Zwei Jahrzehnte nach seiner Eröffnung bleibt der Berliner Hauptbahnhof ein Ort des Wandels. Neue Bürogebäude, ein S-Bahn-Tunnel, grüne Freiräume und Kulturzentren gestalten das Umfeld unweit des Berliner Regierungsviertels neu – städtebaulich wie funktional. Wir zeigen zehn ausgewählte Bauprojekte.

Eine Übergangslösung für die „S21“: Zunächst wird die neue S-Bahnlinie an einem Interimsbahnsteig unter der Invalidenstraße, in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof, halten. Die Station stellt eine Zwischenlösung dar, bis die finale Haltestelle – direkt daneben – fertig wird. / © Visualisierung: Deutsche Bahn AG

© Visualisierung Titelbild: CA Immo

 

Rund zwei Jahrzehnte nach der Eröffnung des Berliner Hauptbahnhofs ist dessen unmittelbares Umfeld noch immer eine riesige städtebauliche Entwicklungsfläche – ein urbanes Labor im permanenten Wandel.

Zwar sind in den vergangenen Jahren markante Hochhäuser, Hotel- und Bürogebäude sowie neue Infrastrukturprojekte hinzugekommen, doch das Areal rund um den größten Kreuzungsbahnhof Europas ist noch weit davon entfernt, fertig oder funktional vollendet zu sein. Im Gegenteil: In den kommenden Jahren wird sich das Gesicht des Quartiers weiter grundlegend wandeln.

Hauptbahnhof Berlin: Weiterhin werden zahlreiche Bauprojekte geplant und umgesetzt

Mit der schrittweisen Inbetriebnahme der S-Bahnlinie S21, der geplanten Eröffnung des dazugehörigen unterirdischen Bahnhofs, neuen Büro- und Gewerbekomplexen wie dem „Lehrter Campus“, der Umgestaltung des Europaplatzes oder dem Bau gemischt genutzter Gebäude am Humboldthafen schreitet die bauliche Verdichtung und funktionale Ergänzung rund um das verkehrliche Herz der Hauptstadt unaufhaltsam voran.

Der Berliner Hauptbahnhof bleibt damit nicht nur ein zentrales Drehkreuz im deutschen Bahnnetz, sondern auch ein Kristallisationspunkt urbaner Transformation. In unserem aktuellen Artikel stellen wir zehn ausgewählte Bauprojekte vor, die das Bahnhofsumfeld in den kommenden Jahren prägen und verändern werden – städtebaulich, funktional und architektonisch.

Unterirdischer Bahnhof und Interims-Haltestelle für die Linie „S21“

© Visualisierung: Deutsche Bahn AG

Die neue, mittlerweile mehrfach verzögerte S-Bahnlinie „S21“ erhält unter der Invalidenstraße in unmittelbarer Nähe zum Berliner Hauptbahnhof zunächst eine provisorische Station, die bis zur geplanten Fertigstellung der finalen Haltestelle genutzt werden soll. Diese Interimsstation ermöglicht bereits vorzeitig eine Verbindung vom Bahnhof Gesundbrunnen zum Hauptbahnhof. Der Bahnsteig ist als einfache Konstruktion aus Betonelementen ausgeführt und soll später einem Weichenbereich weichen. Dennoch wird er einen direkten Übergang zur U-Bahnlinie 5 bieten, bis der endgültige Bahnsteig, der ebenfalls unterirdisch entsteht, fertiggestellt wird. Einen konkreten Zeitplan dafür gibt es laut Deutscher Bahn derzeit dafür nicht.

Mixed-Use-Gebäude am südlichen Humboldthafen

© Luftbild: FIS-Broker, SenStadt

Der Berliner Senat plant die Neugestaltung des südlichen Humboldthafens und will damit eine der letzten freien Flächen in Hauptbahnhofsnähe bebauen. Durch die geplante Mischung aus öffentlicher Uferpromenade, Gewerbeflächen, Gastronomie und Dienstleistungsangeboten soll ein lebendiges Stadtquartier am Wasser entstehen. Auf Nachfrage ließ die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung im Oktober 2024 wissen, dass Wohnungen auf dem Areal wohl nicht realisiert werden sollen: „Das Kerngebiet um den Humboldthafen soll aufgrund seiner besonderen Lage in erster Linie der Unterbringung von Dienstleistungsfunktionen mit ergänzenden Handelsbetrieben und gastronomischen Einrichtungen dienen. Analog zum bereits realisierten Büro- und Geschäftshaus östlich des Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanals soll auch auf der westlichen Seite ein Geschäftsgebäude entstehen.

Gewerbeprojekt „Lehrter Campus“ entsteht auf der Nordseite des Hauptbahnhofs

© Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Direkt nördlich des Hauptbahnhofs entsteht mit dem „Lehrter Campus“ ein neuer Bürokomplex direkt an der Stadtbahntrasse. Doch obwohl die Bauarbeiten inzwischen sichtbar voranschreiten, wird der ursprünglich angepeilte Fertigstellungstermin im Jahr 2025 wohl nicht zu halten sein. Der künftige Neubau ist ausschließlich für eine gewerbliche Nutzung konzipiert. Etwa 10.365 Quadratmeter Bürofläche sollen auf neun Etagen entstehen. Mit einer Höhe von 35 Metern wird sich das Gebäude optisch nahtlos in die benachbarte Bebauung einfügen. Besonders deutlich ist die Orientierung an der Fassade des EDGE Grand Central. Die Projektentwicklung liegt bei der HG Immobilien Objektgesellschaft.

Interimsbau für das Bundespräsidialamt wird bis zum Sommer 2025 fertig

© Visualisierung: Sauerbruch Hutton Gesellschaft von Architekten mbH

Auf der südwestlichen Seite des Hauptbahnhofs, im Berliner Regierungsviertel, wächst derzeit ein Büro-Neubau für voraussichtlich rund 200 Millionen Euro, der für fünf Jahre vom Bundespräsidialamt genutzt werden soll. Denn das historische Schloss Bellevue und der 1998 errichtete Verwaltungsbau im Tiergarten müssen dringend saniert werden. Der Interimsbau entsteht in Modulbauweise und soll im Sommer 2025 fertig sein. Derzeit wird die farbig gestaltete Fassade von den Baugerüsten befreit.

Kontrovers diskutierte Neugestaltung des Europaplatzes auf der Nordseite des Hauptbahnhofs

© Visualisierung: Rehwaldt Landschaftsarchitekten, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen

Taxis blockieren Busspuren, die BVG droht mit Rückzug – doch der neue Europaplatz lässt für sie keinen Raum mehr. Das urbane Entree soll grüner werden, doch ein funktionierendes Verkehrskonzept bleibt bislang aus. Der geplante „grüne Schirm“ lässt keinen Platz für einen geräumigen Taxistand, dieser soll eigentlich auf der Südseite des Hauptbahnhofs liegen – doch bislang hält sich niemand an die Vorgabe. Ein neues Verkehrskonzept für das Bahnhofsumfeld wird derzeit aber erarbeitet und soll im August 2025 vorliegen, wie es heißt. Vorschläge einer eigens eingerichteten „Taskforce Taxen“ wurden bislang allerdings nicht umgesetzt. Dennoch soll Ende 2025 mit der Umgestaltung des Europaplatzes begonnen werden.

Nachhaltiges Bürogebäude: Anna-Lindt-Haus entsteht am Europaplatz in Holzhybridbauweise

© Visualisierung: CA Immo

Mit dem Anna-Lindh-Haus entsteht in der Berliner „Europacity“ am Hauptbahnhof ein nachhaltiges Bürogebäude, das Holz und Beton für reduzierte CO2-Emissionen kombiniert. Effiziente Energienutzung und flexible Raumgestaltung sollen das Bürogebäude zum Vorbild für zukunftsfähige Architektur im urbanen Raum machen. Der geplante Neubau wird etwa 15.000 Quadratmeter Bürofläche bieten und höchste Anforderungen an Nachhaltigkeit, Effizienz und Flexibilität erfüllen, wie es heißt – Wohnflächen sind im Neubau allerdings nicht geplant. Das Gebäude wird vollständig elektrifiziert und CO2-neutral im Betrieb sein, unter anderem durch den Einsatz von Wärmepumpen und einer Photovoltaikanlage, die 30 Prozent des Strombedarfs deckt, wie Bauherr CA Immo wissen lässt.

Revitalisierung einer Brachfläche: „Döberitzer Grünzug“

© Foto: Grün Berlin GmbH

Ein eher ungewöhnliches Freiraumprojekt wird vom landeseigenen Unternehmen Grün Berlin GmbH verantwortet und trägt den Namen „Döberitzer Grünzug“, ausgehend von der namensgebenden Döberitzer Straße, die nördlich des Hauptbahnhofs verläuft und die südliche Begrenzung des geplanten Grünzugs zwischen Poststadion und „Europacity“ bilden wird. So soll auf einem schmalen Streifen zwischen den Wohnquartieren an der Lehrter Straße und der „Europacity“ eine neue Ost-West-Verbindung sowie zusätzlich eine Nord-Süd-Grünverbindung entstehen, die den Hauptbahnhof mit den nördlich liegenden Stadtquartieren in Moabit und im Wedding vernetzen soll. Die bisherige Brachfläche soll im Zuge der Bauarbeiten in den kommenden Jahren zu einer 4,5 Hektar großen Grünanlage umgestaltet werden. Ein erster Teil des Projekts wurde schon fertiggestellt.

Erweiterung der Unternehmenszentrale des Energiedienstleisters 50Hertz

© Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Das Unternehmen 50Hertz, welches seit 2016 seinen Unternehmenssitz in der „Europacity“ hat, ist heute Arbeitgeber von rund 1.600 Beschäftigten. Der Energie-Dienstleister betreibt das Stromübertragungsnetz im Norden und Osten Deutschlands. Derzeit wird die seit rund acht Jahren bestehende Unternehmenszentrale an der Heidestraße, die sich in direkter Nachbarschaft zum Kunstmuseum Hamburger Bahnhof befindet, baulich erweitert. Dabei wurde die bislang bestehende Lücke zwischen dem 50Hertz-Gebäude und den Rieckhallen geschlossen.

Klavierzentrum für Moabit: Bechstein-Campus an der Heidestraße geplant

© Visualisierung: Aesthetica Studio

Direkt an der Heidestraße soll mit dem Carl-Bechstein-Campus ein aufsehenerregender Kultur-, Gewerbe- und Einzelhandelsstandort entstehen. Im Gestaltungswettbewerb konnte sich das Büro Graft Architects gegen sechs namhafte Konkurrenten durchsetzen. Entstehen soll ein Gebäudekomplex, der zwei Konzertsäle sowie Übungs- und Tagungsräume, die Bechstein Akademie, Büros, Verkaufsräume für Flügel und Klaviere sowie thematisch passende kleinere Einzelhandelsflächen beinhalten soll. Die verantwortliche C. Bechstein Pianoforte AG ist ein in Berlin ansässiges, renommiertes  Unternehmen, das sich auf die Herstellung von hochwertigen Klavieren und Flügeln spezialisiert hat.

Fertigstellungstermin unbekannt: Die neue S-Bahnlinie „S21“

© Foto: Depositphotos.com

Zu guter Letzt: eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte, die am Berliner Hauptbahnhof entstehen – und zugleich eines der mühsamsten. Das Projekt „City-S-Bahn“ der Deutschen Bahn AG bleibt ein Sinnbild für stockende Infrastrukturprojekte. Einst für 2017 geplant, ist die Strecke auch 2025 noch immer nicht betriebsbereit. Grund für die Verzögerung sind weiterhin anhaltende Probleme bei der technischen Abnahme. Bereits der vorherige Termin musste verschoben werden, da Prüfingenieure fehlten. Dennoch strebt die Deutsche Bahn an, die kurze Verbindung noch in diesem Jahr zu eröffnen, wie es heißt. Es wäre jedoch nicht überraschend, wenn auch diese Zielvorgabe verfehlt wird.

Quellen: CA Immo, Rehwaldt Landschaftsarchitekten, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, JTRE Germany GmbH, Grün Berlin GmbH, Bezirksamt Mitte, Architektur Urbanistik Berlin, Aesthetica Studio, Graft Architects, Kleihues + Kleihues, Nöfer Architekten, Op­ti­ma-Ae­gi­di­us-Fir­men­grup­pe,  IKR Bau­trä­ger und Be­tei­li­gungs­ge­sell­schaft GmbH, Competo Capital Partners, Deutsche Bahn AG, HG Immobilien Objektgesellschaft, Sauerbruch Hutton Gesellschaft von Architekten mbH, C. Bechstein Pianoforte AG

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