Während der Berliner Senat den Umbau des Jahnsportparks vorantreibt, formiert sich seit Jahren Protest gegen den geplanten Abriss des Cantianstadions. Anwohner und Bürgerinitiativen fordern den Erhalt zumindest eines Teils des Stadions und kritisieren die überdimensionierten Neubaupläne – doch im Oktober sollen die Abrissbagger anrollen.
© Foto Titelbild: IMAGO / Seeliger
Text: Björn Leffler
Die Pläne sind ausgearbeitet, im Oktober sollen die Abrissbagger anrollen: Der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark im Pankower Stadtteil Prenzlauer Berg soll zum ersten Inklusionssportpark Berlins umgestaltet werden. Der Sportpark liegt direkt neben dem populären Mauerpark.
Im Zentrum des aufwendigen Umbaus liegt seit Jahren die zukünftige Nutzung und Umgestaltung des Cantianstadions. Mit seiner zentralen Lage und Größe ist es der perfekte Austragungsort für regionale und nationale Sportwettkämpfe sowie kulturelle und außersportliche Veranstaltungen.
Jahnsportpark: Das in den 1950er Jahren errichtete Cantianstadion soll ab Oktober 2024 abgerissen werden
Der Berliner Senat will daher das in den 1950er Jahren errichtete Leichtathletikstadion abreißen lassen und einen Neubau errichten, ab dem dritten Quartal 2024 soll es losgehen, einige Monate später als noch Anfang des Jahres kommuniziert. Doch im Oktober soll das Stadion nun endlich Geschichte sein – wenn es nach den Vorstellungen des Berliner Senats geht.
Viele Anwohner sehen das jedoch ganz anders und kritisierend diese Pläne, und das bereits seit Jahren. Um kaum ein Sportprojekt ist in Berlin in den vergangenen Jahren derart verbissen diskutiert und gekämpft worden. Zuvorderst steht hier die Bürgerinitiative Jahnsportpark, die am Wochenende noch einmal medienwirksam gegen den geplanten Stadion-Abriss demonstrierte.
Bürgerinitiative Jahnsportpark hält Komplett-Abriss des Stadions für überflüssig
Die Initiative hält den Komplettneubau eines Stadions mit 20.000 Plätzen für überflüssig. Stattdessen könne das bestehende Gebäude durch die Erneuerung der Tribünen zeitgemäßer und barrierefreier gestaltet werden. Zudem würde der Erhalt des Kernstücks natürliche Ressourcen schonen. Der aktuelle Bau sei zudem gut in den Schuttwall integriert und somit platzsparender.
Gleichzeitig erkenne die Bürgerinitiative die Schwächen des Gebäudes an, wie kürzlich die Berliner Morgenpost berichtete. Das Fehlen eines Erdgeschosses erschwere den Zugang, der nur über die so genannte „Mielke-Rampe“ möglich sei. Eine umfassende Umgestaltung sei jedoch aufgrund der stabilen Stahlträger machbar, erklärt Philipp Dittrich, Architekt und Mitstreiter der Bürgerinitiative.
Bürgerinitiative kritisiert den geplanten Bau einer Multifunktionshalle als “überdimensioniert”
Die Initiative hält auch die geplante Multifunktionshalle und das sechsstöckige Bürogebäude für überdimensioniert. Mit einer Höhe von bis zu 14 Metern und acht Meter hohen Fangzäunen würde es deutlich aus der Umgebung herausragen. Ein weiterer Kritikpunkt der Bürgerinitiative betrifft den Umbau der Sportwiese.
Ein Großteil dieser Wiese soll einem Kunstrasenplatz weichen, um ganzjährig und unabhängig vom Wetter nutzbar zu sein. Unterstützer zeigten im Rahmen der Demonstration am Wochenende mit einem Flatterband, dass von den rund 12.000 Quadratmetern der heutigen Wiese nur etwa 4.000 übrig bleiben würden, wenn die Pläne so umgesetzt würden.
Der Neubau des Cantianstadions soll mit 188 Millionen Euro deutlich teurer werden
Die Gegner des geplanten Stadion-Neubaus wollen Finanzsenator Stefan Evers eine Petition überreichen, in der sie ihre Forderungen noch einmal deutlich machen. In der Senatsverwaltung ist bislang allerdings nicht signalisiert worden, dass die über viele Jahren mühsam erarbeiteten Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen ein weiteres Mal in die öffentliche Diskussion gegeben werden.
Neben dem geplanten Abriss des bestehenden Stadions wurde erneut die erwartete Summe von 188 Millionen Euro kritisiert, die mittlerweile aufgerufen wird, um den Stadion-Neubau zu realisieren – deutlich mehr als ursprünglich prognostiziert worden war. Zuletzt war eine Summe von 110 Millionen Euro genannt worden, die aber nun weit überschritten werden soll.
Aus dem Jahnsportpark in Prenzlauer Berg soll ein barrierefreier Inklusions-Sportpark werden
Nach dem Neubau des Stadions ist der Umbau des restlichen Sportparks geplant. Auch hier sind umfangreiche Neuerungen vorgesehen, die den Charakter des Areals signifikant verändern werden. Das Ziel ist, das Gelände für Vereine und Freizeitsportler, ob mit oder ohne Handicap, besser nutzbar zu machen. So sollen barrierefreie Gehwege auf dem Gelände entstehen. Hierfür wird das Landschaftsarchitekturbüro LOR verantwortlich sein.
Das Cantianstadion, welches im Zentrum der Demonstration vom vergangenen Wochenende stand, gilt als architektonisches Zeugnis der Bauepoche der sogenannten “Ostmoderne”. Diese Bauten der Nachkriegsmoderne prägen viele deutsche Städte noch heute, sowohl in einstmals westdeutschen Städten sowie auf dem Gelände der ehemaligen DDR.
Das Cantianstadion gilt als architektonisches Zeugnis der “Ostmoderne”
Umbau, zeitgenössische Modernisierung oder vollständiger Abriss sind häufig die Schicksale, die vielen der Gebäude widerfahren. Vor allem jene Gebäude, die seit Jahren oder Jahrzehnten auf eine Modernisierung warten, werden von Akteuren im Umfeld oft nur noch als „Schandfleck“ oder „Altlast“ betrachtet.
Nachdem die Gebäude viele Jahre verschmäht wurden, hat mittlerweile ein schrittweises Umdenken in der Architektur- und Baubranche eingesetzt. Verkannte Qualitäten der einstigen Gebäude werden aufgezeigt und Perspektiven für den Umgang mit dem gebauten Erbe diskutiert. Dass diese neue Perspektive auf die “Ostmoderne” jedoch den Bau des Cantianstadions zumindest teilweise vor dem Abrissbagger retten kann, ist wohl eher unwahrscheinlich.
Doch die komplexe Historie der geplanten und immer wieder neu konzipierten und neu diskutierten Modernisierung des Sportparks in Prenzlauer Berg hat gezeigt, dass dort offenbar nichts unmöglich scheint.
Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier:
Quellen: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, O+M Architekten GmbH, Berliner Morgenpost, LOR Landschaftsarchitekten, Bürgerinitiative Jahnsportpark
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