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Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 9: Alfred Forbát

Der jüdisch-ungarisch-deutsche Architekt, Stadtplaner, Hochschullehrer und Maler Alfred (Fred) Forbát gehört zu den bedeutendsten Vertretern des Neuen Bauens. Dabei war er sowohl in Deutschland als auch in Ungarn, Griechenland, Schweden und der Sowjetunion tätig. Alfred Forbát gelang es, bis zum Lebensende sein berufliches Wirken stetig zu erweitern.

Gehört zu den bedeutendsten Projekten, an denen Alfred Forbán mitgearbeitet hat: Die Großsiedlung Siemensstadt in Berlin-Spandau, heute UNESCO-Weltkulturerbe. / © Foto: Wikimedia Commons

© Fotos: Wikimedia Commons
Text: Henriette Schubert

Alfred (Fred) Forbát

Geboren 1897 in Pécs – Gestorben 1972 in Vällingby (Stockholm)

Herkunft: Geburt in Pécs

Unter dem Namen Alfred Füchsl wurde Fred Forbát am 31. März 1897 in der Stadt Pécs in Österreich-Ungarn in eine jüdische Familie hineingeboren. Durch Magyarisierung im Jahr 1915 war er fortan als Alfred oder Fred Forbát bekannt. 

Nachdem er die Oberrealschule in seiner Geburtsstadt mit dem Abitur 1914 verlassen hatte, widmete Forbát sich dem Studium der Architektur an der Technischen Hochschule in Budapest. Nur ein Jahr später wurde er zum Militärdienst einberufen, wodurch er sein Studium beenden musste. 

Dem Kriegsdienst folgten ein schweres Lungenleiden und ein dadurch bedingter Aufenthalt in einem Sanatorium in Tatra für zwei Jahre. Bereits 1916 verfasste Forbát wissenschaftliche, kunsthistorische Arbeiten. Es gelang ihm, 1917 sein begonnenes Architekturstudium in Budapest wieder aufzunehmen. Ein Jahr später wurde Forbát Mitglied der „Ungarischen archäologischen und anthropologischen Gesellschaft“. Die Niederschlagung der Räterepublik veranlasste ihn zu einem Wechsel an die Technische Hochschule München, wo der das Studium 1920 mit dem Grad eines Diplom-Ingenieurs (Dipl.-Ing.) erfolgreich abschloss.

Nach seinem Studium arbeitete Forbát als selbstständiger Architekt. Er erlangte einen Lehrauftrag am Bauhaus in Weimar. Bis 1922 war er zudem mit Unterbrechungen im Atelier von Walter Gropius tätig. Im selben Jahr ging er die Ehe mit Hedwig Rücker ein. Im Auftrag der „Refugee Settlement Commission“ des Völkerbundes übernahm Forbát von 1923 bis 1924 die technische Leitung der Umsiedlungsbauprojekte in der Türkei und in Griechenland, die durch die deutsche DEHATEGE Gesellschaft ausgeführt wurden.

Alfred Forbáts Wirken in Berlin

Im Jahr 1925 zog Forbát nach Berlin, um dort in den folgenden drei Jahren bis 1928 als Chefarchitekt des hier ansässigen Konzerns Allgemeine Häuserbau-Aktien-Gesellschaft (AHAG)-Sommerfeld zu arbeiten. Hier realisierte er unter anderem das Restaurant „Grünewald“ in Berlin-Zehlendorf sowie die Großgarage beim Botanischen Garten in Berlin-Lichterfelde. In dieser Zeit trat er 1926 zudem dem “Ring“ bei, der als Vereinigung fortschrittlicher Architekten galt. Zum Ende seiner Tätigkeit als Chefarchitekt erwarb Forbát die deutsche Staatsbürgerschaft. 

Als die sowjetische Handelsvertretung in Berlin Lindenstraße 20-25 einen Spezialisten für die Farbgestaltung von Wohngebäuden in Moskau suchte, vermittelte Forbát Hinnerk Scheper als Farbgestalter vom Bauhaus Dessau. Forbát selber wechselte als selbstständiger Architekt in die Bürogemeinschaft mit Hubert Hoffmann. Zwischen 1929 und 1930 war er zudem Mitglied der Sachverständigenkommission der kommunalen Wohnungsfürsorge der Stadt Berlin. Das Folgejahr bescherte ihm nicht nur eine Lehrtätigkeit im Bereich Stadtplanung und Wohnungswesen an der Itten-Schule, sondern auch die Mitarbeit an der Baufachzeitschrift „Wohnungswirtschaft“ des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes. 

Bis 1932 war er weiterhin in der Bürogemeinschaft tätig und realisierte unter anderem die „Großsiedlung Siemensstadt“ in Zusammenarbeit mit Otto Bartning, Walter Gropius, Hans Scharoun und Hugo Häring. Die Siedlung ist mittlerweile UNESCO-Weltkulturerbe. Auch das Mommsenstadion, vormals SCC-Stadion, in Berlin-Westend fällt in diese Zeit. 1931 ging zudem die Reichsforschungssiedlung Haselhorst in den Bau, die er mit Paul Mebes und Paul Emmerich in Berlin-Spandau realisierte. Ihre Fertigstellung dauerte bis 1935. 

Als er als Experte für Stadtplanung in Moskau eingeladen wurde, arbeitete Forbát von 1932 bis 1933 im Team mit Ernst May, Margarete Schütte-Lihotzky, Gustav Hassenpflug, Werner Hedebrand und Mart Stam. 

Nach der Machtergreifung: emigration mit Wiederaufbau in Schweden

Sein Aufenthalt im Ausland führte dazu, dass Forbát von der nationalsozialistischen Machtübernahme und den damit einhergehenden Neustrukturierungen überrascht wurde. So verbrachte er zunächst drei Monate in Athen. Hier widmete er sich der Archäologie. Seine Tätigkeiten wurden in Wilhelm Dörpfelds Werk „Alt-Olympia“ veröffentlicht. Im Anschluss entschied er, bis 1938 in seine Geburtsstadt Pécs zurückzukehren und als freier Architekt zu arbeiten. Als er vom Verlust seiner deutschen Staatsangehörigkeit und dem Berufsverbot erfuhr, nahm er wieder die ungarische Staatsangehörigkeit an.

1938 folgte auch in Ungarn das Berufsverbot für Juden. Auf Einladung des Architekten Uno Ahren emigrierte Forbát noch im selben Jahr nach Schweden und war hier bis 1945 als Mitarbeiter des Architekten Sune Lindström tätig. In dieser Zeit war er mit der Erstellung des Generalplans der Stadt Lund betraut, erstellte jedoch auch die Pläne für das Physiologische Institut der Universität Lund. Auch Planung und Bau mehrere Mietshäuser im Bezirk Borgmästaregarden in Lund gehörten in dieser Zeit zu seinen Tätigkeiten. Im April 1942 wechselte er die Anstellung und war fortan für die HSB, Abteilung für Stadtplanung, tätig. In dieser Zeit entstanden der Generalplan für die Stadt Skövde sowie weitere Pläne und Untersuchungen.

Nach einem publizierten Vorschlag Forbáts bezüglich einer neuen Bevölkerungsstatistik mit Anpassung der Bedürfnisse der Stadtplanung, wurde Forbát Mitglied im Stadtplanungskomitee „Eglers Stadtplanebyra“. Im Jahr 1950 wurde er sogar zum Leiter des Instituts für Raumplanung ernannt. In dieser Zeit entstanden Masterpläne für verschiedene, schwedische Städte. Überdies wurde das Interims-Treffen des CIAM in Sigtuna (Schweden) im Jahr 1952 durch Forbát mitorganisiert. Fünf Jahre später nahm der Architekt zudem 1957 an der Internationalen Bauausstellung „Interbau“ in Berlin teil.

Als Experte für Stadtplanung ging er von 1959 bis 1960 in die Lehrtätigkeit als Professor an der Königlich Technischen Hochschule Stockholm. Zwölf Jahre später, am 22. Mai 1972, verstarb Forbát in Vällingby (Stockholm) im Alter von 75 Jahren. Sein Grab befindet sich in einem Gedenkhain im Skogskyrkogarden.

 

Weitere Bilder zum Thema findet Ihr hier: 

Forbát arbeitete auch an der Realisierung des Mommsenstadions in Berlin-Westend mit. / © Foto: Wikimedia Commons

Alfred Forbáts Beitrag zur Reichsforschungssiedlung Haselhorst in Berlin-Spandau, die bis 1935 fertiggestellt wurde. / © Foto: Wikimedia Commons

Quellen: Gesellschaft zur Erforschung des Lebens und Wirkens deutschsprachiger jüdischer Architekten, Jüdische Allgemeine, ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN, Jüdisches Museum Berlin, Wikipedia

Weitere Teile der Reihe findet Ihr hier: 

Vergessene Baukunst: Die Geschichte jüdischer Architekten in Berlin

Historisch und modern: Die bauliche Neuerfindung des Petriplatzes

Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 2: Erich Mendelsohn

Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 3: Alexander Klein

Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 4: Martin Punitzer

Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 5: Marie Frommer

Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 6: Erwin Gutkind

Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 7: Harry Rosenthal

Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 8: Alfons Anker

Weitere Artikelreihen könnt Ihr hier finden

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