Mitten im Bergmannkiez in Berlin-Kreuzberg entsteht ein neues Stadtquartier auf historischem Grund: Die „Neue Bockbrauerei“ soll bis Ende 2026 nicht nur Wohnungen, sondern auch moderne Büroflächen und Raum für Kultur bieten. Beim Richtfest wurde deutlich, wie hoch das Projekt stadtpolitisch und architektonisch eingeschätzt wird.

Trotz regnerischen Wetters kamen rund 250 geladene Gäste zum Richtfest der Neuen Bockbrauerei – darunter politische Prominenz und Projektbeteiligte. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
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Fast zehn Jahre Planung, Debatten und Abstimmungen liegen hinter dem Projekt, das nun beim Richtfest der Neuen Bockbrauerei ein sichtbares Etappenziel erreicht hat. Auf dem rund 13.000 Quadratmeter großen Gelände, nur wenige Gehminuten vom Kreuzberg und dem Tempelhofer Feld entfernt, entsteht ein Quartier, das sowohl architektonisch als auch funktional auf Vielfalt setzen will. Trotz regnerischen Wetters kamen rund 250 geladene Gäste – darunter politische Prominenz und Projektbeteiligte – zusammen, um den Baufortschritt zu feiern.
Im Zentrum steht dabei die Verbindung von Wohnen, Arbeiten, öffentlicher Infrastruktur und kulturellem Leben. Geplant sind insgesamt 220 Wohnungen, davon 75 geförderte Mietwohnungen und 130 Eigentumswohnungen. Zusätzlich entstehen auf dem Areal Büroflächen, Gastronomie, Ateliers und Räume für kiezverbundenes Gewerbe. Der historische Brauereikern mit rot-gelber Klinkerfassade bleibt erhalten und wird durch Neubauten ergänzt, die eine moderne Architektursprache sprechen. Entwickelt wurde das Projekt von der Bauwert AG in enger Zusammenarbeit mit Tchoban Voss Architekten und Bonanni Architekten.
Kreuzberger Historie in Stein: Vom Bockbier zum Stadtquartier
Die Geschichte des Ortes reicht bis ins Jahr 1838 zurück, als ein pfälzischer Küfer namens Hopf in Berlin erstmals untergäriges Bockbier nach bayerischem Rezept ausschenkte. Bald entstand hier eine Brauerei mit angeschlossenem Gartenlokal und Tanzsaal, die sich rasch zum gesellschaftlichen Treffpunkt entwickelte. Nach Jahrzehnten des industriellen Wandels, zwischen Likörfabrik, Spedition und leerstehenden Gebäuden, wurde das Areal ab den 2000er-Jahren schrittweise saniert. 2022 folgte schließlich die Baugenehmigung für das neue Quartier.
An diese Vergangenheit will das Projekt bewusst anknüpfen: Die denkmalgeschützte Substanz wird erhalten, teilweise integriert, teils neu interpretiert. Sichtbar wird das etwa an den ehemaligen Braukellern, die als kulturelle oder gewerbliche Räume erhalten bleiben sollen. Auch die massive Bunkerdecke aus Beton – mit zwei Metern Dicke ein Überbleibsel des Zweiten Weltkriegs – stellte das Bauvorhaben vor Herausforderungen. Wie vor Ort betont wurde, musste eigens ein Spezialteam mit Maschinen aus einem italienischen Marmorsteinbruch beauftragt werden, um die Decke in Einzelteile zu zerlegen.
Exklusive Tour durch das Gebäude offenbart Blick aufs Tempelhofer Feld und Showroom im Edel-Finish
Während eines exklusiven Rundgangs beim Richtfest gab es für geladene Gäste Einblicke in den Rohbau einiger Wohnungen. Sichtbar waren bisher nur Grundrisse, doch der weite Blick über das Tempelhofer Feld und die Berliner Skyline beeindruckte bereits. Auf den großzügigen Dachterrassen könnten künftig sogar Bäume gepflanzt werden.
Ein eigens eingerichteter Showroom vermittelte zudem einen ersten Eindruck von der künftigen Ausstattung. Hochwertige Tür- und Badelemente standen zur Auswahl, um potenziellen Käufern Spielraum zur Individualisierung ihrer Wohnungen zu geben.
Zwischen Prestige und Kiezleben: Eine Kreuzberger Mischung?
Auffällig war vor diesem Hintergrund der Anspruch, den das Projekt für sich reklamiert: nicht weniger als ein Ort des Wandels, der Mischung und der Zukunft soll hier entstehen. In den Redebeiträgen wurde wiederholt auf die Attraktivität des Bergmannkiezes für junge Menschen verwiesen – obwohl ein großer Teil der Wohnungen im oberen Preissegment liegt. Doch auch bezahlbare Mieten und Angebote für die Nachbarschaft sollen zumindest Teil des Konzepts sein.
So entstehen mit dem Erwerb eines Wohngebäudes durch die landeseigene Berlinovo Apartments für Landesbeschäftigte. Insgesamt 50 Apartments sowie 25 geförderte Wohnungen werden für Polizistinnen, Feuerwehrleute und andere Bedienstete zur Verfügung stehen, wie Innensenatorin Iris Spranger besonders hervorhob. Das Angebot solle helfen, Fachkräfte in der Hauptstadt zu halten.
Auch die Berliner Landesverwaltung wird Teil des Quartiers. So wird ein rund 10.500 Quadratmeter umfassendes Bürogebäude künftig vom Rechnungshof Berlin sowie der Senatskanzlei genutzt. Beide Institutionen wollen auf flexible Arbeitsmodelle mit Desksharing und offenen Büroformen als Zeichen für eine moderne Verwaltungskultur setzen.
Beton und Baustolz: Neue Bockbrauerei will architektonisch zeitlos sein
Ein kurzer Regenschauer konnte der festlichen Stimmung auf der Baustelle wenig anhaben – wie es hieß: Regen bringt Segen. Besonders stolz war man vor Ort auf die denkmalgerechte Verbindung von Alt und Neu sowie den Umgang mit den zwei Meter dicken Betonplatten aus dem Zweiten Weltkrieg. Diese hatten das Projekt zeitweise verzögert und wegen des Baulärms für Unmut in der Nachbarschaft gesorgt.
Doch der Aufwand lohnte sich aus Sicht der Bauherren: Die neue Bebauung solle dem Areal auch langfristig gerecht werden. Architekt Sergei Tchoban betonte, dass hier ein Bauwerk entstehe, das man auch in 50 oder 100 Jahren noch gut finden werde. Berlin sei für ihn das „schönste Geschichtsbuch“, das er je gelesen habe, so Tchoban weiter, und die Neue Bockbrauerei ein neues Kapitel darin.

Gegen Mittag wurde der Richtkranz gehisst, musikalisch begleitet von einer Live-Interpretation von „Amazing Grace“, die der Zeremonie einen feierlichen Rahmen verlieh. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Von den oberen Geschossen aus lässt sich das Tempelhofer Feld überblicken. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Auf den großzügigen Dachterrassen soll es auch Gemeinschaftsbereiche geben. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Die zwei Meter dicke Bunkerdecke aus dem Zweiten Weltkrieg erwies sich als Herausforderung: Ein Spezialteam mit Geräten aus einem italienischen Marmorsteinbruch musste sie zerlegen. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
Quellen: Bauwert AG