Die Sanierung eines der beeindruckendsten Bauwerke der Nachkriegsmoderne steht bevor: Die Scharoun-Bibliothek im Berliner Kulturforum wird grundlegend modernisiert und umgestaltet, die geschätzte Bauzeit liegt zwischen 12 und 15 Jahren. Das Büro gmp Architekten wurde mit der Sanierung und der Errichtung eines Interimsgebäudes beauftragt, dessen Bau 2026 beginnen soll.

Ausweichstandort: Diese Dimensionen soll der Interimsbau der Berliner Staatsbibliothek erhalten, der von gmp Architekten an der Tiergartenstraße errichtet werden soll. Der Entwurf ist allerdings als Machbarkeitsstudie zu verstehen, der Fassadenentwurf dient lediglich als „Platzhalter“. Die finale Architektur des Neubaus wird in einem Wettbewerb ermittelt. / © Visualisierung: gmp Architekten

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Text: Björn Leffler

 

Erst gestern berichteten wir über die angestrebte Sanierung und Modernisierung eines ikonischen Gebäudes aus den 1970er Jahren, welches im damaligen West-Berlin errichtet und 1979 fertiggestellt worden ist: das riesige, über 300 Meter lange ICC am Dreieck Funkturm, für das der Berliner Senat internationale Partner sucht, um die kostenintensive Instandsetzung des Komplexes finanzieren zu können.

Doch das ICC ist nicht das einzige architektonische Ausnahme-Gebäude aus jener Zeit. Ein weiteres befindet sich im Kulturforum an der Potsdamer Straße, unweit des Potsdamer Platzes. Das Gebäude, das seit 1978 in Betrieb ist, beeindruckt durch seine Gestaltung als mächtiges „Bücherschiff“ und wurde zwischen 1967 und 1978 nach den Entwürfen des Architekten Hans Scharoun erbaut.

Staatsbibliothek im Tiergarten: 12 bis 15 Jahre Sanierungsdauer erwartet

Wie auch am ICC hat der Zahn der Zeit an diesem Gebäude genagt, und eine Sanierung und Modernisierung ist unumgänglich. Diese Erkenntnis ist nicht neu, sondern seit Jahren bekannt. Von 2006 bis 2015 wurden im Rahmen einer vorgezogenen Maßnahme bereits zahlreiche Klimaanlagen im Gebäude saniert. Parallel dazu erfolgte 2016 die Entfernung und der Austausch asbesthaltiger Stoffe.

Im Jahr 2018 begann dann die Sanierung der Natursteinfassade sowie der Betonbrüstungen und -treppen. In den kommenden Jahren soll die Sanierung im Inneren fortgesetzt werden – der mit Abstand schwierigste und komplexeste Teil des Bauvorhabens, der viel Zeit in Anspruch nehmen wird.  Dafür muss das Gebäude vollständig geräumt werden, wodurch vorübergehend 600 Leseplätze, zwei Säle für Sonderveranstaltungen mit insgesamt 580 Plätzen sowie etwa 700 Arbeitsplätze verlagert werden müssen. Auch die Gebäudebereiche, die das Ibero-Amerikanische Institut beherbergen, sind von dieser Maßnahme betroffen.

Für die aufwendige Instandsetzung muss das Bibliotheksgebäude komplett freigeräumt werden

Im Rahmen der gestern stattfindenden 105. Sitzung des Berliner Baukollegiums wurde das Projekt vorgestellt. Um die aufwendige Sanierung möglich zu machen, soll ein Interimsbau errichtet werden, der für die Dauer der Bauarbeiten als Ausweichstandort genutzt werden soll. Mit dem Bau dieser „Ersatzbibliothek“ wurde das renommierte Büro gmp Architekten aus Berlin beauftragt, die ihr Konzept dem versammelten Expertengremium vorstellten.

In diesem neuen Gebäude soll eine Bruttogeschossfläche von knapp 16.000 Quadratmetern entstehen, mit mehreren hundert Arbeitsplätzen, Co-Working-Spaces, Veranstaltungsflächen, Seminarbereichen, Gastronomie-Angeboten und Platz für über 50.000 Bücher, Bände und weitere Medien – eine große Aufgabe. Verschiedene Standorte für den Bau dieses Interimsgebäudes hat das Team von gmp untersucht, an ganz unterschiedlichen Stellen der Stadt.

Ein Interimsbau soll an der Tiergartenstraße entstehen und als Ausweichstandort dienen

Letztlich soll das viergeschossige Übergangsgebäude aber an der Tiergartenstraße entstehen, einige hundert Meter nordwestlich des heutigen Gebäudes der Staatsbibliothek und direkt neben dem Kunstgewerbemuseum. Zum Neubau sollen auch zwei Hochpunkte gehören, die über die vier Etagen hinausragen sollen. Zwischen diesen beiden Hochpunkten soll ein Verbindungsbau errichtet werden, der als Lesesaal und Multifunktionsraum genutzt werden kann.

gmp Architekten werden aber nicht nur diesen Neubau verantworten, sondern vor allem die Sanierung der Scharoun-Bibliothek. Bereits 2019 hatte sich das Büro in einem Wettbewerb durchgesetzt.  Im Auftrag der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hatte damals das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung vierzehn internationale Architekturbüros zu einem nichtoffenen Wettbewerb eingeladen.

gmp Architekten setzten sich bereits 2019 mit ihrem Konzept gegen 13 Mitbewerber durch

Den ersten Preis erhielt schließlich gmp. Die Jury hob besonders hervor, dass der Entwurf durch die Erweiterung frei zugänglicher Flächen zusätzlichen Raum schaffe. Damit erfülle er sowohl die ursprüngliche Konzeption Scharouns als auch die Ansprüche an eine moderne, offene Bibliothek. Die Neugestaltung des Gebäudes soll barrierefrei umgesetzt werden. Das Foyer wird neu geordnet und im östlichen Teil durch die Umnutzung eines ehemaligen Großraumbüros zu einem öffentlich zugänglichen Bereich erweitert.

Ein neuer Eingang ist an der Nordostecke des Gebäudekomplexes geplant, gegenüber dem Marlene-Dietrich-Platz. Eine Cafeteria mit 140 Plätzen soll das Konzept ergänzen. Nach Süden gerichtete Leseterrassen mit Blick auf die Wasserfläche sollen einen fließenden Übergang zwischen Innen- und Außenbereich schaffen und sich der heutigen städtebaulichen Situation anpassen.

Städtebaulicher Marathon: Ein neues „Milliardenprojekt“ für Berlin

Zusätzliche Belebung soll das künftige Erdgeschoss durch Möbel und Tresen erhalten, die an die ursprüngliche Raumkonzeption erinnern werden. Das Foyer wird zudem um eine Ausstellung für die Sammlungen erweitert. Neue Veranstaltungsräume, Workshop-Bereiche, ein klassischer Lesesaal, Gruppenarbeitsräume und informelle Arbeitsinseln sollen nach dem Umbau vielfältige Nutzungsmöglichkeiten bieten.

Für die Projektverantwortlichen ist bereits klar, dass es sich bei dem Vorhaben um ein „Milliardenprojekt“ handelt, wie es im Rahmen der Sitzung umschrieben wurde – auch wenn die tatsächlichen Baukosten noch nicht ermittelt wurden. Der denkmalgerechte Umbau wird nach heutigen Schätzungen zwischen 12 und 15 Jahren in Anspruch nehmen. Alle Beteiligten sollten sich also bewusst sein, auf welches Marathon-Vorhaben sie sich dort einlassen.

Neubau an der Tiergartenstraße wird dauerhaft bleiben und von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz genutzt werden

Der geplante Neubau an der Tiergartenstraße soll übrigens kein temporäres Gebäude sein, betonte Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt. Nach der Generalsanierung der Staatsbibliothek und des Ibero-Amerikanischen Instituts soll er anderen Einrichtungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz während ihrer Sanierung zur Verfügung stehen. „Deshalb muss sich das Gebäude sowohl in die Reihe der Botschaftsgebäude an der Tiergartenstraße als auch in die Solitärbauten des Kulturforums harmonisch einfügen“, erklärte Kahlfeldt.

Die Anforderungen an Architektur und Städtebau sind entsprechend hoch. Der Entwurf von gmp ist als Machbarkeitsstudie zu verstehen, der Fassadenentwurf dient lediglich als „Platzhalter“. „Die Visualisierung zeigt nicht die endgültige Architektur“, stellte die Senatsbaudirektorin klar. Diese werde erst in einem Realisierungswettbewerb ermittelt. Der Neubau soll nach aktuellem Stand ab 2026 realisiert werden.

Neubau entsteht ab 2026 – Sanierung der „Stabi“ begann bereits 2005, am Standort Unter den Linden

Die Sanierung des Bibliotheksstandorts an der Tiergartenstraße ist allerdings nicht das einzige langfristig angelegte Projekt der Staatsbibliothek. Der zweite Ort der Bildungsinstitution befindet sich am Boulevard Unter den Linden. Nach rund 15-jähriger Bauzeit war die Sanierung der 1914 durch Kaiser Wilhelm II. eröffneten Staatsbibliothek Berlin (damals noch als „Königliche Bibliothek“) im Jahr 2020 offiziell abgeschlossen worden.

Das Gebäude, für dessen Errichtung (11 Jahre) weniger Zeit aufgewandt werden musste als für seine Sanierung, war im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und später durch die DDR-Regierung wiederauf- und umgebaut worden. Der Aufwand für die seit 2005 laufende Sanierung war, wie sich während der Bauarbeiten zeigte, größer als erwartet. So wurden Zeit- und Kostenrahmen gesprengt, letztlich fielen Baukosten in Höhe von 470 Mio. Euro an.

 

Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier: 

So soll das ikonische Gebäude von Hans Scharoun nach dem Umbau aussehen, gestaltet nach Plänen des Büros gmp Architekten. Zwischen 12 und 15 Jahre soll der komplexe Umbau dauern. / © Visualisierung: gmp Architekten

© Foto: depositphotos.com

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Quellen: Stiftung Preußischer Kulturbesitz, gmp Architekten, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Berliner Morgenpost, Berliner Baukollegium, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen

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One Comment

  1. Pierre Lagrange 2. Dezember 2024 at 18:57 - Reply

    Wird auch eine Tiefgarage gebaut?

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