Werner Düttmann hat das Nachkriegsberlin geprägt wie nur wenige Architekten seiner Zeit. In zehn ausgewählten Bauwerken zeigt sich, wie er mit Klarheit und Haltung auf die Herausforderungen einer wachsenden, sich wandelnden Stadt reagierte.
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Werner Düttmann wurde 1921 in Berlin geboren und wirkte zeitlebens in der Stadt, die ihn prägte und die er mitgestaltete. Als Architekt und Stadtplaner verband er praktische Verantwortung mit einer kulturellen Vision. Zwischen 1960 und 1966 leitete er als Senatsbaudirektor die Geschicke des städtischen Bauens. Gleichzeitig lehrte er an der Technischen Universität und übernahm später die Präsidentschaft der Akademie der Künste.
Sein Werk umfasst eine beachtliche Bandbreite: Wohnanlagen, Sakralbauten, öffentliche Gebäude, U-Bahn-Zugänge, Plätze und Museen. Viele seiner Bauwerke entstanden in einem West-Berlin, das sich unter politischem Druck und wirtschaftlicher Förderung neu erfinden musste. Düttmann nutzte diese Bedingungen, um funktionale und zugleich charakterstarke Architektur zu schaffen.
1. Märkisches Viertel in Reinickendorf: Eine großflächige Wohnsiedlung mit Hochhäusern zur Schaffung von Wohnraum für zehntausende Menschen

Die Hochhäuser des Märkischen Viertels stehen exemplarisch für Düttmanns Ziel, großflächig Wohnraum zu schaffen und dabei Sichtbeton als gestalterisches Element einzusetzen. / © Foto: Wikimedia Commons, Gunnar Klack, CC BY-SA 4.0
Das Märkische Viertel wurde ab den 1960er Jahren als Reaktion auf die Wohnungsnot in West-Berlin geplant. Düttmann leitete das Projekt als Senatsbaudirektor und brachte seine Erfahrungen als Architekt ein. Ziel war es, eine moderne Großsiedlung mit hoher Wohnqualität am Stadtrand zu schaffen.
Im Bereich des Dannenwalder Wegs realisierte er selbst mehrere Hochhäuser, die sich in das Konzept einer aufgelockerten, grünen Stadtstruktur einfügen sollten. Die Mischung aus offenen Grünflächen und kompakten Wohngebäuden zielte auf soziale Durchmischung und neue Lebensqualität.
Düttmann betonte, dass es sich beim Märkischen Viertel nicht um ein Experiment handele, sondern um ein Produkt konkreter gesellschaftlicher Notwendigkeiten. Noch heute polarisiert die Anlage, bleibt jedoch ein prägnantes Beispiel für den sozialen Wohnungsbau der Nachkriegszeit.
2. Mehringplatz in Kreuzberg: Eine moderne Wohnanlage als Antwort auf die kriegsbedingte Zerstörung und als Neuordnung eines ganzen Stadtquartiers

Am südlichen Mehringplatz verwirklichte Düttmann seine Vision einer offenen, modernen Wohnanlage mit starker baulicher Verdichtung nach dem Krieg. / © Foto: Wikimedia Commons, Gunnar Klack, CC BY-SA 4.0
Der Mehringplatz liegt am südlichen Ende der Friedrichstraße und war nach dem Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört. In den 1950er Jahren entschied sich der Berliner Senat, das Gebiet als Modell für eine neue urbane Struktur zu entwickeln. Die ursprünglichen Pläne von Hans Scharoun sahen eine offene, parkartige Bebauung vor. Düttmann übernahm 1968 die weitere Ausarbeitung und passte sie an die veränderten Anforderungen des sozialen Wohnungsbaus an.
Die heute sichtbare Struktur zeigt eine dichte, aber gegliederte Bebauung. Im Zentrum stehen runde Wohnbauten, die einen ruhigen Kontrast zu den sie umgebenden mehrgeschossigen Wohnhäusern bilden. Diese dienen zugleich als Schutz gegenüber der vielbefahrenen Umgebung, insbesondere einer geplanten Stadtautobahn, die nie gebaut wurde.
Düttmann verstand den Mehringplatz als eine städtische Mitte mit Aufenthaltsqualität. Er schuf dabei nicht nur Wohnungen, sondern auch Wege, Plätze und Höfe, die als zusammenhängender Lebensraum funktionieren sollten.
3. Wassertorplatz in Kreuzberg: Ein städtebaulicher Eingriff mit monumentalen Hochhäusern aus Beton zur Umstrukturierung eines Altbauviertels

Die Umgestaltung dieses Quartiers mit massiven Sichtbetonbauten verdeutlicht Düttmanns Eingriff in die Stadterneuerung der 1970er Jahre. / © Foto: Wikimedia Commons, Gunnar Klack, CC BY-SA 4.0
In direkter Nähe zum Kottbusser Tor ließ Düttmann als Senatsbaudirektor die bestehenden Altbauten weitgehend abtragen, um neue Wohnanlagen zu errichten. Die Bebauung am Wassertorplatz zeigt große Betonbauten, die in ihrer Gestaltung an andere Großsiedlungen wie das Märkische Viertel erinnern. Auch hier nutzte Düttmann Sichtbeton als bewusstes Gestaltungsmittel. Die Gebäude wirken kompakt, klar strukturiert und stehen in deutlichem Kontrast zur vorherigen kleinteiligen Altbaustruktur. Es handelt sich um ein städtebauliches Statement.
Die Eingriffe am Wassertorplatz zeigen, wie sehr Düttmann an eine bessere Zukunft durch neue Architektur glaubte. Gleichzeitig lassen sie die Debatte um Abriss und Erhalt historischer Bausubstanz bis heute lebendig bleiben.
4. Edinburgh House am Theodor-Heuss-Platz in Charlottenburg: Ein Hotel mit expressiver Fassade und plastischer Gestaltung

Die stark plastische Balkonfassade hebt das frühere Gästehaus deutlich von den sonst nüchternen Bauten der Nachkriegszeit ab und vermittelt einen wohnlichen Eindruck. / © Foto: Wikimedia Commons, Fridolin freudenfett, CC BY-SA 4.0
Zwischen 1960 und 1962 entstand am Theodor-Heuss-Platz ein sechsgeschossiges Gästehaus, das Werner Düttmann für die britische Militärverwaltung entwarf. Heute ist das Gebäude unter dem Namen Max-Kade-Haus bekannt und dient als internationales Wohnheim für Studierende. Zusammen mit dem benachbarten Deutschlandhaus und Amerikahaus bildet es ein denkmalgeschütztes Ensemble, das auf den Architekten Heinrich Straumer zurückgeht.
Anders als viele glatte, zweckmäßige Fassaden der Nachkriegszeit setzt Düttmann bei diesem Gebäude auf sichtbare Plastizität. Die markant vorspringenden weißen Balkonplatten bilden ein wiederkehrendes Gestaltungselement und brechen die ansonsten klare Ordnung der Betonfassade auf. Diese besteht aus einem 4,60 Meter breiten Raster aus Sichtbeton, in das sich farblich und materiell abgesetzte Fensterrahmen, Mauerwerksflächen und Balkone einfügen. Die Struktur wirkt lebendig, ohne dabei ihre Ordnung zu verlieren.
Im Erdgeschoss ist der Bau leicht zurückversetzt und vollständig verglast, wodurch ein offener Übergang zum Stadtraum entsteht. Der Baukörper steht auf schlanken Stützen, die ihn mit dem Boden verbinden. Auf dem Flachdach befindet sich ein später ergänzter Dachaufbau, der das Atrium überdeckt. Trotz einer Sanierung in den 1980er Jahren, bei der viele Oberflächen verändert wurden, lässt sich die ursprüngliche architektonische Haltung Düttmanns noch gut ablesen.
5. Hansabücherei im Hansaviertel in Tiergarten: Ein eingeschossiger Bibliotheksbau mit Transparenz und Offenheit als kulturelles Zentrum der „Interbau“

Die Bibliothek ist Teil des Interbau-Ensembles und spiegelt mit ihrer Transparenz und Offenheit Düttmanns Idee eines kulturellen Treffpunkts im Alltag wider. / © Foto: Wikimedia Commons, Dreas, CC BY-SA 3.0
Die Hansabücherei entstand im Zuge der Internationalen Bauausstellung „Interbau“ 1957 und liegt im Zentrum des neu entwickelten Hansaviertels. Düttmann plante den eingeschossigen Flachbau als kulturellen Anker inmitten eines stark durch Wohnen geprägten Quartiers. Dabei setzte er auf Offenheit und Zugänglichkeit.
Breite Fensterfronten bestimmen die Fassade. Im Inneren umschließt der Bau einen grünen Innenhof, der von allen Räumen aus sichtbar ist. Diese Raumkonzeption erzeugt eine offene, freundliche Atmosphäre, die der Bibliothek etwas fast Wohnliches verleiht. Sie soll einladend wirken und Schwellen abbauen.
Düttmanns Entwurf zeigt, dass auch kleine Gebäude eine große städtebauliche Rolle spielen können. Die Hansabücherei ist mehr als ein Ort für Bücher. Sie ist ein Ausdruck des demokratischen Gedankens, Kultur für alle zugänglich zu machen.
6. Akademie der Künste am Hanseatenweg in Tiergarten: Ein Ensemble aus Ausstellungs- und Ateliergebäuden für die freie künstlerische Arbeit im westlichen Berlin

Die Akademie wurde als Ort künstlerischer Produktion konzipiert und zeigt Düttmanns Fähigkeit, Raum für Kreativität mit funktionaler Strenge zu verbinden. / © Foto: Wikimedia Commons, Proofreader am 20.03.2007., CC BY-SA 3.0
Die Akademie der Künste wurde als westliches Pendant zur DDR-Institution konzipiert. Düttmann entwarf einen Bau, der sich durch Sachlichkeit, Zurückhaltung und funktionale Klarheit auszeichnet. Er bestand auf einer Architektur, die den künstlerischen Prozess nicht behindert, sondern unterstützt.
Das Hauptgebäude mit seiner Fassade aus Waschbeton wird ergänzt durch ein Atelierhaus und ein Studiogebäude. Im Inneren dominiert eine einfache, aber sorgfältige Materialwahl aus Schiefer und Kiefernholz. Die Gebäude ordnen sich der Funktion unter, ohne beliebig zu wirken.
Düttmann war ab 1971 selbst Präsident der Akademie. Damit verband sich seine architektonische Vision direkt mit der institutionellen Leitung. Die Akademie bleibt bis heute ein wichtiger Ort für den künstlerischen Austausch.
7. Brücke-Museum in Dahlem: Ein zurückhaltendes Museumsgebäude im Grünen mit wohnlichem Charakter für expressionistische Kunst

Das Brücke-Museum ist bewusst zurückhaltend gestaltet und fügt sich in die waldreiche Umgebung ein. Es spiegelt Düttmanns Respekt vor Kunst und Kontext wider. / © Foto: Wikimedia Commons, Fridolin freudenfett, CC BY-SA 4.0
Inmitten eines Waldrands in Dahlem schuf Düttmann 1967 das Brücke-Museum. Der eingeschossige Bau liegt zurückgesetzt im Grün, fast unscheinbar, und verzichtet bewusst auf monumentale Geste. Innen dominieren Sichtbeton, Ziegel, Holz und zurückhaltendes Licht.
Das Museum wurde speziell für die Präsentation der Werke der Künstlergruppe „Brücke“ konzipiert. Die Ausstellungsräume sind kleinteilig, niedrig und vermitteln ein Gefühl von Intimität. Fenster und Oberlichter schaffen gezielte Blickbezüge zur umgebenden Natur.
Düttmanns Entwurf verbindet Kunst und Architektur auf zurückhaltende Weise. Das Gebäude wird von der Fachwelt bis heute als vorbildlich gelobt und gilt als eines der gelungensten Beispiele moderner Museumsarchitektur in Deutschland.
8. Kirche St. Agnes in Kreuzberg: Ein sakraler Sichtbetonbau als Ort der Stille und späterer Kunstort im Zeichen des Brutalismus

Mit ihrem massiven Turm aus rauem Beton verkörpert St. Agnes Düttmanns Vorstellung eines modernen, zugleich spirituellen Rückzugsraums. / © Foto: Wikimedia Commons, Gunnar Klack, CC BY-SA 4.0
In der Alexandrinenstraße in Kreuzberg errichtete Düttmann mit St. Agnes einen Kirchenbau, der sich bewusst von traditionellen Sakralbauten absetzt. Der massiv wirkende Sichtbetonbau ist fast vollständig geschlossen und lässt kaum Tageslicht ins Innere. Diese radikale Reduktion erzeugt eine konzentrierte Raumwirkung.
Die Architektur richtet sich nach innen, nicht nach außen. Es geht nicht um Repräsentation, sondern um Einkehr. Die Formensprache ist streng geometrisch, fast monumental. Dabei verzichtet der Bau vollständig auf Ornament oder symbolische Elemente. Nach der Profanierung wurde die Kirche ab 2004 als Kunstort genutzt. Seit 2015 befindet sich darin die Galerie König. Trotz der neuen Nutzung bleibt die ursprüngliche Raumidee spürbar erhalten.
9. U-Bahnhof Blaschkoallee in Neukölln: Ein funktionaler Zugangspavillon aus Beton und Glas als gestalterisches Element der Verkehrsinfrastruktur

Der Eingang zum U-Bahnhof zeigt Düttmanns typische Kombination aus Beton und Klinker, die auch funktionale Infrastruktur gestalterisch aufwertet. / © Foto: Wikimedia Commons: Jcornelius, CC BY-SA 3.0
Beim Ausbau der U7 war Düttmann für die architektonische Gestaltung der Zugangsbauten mitverantwortlich. Der Eingangspavillon des Bahnhofs Blaschkoallee zeigt eine sachliche Struktur aus Betonraster und großzügiger Verglasung, die zugleich robust und einladend wirkt.
Die Gestaltung orientiert sich an den Prinzipien des modernen Städtebaus: klare Linien, sichtbare Struktur und funktionale Transparenz. Der Baukörper hebt sich von seiner Umgebung nicht ab, sondern ergänzt sie bewusst. Düttmann zeigte auch bei einem scheinbar einfachen Projekt wie einem U-Bahn-Zugang, wie man Gestaltung und Alltag verbinden kann. Der Bau bleibt funktional und unaufdringlich, aber niemals belanglos.
10. Verkehrskanzel am Kurfürstendamm in Charlottenburg: Ein technisches Bauwerk zur Verkehrslenkung als architektonisches Relikt aus der Frühzeit der Automobilmoderne

Diese Kanzel zur Verkehrssteuerung war Teil eines größeren städtischen Konzepts, bei dem Düttmann auch kleine Bauten bewusst ins Stadtbild integrierte. / © Foto: Wikimedia Commons, Fridolin freudenfett, CC BY-SA 4.0
Mitten auf dem Kurfürstendamm befindet sich ein kleines, heute fast übersehenes Bauwerk, das einst für den Verkehr der Nachkriegszeit zentrale Bedeutung hatte. Die Verkehrskanzel wurde 1955 errichtet, um den Straßenverkehr manuell zu regeln. Von dort aus schalteten Polizisten per Hand die Ampeln, lange bevor automatische Systeme üblich wurden.
Der runde Kanzelbau sitzt auf einem rund viereinhalb Meter hohen Betonschaft und ist Teil eines kleinen Ensembles, zu dem auch ein Kiosk und der Zugang zur U-Bahn-Station Kurfürstendamm gehören. Düttmann arbeitete hier gemeinsam mit Bruno Grimmek und Werner Klenke. Trotz ihrer geringen Größe besitzt die Kanzel eine starke gestalterische Wirkung.
Heute hat die Verkehrskanzel keine technische Funktion mehr. Dennoch bleibt sie als Zeugnis einer bestimmten Epoche erhalten. Sie steht für den Anspruch, auch infrastrukturelle Elemente mit architektonischem Bewusstsein zu gestalten.
Nee, Düttmann ist nur wirklich ein grottenschlechter Architekt. Der Mann repräsentiert schlechten Betonbrutalismus. Mit Teilen seines Frühwerks, so der Hansebücherei, kann man leben, gut war die Verkehrskanzel Ecke Ku’damm und Joachimsthaler Straße. Alles andere ist das reine Grauen!
Die Bebauung am Mehringplatz und am Wassertorplatz in Kreuzberg finde ich einfach nur schrecklich. Und ich wage die These, dass diese Bebauung bzw. Architektur, insbesondere am Mehringplatz, zu den Schwierigkeiten mindestens beiträgt, die es dort gibt.
Will man so etwas überhaupt Architektur nennen? Die arrogante Architektenkaste und ihre Selbstgefälligkeit nach dem 2. Weltkrieg hat höchstens einen Spitzenplatz beim schlechten Geschmack verdient. Ansonsten gilt leider: Abreißen.