Wohnraum, Gewerbeflächen, ökologische Fragen – am Adenauerplatz, in Moabit und auf dem Knorr-Areal in Marzahn treffen gegensätzliche Interessen aufeinander. In der aktuellen Sitzung des Berliner Baukollegiums wurde alle Projekte kontrovers diskutiert.

Modellstudie: So soll der Neubau von Eike Becker Architekten am Adenauerplatz in Charlottenburg aussehen. Im Berliner Baukollegium wurde das Projekt intensiv diskutiert. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
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Auf Einladung der Senatsbaudirektorin Prof. Petra Kahlfeldt fand die jüngste Sitzung des Berliner Baukollegiums im BVV-Saal am Fehrbelliner Platz statt. Mit dabei waren auch die Bezirksstadträte Ephraim Gothe (Mitte) und Christoph Brzezinski (Charlottenburg-Wilmersdorf). Drei Großprojekte standen im Mittelpunkt: ein Wohn- und Gewerbekomplex am Adenauerplatz, die Erweiterung des Siemens Energy-Standorts in Moabit und ein neues Stadtquartier im Georg-Knorr-Park in Marzahn.
Neubau am Adenauerplatz: Zwischen Stadtaufwertung und Nutzungsdebatte
Das Architekturbüro Eike Becker präsentierte den überarbeiteten Entwurf für den Neubau am Adenauerplatz. Im Vergleich zur Version von 2022 wurde die Fassadengestaltung angepasst und die Gebäudestruktur differenziert. Auf 16.144 Quadratmetern Bruttogeschossfläche sollen 40 Wohnungen sowie Büro- und Gewerbeflächen entstehen – mit einem klaren Fokus auf kommerzielle Nutzung: Rund 77 Prozent sind für Büros und Gewerbe vorgesehen, lediglich 23 Prozent für Wohnraum.
Der geplante 43 Meter hohe Turm, der sich gestalterisch am benachbarten Panoramahotel orientiert, soll das Areal markant aufwerten. Gleichzeitig wird die Wilmersdorfer Straße zur Lewishamstraße hin geschlossen – ein stadtplanerischer Eingriff mit potenziellen Auswirkungen auf den Verkehrsfluss. Ein begrünter Innenhof mit Spielplatz soll die ökologische Qualität des Quartiers stärken. Doch die zentrale Frage bleibt: Wird hier vor allem Büroraum in bester Lage geschaffen – oder ein echter Beitrag zur Lösung der Wohnraumknappheit? Wirklich klar beantwortet wurde diese Frage am Montagnachmittag jedenfalls nicht.
Siemens Energy in Moabit: Symbolbau der Energiewende?
Siemens Energy plant, seinen Standort in Moabit auszubauen – mit einem neuen, repräsentativen Gebäude mit 25.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche. Die Vision: ein internationales Aushängeschild für Forschung, Entwicklung und Geschäftsführung. Der Konzern, der mit 3.500 Beschäftigten am Standort verankert ist, will damit ein sichtbares Zeichen für die Energiewende setzen.
Gleichzeitig stehen Fragen im Raum: Ist ein 60 Meter hohes Hochhaus an diesem Standort architektonisch und städtebaulich sinnvoll? Wie lässt sich der historische Bestand – darunter die denkmalgeschützte Turbinenhalle von Peter Behrens – mit den ambitionierten Neubauplänen vereinen? Ein Werkstattverfahren soll im April 2025 starten und Klarheit bringen. Offenheit im Prozess ist gefragt – denn Siemens Energy ist als wirtschaftlicher Motor für Berlin von zentraler Bedeutung.
Georg-Knorr-Park: Großprojekt für Marzahn – mit Backsteincharme und reduzierten Hochhäusern
Das größte Projekt der Sitzung stellte das Architekturbüro HSA (Harald Müller Architekten) vor: Auf einem neun Hektar großen Areal in Berlin-Marzahn soll ein neues Stadtquartier mit 1.600 Wohneinheiten entstehen – ein wichtiger Beitrag gegen die Wohnungsknappheit. Die Gesamtbruttogeschossfläche beträgt rund 235.000 Quadratmeter.
Besonderes Augenmerk liegt auf der gestalterischen Einbindung in den historischen Kontexts: Backsteinfassaden und markante Durchgangsbögen greifen die industrielle Vergangenheit des Standorts auf. Drei Hochhäuser an den Rändern des Areals setzen vertikale Akzente, zwei davon für Wohnzwecke, eines für Gewerbe. Entgegen ursprünglicher Planungen sollen die Hochhäuser aber nicht höher als 60 Meter werden – in den ersten Entwürfen war noch eine Höhe von bis zu 145 Metern vorgesehen.
„KONNEKT Berlin“: HOWOGE will bezahlbare Wohnungen in Marzahn schaffen
Auch die ökologische Dimension des Großprojekts spielt eine gewichtige Rolle, wie die Projektverantwortlichen im Rahmen der Baukollegium-Sitzung mitteilten: Neue Baumreihen, intensivere Pflege bestehender Grünstrukturen und versickerungsfähige Freiflächen sollen das Mikroklima des neuen Wohnquartiers verbessern.
Die HOWOGE als kommunaler Bauträger gibt dabei den finanziellen Rahmen vor – und die Erwartung an eine zügige Umsetzung ist hoch. Die große Frage bleibt aber: Kann das Projekt Maßstäbe für soziale Durchmischung und ökologische Quartiersentwicklung setzen, ohne zu große architektonische Abstriche zu machen? Die tatsächliche Umsetzung des mittlerweile mehrfach überarbeiteten Quartiersprojekt wird also mit Spannung zu beobachten sein.

Konnekt Berlin: Auf dem einstigen Knorr-Areal soll ein neues Wohnquartier realisiert werden – doch die geplanten Hochhäuser werden niedriger ausfallen. / © Visualisierung: David Chipperfield Architects
Quellen: Eike Becker Architekten, Siemens Energy, David Chipperfield Architects