Der geplante Neubau des Cantianstadions in Prenzlauer Berg steht aufgrund von Artenschutzauflagen vor einer ungewissen Zukunft. Ein Gerichtsbeschluss des Berliner Verwaltungsgerichts vom Montag setzt den Abriss der historischen Arena bis auf Weiteres aus, um den Schutz bedrohter Brutplätze des Haussperlings sicherzustellen. Damit ist der Zeitplan für das geplante 188-Millionen-Euro-Projekt vorerst gekippt.

Künftig Berlins drittgrößte Arena: So soll der Neubau des Stadions im Friedrich-Ludwig-Jahnsportpark von außen aussehen – die Frage ist nur, wann mit dem Bau der neuen Arena begonnen werden kann. / © Visualisierung: O+M Architekten GmbH

© Foto Titelbild: Wikimedia Commons
Text: Stephanie Engler

Der Umweltverband Naturfreunde Berlin hatte im Oktober Klage gegen den fortschreitenden Abriss des Jahnstadions eingereicht und argumentiert, dass der Senat die Verpflichtungen zum Artenschutz unzureichend umgesetzt habe. Das Verwaltungsgericht folgte nun dieser Auffassung und beschloss, den Abriss vorläufig zu untersagen. Laut Gericht würden hinreichende Maßnahmen fehlen, um die Brutplätze des Haussperlings und weiterer Arten zu schützen. Insgesamt seien 94 Brutplätze des Haussperlings betroffen, für die keine ausreichenden Ersatzmaßnahmen vorgesehen seien.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hatte den Bau von sogenannten „Sperlingshäusern“ mit 108 Nistkästen als Kompensation angekündigt, diese jedoch bisher nicht installiert. Da die Brutperiode der Vögel im Frühjahr beginnt und bis zum Herbst dauert, ist der Baustopp zumindest bis März 2025 wirksam. Damit könnte sich die geplante Fertigstellung des neuen Stadions weiter verzögern, was den ursprünglichen Zeitplan, der einen Abschluss bis 2027 vorsieht, erheblich gefährden könnte.

Stadion-Abriss im Jahnsportpark: Fehlende Kompensationsmaßnahmen als zentraler Streitpunkt

Die Naturfreunde Berlin sehen in der bisherigen Umsetzung der Ausgleichsmaßnahmen erhebliche Defizite. Auch das Gericht betonte, dass die geplanten „Sperlingshäuser“ nur selten von Vögeln angenommen würden und die Effektivität dieser Maßnahmen fraglich sei. Die Senatsverwaltung konnte die Zweifel des Gerichts in dieser Hinsicht nicht ausräumen und verwies lediglich darauf, dass Artenschutzmaßnahmen zum Teil schon umgesetzt worden seien. Umweltschützer argumentieren zudem, dass die geplanten Abrissarbeiten mit dem Bundesnaturschutzgesetz nicht vereinbar seien, da dieses die Sicherung der Brutplätze und Fortpflanzungsstätten streng vorschreibe.

Kritik an dem geplanten Stadionprojekt kommt auch von Anwohnern und weiteren Initiativen. Angesichts einer angespannten Haushaltslage seien die veranschlagten Gesamtkosten von rund 300 Millionen Euro zu hoch, so die Bürgerinitiative Jahnsportpark. Kritiker verweisen auch auf die Einschränkungen für den Breitensport durch das geplante Bauvorhaben, das ein Stadion für rund 188 Millionen Euro, eine Mehrzweckhalle und ein Bürogebäude vorsieht. Die Sportwiese, die bislang dem Freizeitsport zur Verfügung steht, soll durch einen kleineren Kunstrasenplatz ersetzt werden, was auf Widerstand bei der Anwohnerschaft stößt.

Fortsetzung des Abrisses ungewiss – Senat hält an Projekt fest

Trotz des aktuellen Baustopps hält der Berliner Senat an den Plänen für das neue Stadion fest und verweist auf den dringenden Bedarf für eine moderne, zweitligataugliche Arena und eine umfassende Neugestaltung des Areals. Der Landessportbund Berlin unterstützt die Senatsverwaltung und hebt die Bedeutung des Projekts für die Berliner Sportlandschaft hervor. Der nun verhängte Baustopp gefährdet jedoch den ursprünglichen Plan, den Rückbau des alten Stadions bis zum dritten Quartal 2025 abzuschließen.

Die Bürgerinitiative Jahnsportpark und die Naturfreunde Berlin sprechen sich unterdessen für eine Sanierung des bestehenden Stadions unter Erhalt der historischen Substanz aus. Sie sehen den vollständigen Neubau nicht nur als finanzielle Belastung, sondern auch als problematisch im Hinblick auf die ökologischen und sozialen Folgen für das Umfeld. Die dringend erforderliche Modernisierung der maroden Kabinen- und Funktionsgebäude, die sich auf dem Gelände befinden und die von zahlreichen Kinder- und Jugendmannschaften genutzt werden, wird durch die erzwungene Verzögerung auf ungewisse Zeit verschoben.

 

Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier: 

Quellen: NaturFreunde Berlin, Der Tagesspiegel, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, O+M Architekten GmbH, Berliner Morgenpost, LOR Landschaftsarchitekten, Bürgerinitiative Jahnsportpark, Fachhochschule Erfurt, Verein Pfeffersport

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6 Comments

  1. Böhme 5. November 2024 at 23:17 - Reply

    Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zeigt herausragend die grundlegenden Probleme des Standorts Deutschland! Haussperling hört sich irgendwie besonders an – es handelt sich schlicht um den Spatz! Und gerade in Berlin stirbt der mit Sicherheit nicht aus! Stillstand Deutschland, weil Anwohner befürchten, dass der Neubau zu einer intensiveren Nutzung mit den tatsächlichen oder vermeintlichen Nachteilen für die Anwohner führt, weil fanatische Umweltschützer um alles, was kreucht und fleucht, kämpfen, ohne über die Sinnhaftigkeit des Kampfes nachzudenken, weil Ewig-Gestrige an der alten DDR-Architektur und den damut verbundenen Erinnerungen kleben. Es gehen also ein paar Spatzennistplätze verloren – und dafür soll ein baufälliger Bau erhalten werden.

    Wer als letzter lacht, lacht am Besten: Der Spatz!

    • a.tirpitz 6. November 2024 at 10:33 - Reply

      Ganz Ihrer Meinung…Nur noch irre!…

  2. Anthony R Flambard 6. November 2024 at 09:58 - Reply

    Was für ein Zirkus. Fanatismus in Vollendung.

  3. Gasperini 7. November 2024 at 12:17 - Reply

    Seit Jahren wird die Sanierung verschleppt, und am Ende beschweren sich die Leute, die andererseits ihre Kinder nicht zum Sportverein vor der Tür schicken können, weil genau dieser Verein seit Jahren keine neuen Personen aufnehmen kann, weil die Anlage nicht ausreicht. Aber dafür haben wir ein paar Spatzen mehr.

  4. Taari 7. November 2024 at 15:56 - Reply

    In Brandenburg darf ein (größen)wahnsinniger US-Mogul mit fragwürdigen Ansichten subventioniert im Wasserschutzgebiet ne Mega-Fabrik hochziehen, und in Berlin stoppt der Bau eines 300-Millionenprojekts an knapp 200 Vögeln. Wo ist denn hier die Verhältnismäßigkeit?

    Ich liebe diese Stadt, aber manchmal ist es echt schwer, anderen Menschen zu vermitteln, warum sie so toll ist oder sein kann, wenn das hier die Schlagzeilen sind…

  5. […] later Berlin Thunder also in the Olympic Stadium. The team initially played their home games in Friedrich-Ludwig-Jahn Sports Park in Prenzlauer Berg. In 2003 the team moved to the stadium in Westend, which significantly increased […]

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