Anzeige

Berlin will hoch hinaus, aber mit neuen Regeln: Der Senat hat das Hochhausleitbild überarbeitet, das seit 2020 die Grundlage für den Bau von Türmen über 60 Metern bildet. Künftig sollen Wohnhochhäuser leichter zu realisieren sein, einige bisherige Vorgaben, etwa die Pflicht zu öffentlichen Dachterrassen oder Mischnutzungen, entfallen. Damit reagiert die Stadt auf steigende Baukosten, Flächenknappheit und Kritik aus der Immobilienpraxis.

Hochhäuser am Potsdamer Platz

Neue Hochhäuser in Berlin sollen sich in ihr städtebauliches Umfeld einfügen. Das Erdgeschoss soll gemäß dem Berliner Hochhausleitbild öffentlich nutzbar sein, etwa durch Geschäfte, Gastronomie oder kulturelle Angebote. Bislang galt zudem die Vorgabe, Hochhäuser über 60 Meter multifunktional zu nutzen und ein offen zugängliches oberstes Geschoss vorzusehen. Für Wohnhochhäuser könnten sich diese Anforderungen nun ändern. / © Foto: Depositphotos.com

© Foto oben: Depositphotos.com
© Foto Titelbild: ENTWICKLUNGSSTADT

 

Der Berliner Senat hat sein Hochhausleitbild überarbeitet. Die neue Fassung, vorgestellt von Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt, soll den Bau von Wohnhochhäusern in der Hauptstadt erleichtern und gleichzeitig den gestiegenen Anforderungen an Stadtplanung, Nachhaltigkeit und Gemeinwohl gerecht werden. Kahlfeldt betonte laut Tagesspiegel, beim „Forum Hochhäuser – Perspektiven für die vertikale Stadt“ der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung, dass Berlin offen bleibe für Hochhäuser, aber „nicht um jeden Preis“. Ziel sei es, Projekte zu fördern, die „dauerhaft tragfähig sind und einen erkennbaren Mehrwert für die Stadt schaffen“.

Das Leitbild, das seit 2020 galt, definiert städtebauliche und architektonische Standards für Gebäude über 60 Meter Höhe. Es soll den Ausgleich schaffen zwischen wirtschaftlichen Interessen der Investoren, planerischen Anforderungen und den Bedürfnissen der Stadtgesellschaft. Weil viele Vorgaben bislang schwer umsetzbar waren, wurden sie nun angepasst. Damit reagiert der Senat auf die schleppende Anwendung des bisherigen Leitbildes, denn bislang wurde kein Hochhausprojekt vollständig nach diesen Vorgaben realisiert.

Berlin vereinfacht Hochhausplanung: Mischnutzungspflicht für Wohnhochhäuser fällt weg

Eine zentrale Änderung betrifft die Nutzung von Hochhäusern. Bislang galt: Gebäude über 60 Meter müssen gemischt genutzt werden, Wohnhochhäuser sollten zu 30 Prozent Gewerbeflächen enthalten und Bürohochhäuser einen entsprechenden Wohn- oder Gemeinwohlanteil. Diese Vorgabe wird nun für reine Wohnhochhäuser aufgehoben. Kahlfeldt begründete die Entscheidung damit, dass „Wohnhochhäuser an sich bereits ein Beitrag zum Gemeinwohl“ seien. Allerdings bleibt die Pflicht bestehen, im Rahmen des Berliner Modells 30 Prozent der Wohnflächen mietpreis- und belegungsgebunden zu gestalten, wie der Tagesspiegel berichtet.

Auch der Planungsprozess wird gestrafft. Statt drei Begutachtungen durch das Baukollegium ist künftig nur noch eine frühe Prüfung vorgesehen. Die finale Qualitätskontrolle kann durch die Jury eines Wettbewerbs oder die Senatsbaudirektorin selbst erfolgen. Damit entfallen mehrere bürokratische Zwischenschritte, die Projekte bislang verzögerten.

Weniger Gemeinwohlvorgaben: Öffentliche Dachterrassen und soziale Auflagen fallen weg

Ebenfalls neu ist die Regelung zu öffentlich zugänglichen Dachflächen. Bisher mussten Hochhäuser eine öffentliche Dachterrasse oder ein frei zugängliches oberstes Geschoss vorsehen. Diese Pflicht wird künftig durch flexiblere Lösungen ersetzt, etwa durch öffentlich nutzbare Flächen auf den Sockelgebäuden oder begrünte Dachterrassen, die nur für Bewohnerinnen und Bewohner zugänglich sind. Befürworterinnen und Befürworter sehen darin eine pragmatische Anpassung, Kritiker hingegen warnen vor dem Verlust öffentlicher Aufenthaltsräume in der Vertikalen.

Der Berliner Mieterverein kritisiert zudem, dass mit der Lockerung der Gemeinwohlvorgaben die soziale Balance verloren gehen könnte. Hochhäuser, so der Verband, blieben meist Prestigeprojekte mit hohen Bau- und Mietkosten. Für bezahlbaren Wohnraum seien sie daher kaum geeignet. Zudem sei der Flächenertrag im Verhältnis zur Bauhöhe begrenzt, Blockrandbebauungen böten häufig mehr Wohnungen pro Hektar.

Zwischen Verdichtung und Wohnraummangel: Debatte um Berlins Hochhausstrategie hält an

Die Diskussion über Hochhäuser in Berlin bleibt emotional. Während Regierender Bürgermeister Kai Wegner wiederholt betont hat, Berlin müsse „mutiger in die Höhe bauen“, sehen viele Stadtplanerinnen und Stadtplaner darin nicht die Lösung für den Wohnraummangel. Hochhäuser seien teuer, technisch komplex und ökologisch anspruchsvoll. Dennoch sollen sie künftig stärker Teil der Berliner Stadtentwicklung sein, als Verdichtungselement in zentralen Lagen und als architektonisches Signal, wie der Berliner Mieterverein mitteilt.

Mit dem überarbeiteten Hochhausleitbild verfolgt der Senat das Ziel, einen flexibleren Rahmen für künftige Bauvorhaben zu schaffen, etwa an Standorten wie der Warschauer Straße, dem Gleisdreieck oder dem Tempelhofer Feld. Ob die neuen Regelungen tatsächlich zu einer stärkeren Hochhausentwicklung führen, hängt nun von der wirtschaftlichen Lage und den konkreten Projektbedingungen ab.

 

Quellen: Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Berliner Mieterverein, Der Tagesspiegel

Jetzt PLUS-Kunde werden

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein PLUS-Abonnement.

Tags (Schlagwörter) zu diesem Beitrag

10 Kommentare

  1. Cahnbley 6. Oktober 2025 at 21:44 - Reply

    Das Baukollegium ist an und für sich schon eine groteske Einrichtung. Die Aufhebung der Pflicht einer öffentlich zugänglichen Dachterrasse ist auch ein Kuriosum, wo ist den eine solche in den letzten Jahren entstanden?

  2. Löwe 6. Oktober 2025 at 23:30 - Reply

    Der aufmerksame Leser erinnert sich an den 18. Dezember 2023.

    Zitat: Nun bleibt abzuwarten, wie die der Berliner Senat das Projekt bewertet. Da die Berliner CDU aber erst kürzlich gefordert hatte, in Berlin den Bau von Hochhäusern zu forcieren und ein neues Hochhausleitbild entwickeln möchte, könnte das Momentum für das geplante Hochhausprojekt am Europa Center durchaus günstig sein. https://entwicklungsstadt.de/europa-center-2-in-der-city-west-investor-bekraeftigt-hochhausplaene

  3. Alexander Schaaf 7. Oktober 2025 at 11:15 - Reply

    Es ist wie immer. Sobald die CDU am Werk ist, wird die Situation weiter für den Bürger und Stadtbewohner verschlechtert.

    Die Immobilienunternehmen und Real Estate Heuschrecken haben ganze Landstriche vernichtet (Siehe Real Estate Blase in China und anderswo) ! Im Zweifelsfall steigen eben die Mieten – der Leerstand von Büroflächen schon jetzt werden missachtet und die Innenstädte veröden.

    Überall das Gleiche Prinzip und hundertfach praktiziert zum NACHTEIL der Bevölkerung und zum VORTEIL der Investoren. Die dann wiederum Menschen beschäftigen (was ja immer als Argument angeführt wird, die sich diese Viertel die da entstehen nicht mehr leisten können).

    Absurd bedenkt man dann noch das die Städte mit der höchsten Lebensqualität wie Zürich, Wien etc. eben genau diesen Weg NICHT eingeschlagen haben.

    Ich glaube die Züricher und Wiener sind einfach zu Dumm! Oder ??

    • Philipp 7. Oktober 2025 at 15:04 - Reply

      Wien hat mit der „Donau City“ gleich ein ganzes Hochhausquartier geschaffen. Wenn man alles einzig und allein von der Mieten-Debatte betrachtet, wäre die Wüste ein toller Ort: Die MIeten dort sind so gerin, dass sie gar nicht vorhanden sind!
      EIne Stadt MUSS sich entwickeln können.

    • Lexy 7. Oktober 2025 at 21:39 - Reply

      Sorry, geht’s noch polemischer? In einer Stadt wie Berlin ist für jeden Platz. Das eine zu verbieten löst die Probleme an anderer Stelle nicht, wann kapiert ihr Tagträumer das endlich? Mal ganz davon abgesehen dass 30% geförderter Wohnraum verpflichtend ist, das ist schon nah dran am Kommunismus. Was wollt ihr eigentlich noch?
      Hochhäuser sind flächeneffizient und durch die hohen Preise die abgerufen werden können können nützliche Dinge für das Allgemeinwohl querfinanziert werden. win win nennt sich das.

    • Micha 7. Oktober 2025 at 23:31 - Reply

      Wien? Zürich? Wien hat inzwischen eine ähnliche Skyline wie Frankfurt! Selbst in Zürich und Basel entstehen kleine Manhattan! Nur in Berlin wird dies zu Tode geredet! Und inzwischen sieht die Stadt ja auch so aus! Und die hippen Startups hauen alle ab und gehen nach Warschau!

      • Max 8. Oktober 2025 at 16:04 - Reply

        In den Hochpunkten in Wien findet fast ausschließlich Kommerz statt. Die Wohnungen in Hochpunkten, die in Wien realisiert wurden, hauptsächlich hochpreisig. Die sozial nachhaltige Stadtentwicklung, für die Wien bekannt ist, findet durch die Bank weg in neu geschaffenen Wohnquartieren statt, mit strikten Auflagen hinsichtlich sozial gefördertem Wohnraum, der Schaffung von öffentlichen Räumen und sozialer Infrastruktur. Und das stets auf klassischer Wiener Traufhöhe. Hochhäuser spielen in der sozialen Stadtentwicklung Wiens kaum eine Rolle. Nirgendwo tun sie das, weil sie so nicht funktionieren. Eigentlich weiß man das schon seit den 80er Jahren, als sich die vielen neu gebauten Wohntürme der 60er und 70er mit der Zeit zu sozioökonomischen Ghettos der Unterschicht verwandelten aufgrund ihrer Monostruktur und Randlage. Wohnhochhäuser in Innenstädten verwandeln sich ebenfalls zu sozioökonomischen Ghettos, allerdings für die Oberschicht. Die Mieten dort sind mit am teuersten, weil Hochhäuser im Bau und Betrieb das teuerste sind, was man überhaupt bauen kann.

        Auch in Zürich und Basel sind Wohnhochhäuser kein Element einer sozial nachhaltigen Stadtentwicklung. Das sind die höchstens in NYC oder asiatischen Städten, die aufgrund massiver Überbevölkerung und Platzmangel nur in die Höhe bauen können, siehe Hongkong, Singapur, Seoul, Taipeh oder Tokyo.

        Berlin hat immenses Potential zur Verdichtung und Hochhäuser sind rund um zentrale Verkehrsknotenpunkte wie Alex, Zoo, Warschauer Str., HBF sicherlich sinnvoll. Darüber hinaus aber nicht. Und sie lösen den Wohnraummangel nicht. Vancouver hat das versucht und ist trotz weit über 100 (!!!!) reinen Wohntürmen eine extrem teure Stadt, speziell im Zentrum.

        Welches Startup haut denn ab nach Warschau, bitte? Warschau ist das polnische Wirtschafts- und Dienstleistungszentrum und damit natürlicher Ort für ein Startup-Ökosystem und das ist auch sehr erfolgreich, ohne Zweifel. Aber im direkten Vergleich spielt Berlin eine andere Liga, ohne Warschaus viele erfolgreiche Startups nicht zu würdigen. Dynamik, Kapitalverfügbarkeit, Sichtbarkeit sind in Berlin deutlich weiterentwickelt, auch einfach deswegen, weil Berlin über eins der ältesten Startup-Ökosysteme in Europa verfügt. Keins der größeren Startup würde seinen Sitz nach Warschau verlegen, dazu sind sich sie beiden Standorte auch viel zu ähnlich. Da sind sie schön auf irgendeine rechte Informationsblase hineingefallen…

        • Löwe 11. Oktober 2025 at 15:48 - Reply

          Die alten reinen Wohnhochhäuser würde ich nicht mit den modernen Hochhäusern mit Mischnutzung in besten Innenstadtlagen vergleichen. Soweit ich das beurteilen kann fehlen noch Beispiele wie sowas funktioniert, oder auch nicht. Ein entscheidenener Punkt für mehr Hochhäuser in den gennanten Innenstadt Lagen kann sein das damit Flächenversiegelung verhindert wird und Mietwohnungen geschaffen werden (wenn dies den der Fall ist, was es sein sollte). Mehr Probleme entstehen wenn die Stadt sich weiter ausbreitet, siehe https://www.zeit.de/wirtschaft/2025-10/bauturbo-wohnraum-wohnungsbau-mathias-jehling

  4. Max 7. Oktober 2025 at 18:30 - Reply

    Selbst in New York werden in den unteren Stockwerken „Sozialwohnungen“ realisiert, die von den oberen teuren Wohnungen quersubventioniert werden.

  5. Löwe 11. Oktober 2025 at 15:55 - Reply

    „Neue Hochhäuser in Berlin sollen sich in ihr städtebauliches Umfeld einfügen.“

    Der Potsdamer Platz zeigt gut wie vergurgt dort die ganzen unterschiedlichen Hochhausstile wirken, und es gibt dort wohl auch keine Mietwohnungen https://www.potsdamerplatz.de/de/ , daher wirkt dieser zentrale Platz leer und seltsam entrückt. Dort lädt nichts zum verweilen ein, ja es gibt dort Ansätze in der Umgebung aber das ändert nichts daran das das Gesamtkonzept nicht funktioniert.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.