Wo heute das Rote Rathaus als Sitz des regierenden Bürgermeisters Berlins thront, stand einst das mittelalterliche Alte Rathaus Berlin – ein bedeutendes Verwaltungszentrum der jungen Stadt. Von den Anfängen des Alten Rathauses über den repräsentativen Neubau des Roten Rathauses bis hin zu archäologischen Entdeckungen reicht die Geschichte dieses besonderen Ortes im Herzen Berlins. Jetzt lesen mit ENTWICKLUNGSSTADT PLUS.

Um 1270 entstand an der Kreuzung von Rathausstraße und Spandauer Straße das erste steinerne Berliner Rathaus. Der zweigeschossige Bau diente der Stadtverwaltung und war zugleich Handelszentrum: Unten befand sich eine Tuchhalle, oben tagte der Rat und trafen sich Zünfte. Heute steht an gleicher Stelle das Rote Rathaus. / © Foto: Wikimedia Commons, Cezary Piwowarski
© Foto Titelbild: Wikimedia Commons, Gemälde von Carl Graeb, 1867
Zwischen Alexanderplatz und Spree erhebt sich mit dem Roten Rathaus eines der bekanntesten Gebäude Berlins. Als Sitz des regierenden Bürgermeisters ist es seit seiner Errichtung im 19. Jahrhundert ein bedeutendes Wahrzeichen der Stadt. Weit weniger bekannt ist jedoch, dass sich an nahezu derselben Stelle zuvor bereits ein anderes Rathaus befand, dessen Ursprünge bis ins Mittelalter zurückreichen.
Das sogenannte Alte Rathaus galt über Jahrhunderte hinweg als das Verwaltungszentrum Berlins. Erst mit dem rasanten Wachstum der Stadt im 19. Jahrhundert wurde das Gebäude den Anforderungen einer modernen Großstadt schließlich nicht mehr gerecht und machte dem Roten Rathaus Platz.
Das Alte Rathaus Berlin: Ursprung und Entwicklung seit dem Mittelalter
Um das Jahr 1270 entstand an der Kreuzung der heutigen Rathausstraße und Spandauer Straße das erste steinerne Rathaus Berlins. Der zweigeschossige Bau diente nicht nur der Stadtverwaltung, sondern war zugleich Handelszentrum: Im Erdgeschoss befand sich eine Tuchhalle, während im Obergeschoss der Rat tagte und sich die Zünfte der Tuchmacher und Kaufleute versammelten.
Noch bevor das steinerne Rathaus an dieser Stelle entstand, vermuten Forschende, dass das erste Verwaltungsgebäude der jungen Doppelstadt Berlin-Cölln am Molkenmarkt gestanden haben könnte – einem der ältesten Plätze der Stadt. Zwar konnten archäologische Beweise dafür bislang nicht erbracht werden, doch diese Überlegungen unterstreichen die historische Bedeutung des gesamten Areals und spannen einen Bogen von den Anfängen Berlins bis zum heutigen Rathausstandort.
Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Gebäude mehrfach erweitert und umgebaut. Besonders nach schweren Stadtbränden in den Jahren 1380, 1484 und 1581 erfolgten immer wieder umfangreiche Wiederaufbauarbeiten. Zwischen 1692 und 1695 erhielt das Rathaus schließlich nach Plänen von Johann Arnold Nering eine barocke Fassadengestaltung, ergänzt durch einen Anbau an der Spandauer Straße sowie einen Uhrenturm und die berühmte Gerichtslaube.
Abriss des Alten Rathauses und Bau des Roten Rathauses
Mit dem Wachstum Berlins im 19. Jahrhundert genügte das Alte Rathaus weder in Größe noch in Repräsentation den Anforderungen der modernen Stadt. 1857 schrieb die Stadt daher einen Architekturwettbewerb für den Neubau aus. Zahlreiche namhafte Architekten reichten Entwürfe ein, darunter Friedrich von Schmidt, Eduard Knoblauch und Ernst Klingenberg. Doch obwohl mehrere Entwürfe prämiert wurden, setzte sich letztlich keiner davon durch.
Stattdessen erhielt Hermann Friedrich Waesemann den Auftrag – eine bemerkenswerte Wendung, denn er hatte ursprünglich gar nicht am Wettbewerb teilgenommen. Erst nachträglich reichte er seine Pläne ein und überzeugte damit sowohl die Baudeputation als auch den Magistrat. Im Jahr 1861 begannen schließlich die Bauarbeiten für das neue Rathaus. Der Abriss des alten Gebäudes erfolgte dabei behutsam, sodass das mittelalterliche Kellergeschoss bewusst erhalten und lediglich verfüllt wurde. Auch Teile der Gerichtslaube blieben gesichert und fanden später im Park Babelsberg eine neue Heimat.
Das Rote Rathaus Berlin: Architektur und Symbolik einer wachsenden Metropole
Nach rund acht Jahren Bauzeit wurde das Rote Rathaus im Jahr 1869 vollendet. Mit seiner markanten roten Ziegelfassade und dem 74 Meter hohen Turm entwickelte es sich rasch zu einem Wahrzeichen des bürgerlichen Berlins. Waesemanns Entwurf vereint dabei Stilelemente der norditalienischen Frührenaissance und Anklänge an die Kathedrale von Laon und schafft so einen eigenständigen Bau, der die aufstrebende Metropole auch architektonisch repräsentierte.
Nicht nur das Äußere beeindruckt: Auch das Innere des Gebäudes besticht bis heute durch seine Vielfalt. Der Wappensaal mit den Wappen der Berliner Bezirke, der große Festsaal und der neun Meter hohe Säulensaal zählen zu den herausragenden Räumen. Ein besonderes Highlight ist zudem die umlaufende „Steinerne Chronik“, ein kunstvoll gestalteter Terrakottafries mit 36 Reliefs, der die Geschichte Berlins von den Anfängen im 12. Jahrhundert bis zur Reichsgründung 1871 erzählt.
Zerstörung, Wiederaufbau und heutige Nutzung des Roten Rathauses
Nach seiner Vollendung prägte das Rote Rathaus somit über Jahrzehnte das Berliner Stadtbild und wurde zum Sinnbild einer selbstbewussten, modernen Stadt. Doch im Zweiten Weltkrieg blieb auch dieser bedeutende Bau nicht verschont: Durch Luftangriffe und Artilleriebeschuss wurde das Gebäude schwer beschädigt, große Teile der Fassade und zahlreiche Innenräume wurden zerstört. Besonders der Festsaal und der Ratsherrensaal erlitten erhebliche Verluste, während das Haupttreppenhaus vergleichsweise unversehrt blieb.
Bereits Anfang der 1950er Jahre begannen die Planungen für den Wiederaufbau. Zwischen 1951 und 1955 rekonstruierte der Architekt Fritz Meinhardt das Rathaus äußerlich weitgehend originalgetreu, während die Innenräume den gestalterischen Vorstellungen der Nachkriegszeit angepasst und vereinfacht wurden. Mit der feierlichen Wiedereröffnung diente das Gebäude fortan als Amtssitz des Ost-Berliner Magistrats.
Nach der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1991 kehrte auch die gesamtstädtische Verwaltung in das Rote Rathaus zurück. Seither ist es nicht nur der Sitz des Regierenden Bürgermeisters und des Berliner Senats, sondern auch ein Symbol für das wiedervereinte Berlin. Heute öffnet das Rote Rathaus regelmäßig seine Türen für die Öffentlichkeit und verbindet Verwaltung, Geschichte und Kultur unter einem Dach. Neben den historischen Sälen laden wechselnde Ausstellungen, öffentliche Führungen und kulturelle Veranstaltungen dazu ein, die bewegte Geschichte dieses einzigartigen Ortes hautnah zu erleben. Damit ist das Rote Rathaus weit mehr als ein politischer Verwaltungssitz – es ist ein lebendiger Erinnerungsort der Berliner Stadtgeschichte.
Altes Rathaus Berlin: Archäologische Funde beim Bau der U-Bahnlinie U5
Im Jahr 2010 brachte der Bau der U-Bahn-Linie U5 die Überreste des Alten Rathauses erneut ans Tageslicht. Archäologische Grabungen legten große Teile des mittelalterlichen Kellers sowie Fundamente und zahlreiche Alltagsgegenstände aus der Zeit der Stadtgründung frei. Besonders bemerkenswert war der Fund von Bauresten zweier kleinerer Vorgängerbauten in Fachwerkbauweise, die auf die Zeit um 1265 datiert werden konnten.
Dank angepasster Baupläne der BVG konnten rund 80 Prozent der Baureste bewahrt werden. Aus diesen Entdeckungen entwickelte sich die Idee, das mittelalterliche Erbe an diesem Ort dauerhaft erlebbar zu machen und die freigelegten Strukturen in das Stadtbild einzubinden.
Der Archäologische Keller im U-Bahnhof: Bislang aus Kostengründen nicht umgesetzt
Im Zuge dessen wurde das Konzept eines „Archäologischen Fensters“ entwickelt, durch das die historischen Strukturen im Bahnhof sichtbar gemacht werden sollten. Geplant war zudem, die Überreste durch digitale Rekonstruktionen und Fundstücke zu ergänzen und in einem sogenannten „Archäologischen Keller“ dauerhaft auszustellen. Dieser Erinnerungsort sollte die frühe Baugeschichte Berlins direkt am authentischen Standort anschaulich dokumentieren.
Bislang konnten diese Pläne jedoch nicht umgesetzt werden. Die archäologischen Reste wurden vorerst gesichert und mit Beton überdeckt, da die Bauarbeiten für die U-Bahn nicht länger verzögert werden konnten. Gründe für die ausbleibende Realisierung liegen vor allem in fehlenden finanziellen Mitteln sowie der bislang ungeklärten Betreiberfrage. Ein konkreter Zeitplan für die Umsetzung existiert derzeit nicht.
Quellen: Wikipedia, Landesdenkmalamt Berlin Senatskanzlei Berlin, Stadtmuseum Berlin, Tip Berlin