Seit 2012 steht die Skulptur „Memoria Urbana“ auf dem Bethlehemkirchplatz in Berlin-Mitte. Nun fordert das Bezirksamt ihren Abbau – trotz internationaler Bedeutung, prominenter Fürsprecher und eines laufenden Gerichtsverfahrens. Der Konflikt wirft Fragen nach dem Umgang mit Kunst und Geschichte im öffentlichen Raum auf.

Die Lichtinstallation „Memoria Urbana“ erinnert an die historische Bethlehemskirche, die einst als Ort der Diakonie und Mission in Berlin diente. Sie gehört zum Werkzyklus „Memorias Urbanas“ des spanischen Künstlers Juan Garaizabal. Zugleich steht die Skulptur als Symbol für die weltweite Verbreitung christlicher Werte und die internationale Verflechtung der ehemaligen Gemeinde. / © Foto: Wikimedia Commons, Gunnar Klack, CC BY-SA 4.0

© Foto: Wikimedia Commons, Gunnar Klack, CC BY-SA 4.0
© Foto Titelbild: Wikimedia Commons, Elena Weisz, CC BY-SA 3.0

 

Seit über einem Jahrzehnt steht die Skulptur „Memoria Urbana“ auf dem Bethlehemkirchplatz in Berlin-Mitte. Geschaffen vom spanischen Künstler Juan Garaizabal, erinnert sie an die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Bethlehemskirche, die einst Glaubensflüchtlingen aus Böhmen als geistliches Zuhause diente. Dünne Metallstreben zeichnen die architektonischen Linien der Kirche nach, ohne sie zu rekonstruieren – ein bewusst offener Umgang mit historischer Erinnerung.

Im Dezember 2024 forderte das Bezirksamt Mitte nun den Abbau der Skulptur. Begründet wurde dies mit der ursprünglichen Genehmigung als temporäres Kunstwerk. Kunst im öffentlichen Raum solle laut Bezirksamt in der Regel nach zwei Jahren durch neue Arbeiten ersetzt werden. „Memoria Urbana“ steht allerdings bereits seit 2012 an ihrem Ort, zunächst geduldet, später mehrfach verlängert, zuletzt bis 2025.

„Memoria Urbana“ vor Gericht: Debatte um Kunstfreiheit und Denkmalschutz in Berlin

Die Forderung nach Entfernung der Skulptur sorgt für diplomatische Spannungen. Der tschechische Botschafter Jiří Čistecký zeigte sich laut Tagesspiegel „bestürzt“ und verwies auf die Bedeutung der Skulptur für die deutsch-tschechische Freundschaft. Gerade mit Blick auf das 30-jährige Jubiläum der Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Prag sei der Zeitpunkt des Abrissantrags unverständlich. Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) habe sich für den Erhalt des Werks ausgesprochen.

Der Verein Lux Bethlehem, dem die Skulptur gemeinsam mit dem Bund gehört, reichte ein Eilverfahren beim Verwaltungsgericht ein. Dessen Vertreter betonen, dass ein Abbau einem Eingriff in die Kunstfreiheit gleichkäme. Die Skulptur sei ortsspezifisch konzipiert und könne nicht einfach an anderer Stelle wieder aufgebaut werden.

Geschichte der Bethlehemskirche: Symbol für Flucht, Glaubensfreiheit und europäische Verbindung

Die Skulptur „Memoria Urbana“ erinnert nicht nur an ein zerstörtes Kirchengebäude, sondern verweist auf die Geschichte religiöser Toleranz und Integration in Berlin. Die ursprüngliche Bethlehemskirche entstand im 18. Jahrhundert als Zufluchtsort für protestantische Geflüchtete aus Böhmen und wurde zum Symbol preußischer Gastfreundschaft. Bis heute besuchen internationale Delegationen den Bethlehemkirchplatz – etwa aus Südkorea und Indien, wo die Missionsarbeit der Gemeinde bis ins 20. Jahrhundert Spuren hinterließ.

Für den Verein Lux Bethlehem und zahlreiche Unterstützerinnen und Unterstützer bleibt das Kunstwerk ein bedeutendes Mahnmal mit europäischer Strahlkraft. Im Fundament der Installation sind die Worte des tschechischen Präsidenten Václav Havel eingraviert: „Never hope against hope.“ Sie unterstreichen den politischen und symbolischen Anspruch der Skulptur als Zeichen von Versöhnung, Hoffnung und kultureller Verbindung.

Uneinheitliche Genehmigungspraxis: Parallelen zum Streit um die Friedensstatue in Moabit

Der Fall erinnert an den Streit um die sogenannte Friedensstatue in Moabit, bei der ebenfalls ein Abriss gefordert wurde – mit diplomatischen Konsequenzen. In beiden Fällen kritisierten Gerichte die uneinheitliche Verwaltungspraxis des Bezirks. Zwar verweist das Bezirksamt Mitte auf Gleichbehandlungsgrundsätze, doch die bisherige Handhabung der Zwei-Jahres-Regelung erscheint uneinheitlich. Auch im Fall der Friedensstatue entschied das Verwaltungsgericht zuletzt zugunsten der Kunstfreiheit.

Ob „Memoria Urbana“ dauerhaft erhalten bleibt, ist derzeit offen. Der Verein setzt auf das laufende Verfahren und politischen Druck. Der tschechische Botschafter erklärte, es wäre ein falsches Signal, dieses Denkmal in einer weltoffenen Stadt wie Berlin zu entfernen.

Quellen: Tagesspiegel, LUX Bethlehem e.V.