Arbeitsbedingungen. Der Turm dürfe nicht über die bestehenden sozialen Missstände hinwegtäuschen.

„KiezLab“ und öffentliches Restaurant: Amazon öffnet Teile des Towers für die Stadtgesellschaft

Im East Side Tower stellt Amazon eine 1.400 Quadratmeter große Etage für gemeinnützige Nutzungen zur Verfügung. Das sogenannte „KiezLab“ wird von der Berliner Bildungsinitiative „Junge Tüftler“ betrieben, die bereits seit mehreren Jahren Projekte zur digitalen Bildung umsetzt. Die Fläche bietet Räume für Workshops, Konferenzen und Projektarbeit und richtet sich an Initiativen mit zivilgesellschaftlichem Engagement und Berlin-Bezug. Gruppen können sich ab sofort bewerben, um die Infrastruktur gemeinschaftlich zu nutzen.

Darüber hinaus sind weitere öffentliche Angebote im Gebäude vorgesehen. In der obersten Etage soll künftig ein Restaurant eröffnen, das auch den Zugang zur Dachterrasse ermöglicht. Wann dies umgesetzt wird, ist noch offen. Bereits jetzt werden im Erdgeschoss gastronomische Angebote bereitgestellt. Damit verfolgt der Betreiber die Absicht, das Gebäude nicht nur als Unternehmensstandort, sondern auch als offenen Ort für Stadtgesellschaft und Öffentlichkeit zu etablieren.

Zwischen Landmarke und Konfliktsymbol: Der Tower als Spiegel stadtpolitischer Debatten

Architektonisch prägt der Tower das Stadtbild an der Spree deutlich. Die Planung stammt vom renommierten Büro Bjarke Ingels Group. Doch nicht alle zeigen sich begeistert vom Entwurf: Der frühere Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), bezeichnete das Gebäude in der Vergangenheit als „Phallus-Symbol des renditegetriebenen Kapitalismus“. Für viele steht der Bau sinnbildlich für das Spannungsverhältnis zwischen urbaner Aufwertung und sozialen Verdrängungsprozessen.

Amazon zeigt sich derweil unbeirrt. Die Standortentscheidung sei lange vor Pandemie und Homeoffice-Boom getroffen worden, betonte Standortleiter Jonathan Weiss. Man wolle sich nicht verstecken, sondern als fester Teil der Stadtgesellschaft sichtbar sein.

Quellen: Tagesspiegel, Berliner Zeitung, Berliner Morgenpost, Teupe Gruppe

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