Als die Mauer fiel, standen auch die Signale der Berliner S-Bahn wieder auf Grün. Der jahrzehntelange Riss durch die Stadt wurde auch auf Schienen geheilt. Doch der Weg zur vereinten Berliner S-Bahn war ein Kraftakt zwischen Politik, Technik und Symbolik.
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Der aufwendige Wiederaufbau der S-Bahn nach 1990 war mehr als Verkehrspolitik – er war ein Akt der städtischen Versöhnung. Gleis für Gleis kehrte Berlin zur Normalität zurück. / © Foto: IMAGO / Jürgen Heinrich

© Foto Titelbild: IMAGO / Seeliger

 

Als am 9. November 1989 die Berliner Mauer fiel, war schnell klar: Auch das einst zerschnittene Netz der Berliner S-Bahn musste wieder zusammengeführt werden. Die politische Wende war nicht nur ein Einschnitt in der Geschichte der Stadt, sondern auch der Auftakt für eine logistische Meisterleistung im öffentlichen Nahverkehr.

Bereits in den Tagen nach dem Mauerfall reagierten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit einem durchgehenden Nachtverkehr auf den Linien S2 und S3, die nun wieder grenzüberschreitend verkehrten. Besonders der Bahnhof Friedrichstraße wurde im Jahr 1990 zu einem Symbol des Neubeginns – hier wurde die Verbindung zwischen Ost- und West-S-Bahn erstmals wiederhergestellt.

Durchgehender Betrieb auf der Berliner Stadtbahn: Rückkehr zur alten Struktur

Mit dem 2. Juli 1990 fielen die innerstädtischen Grenzkontrollen, und die Stadtbahn war damit wieder durchgängig befahrbar. Die Betriebsrechte gingen nach der Wiedervereinigung an die Deutsche Reichsbahn über. Ein Übergang, der mit der Fusion von Reichsbahn und Bundesbahn 1994 in der heutigen Deutschen Bahn AG mündete.

Zum 1. Januar 1995 wurde die S-Bahn Berlin in eine eigene GmbH ausgegliedert, blieb jedoch ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn. Parallel dazu wurden Pläne gefasst, das einstige S-Bahn-Netz von 1961 weitgehend wiederherzustellen – allerdings nicht vollständig: Einige Abschnitte wie der zwischen Spandau und Jungfernheide wurden nicht reaktiviert, um Parallelverkehr zur U-Bahn zu vermeiden.

Rückkehr in die Region: Wiederanbindung an das Berliner Umland bis 1992

Nach dem Lückenschluss im innerstädtischen Netz folgte der nächste Schritt: die Wiederanbindung des West-Berliner Teilnetzes an das brandenburgische Umland. Bis 1992 war dies an drei Knotenpunkten erfolgreich umgesetzt worden.

Ein Meilenstein war die Wiederinbetriebnahme des Südrings zwischen den Bahnhöfen Westend und Baumschulenweg am 17. Dezember 1993 – der erste größere innerstädtische Streckenabschnitt, der wieder vollständig in Betrieb genommen wurde.

Ab 1994: Stadtbahn-Sanierung und Großbaustelle Lehrter Stadtbahnhof

1994 begannen umfangreiche Sanierungen an der Stadtbahn. Der Fernverkehr wurde zwischen Ostbahnhof und Bahnhof Zoologischer Garten unterbrochen, die Gleise an die S-Bahn-Trasse angeschwenkt. In dieser Übergangszeit fuhr die S-Bahn unter anderem durch Haltepunkte wie Tiergarten und Bellevue, wo keine Fernbahnsteige existierten.

Der Stadtbahnviadukt wurde aufwendig erneuert – inklusive Stahlbetonwanne und fester Fahrbahn. Einzige Ausnahme: der Bereich um den Lehrter Stadtbahnhof, wo bereits der Bau des neuen Hauptbahnhofs geplant war.

Technischer Aufbruch im wieder vereinten Berlin: Neue Fahrzeuge für ein neues Berlin

Mit dem technischen und betrieblichen Zusammenschluss wuchs auch der Bedarf an einem einheitlichen Fahrzeugkonzept. Bereits 1993 entwickelte Adtranz einen Prototyp der neuen Baureihe 481, die ab 1995 in Serie ging. Die modernen Viertelzüge mit durchgängigem Wagenübergang ersetzten schrittweise die betagten Altbauzüge aus der Vorkriegszeit.

2004 wurde der 500. Viertelzug ausgeliefert – das Durchschnittsalter der S-Bahn-Flotte sank damit auf rund sechs Jahre. Die neuen Fahrzeuge symbolisierten den technischen Aufbruch der wiedervereinigten Hauptstadt.

1999: 75-jähriges S-Bahn-Jubiläum und eine gescheiterte Fusion mit der BVG

1999 feierte die Berliner S-Bahn ihr 75-jähriges Gleichstrom-Jubiläum mit einer Parade im Bahnhof Olympiastadion. Neben historischen Fahrzeugen wurde erstmals auch die „Panorama-S-Bahn“ vorgestellt – ein für touristische Zwecke umgebauter Zug.

Pläne des Berliner Senats, die S-Bahn mit der BVG zu fusionieren, sorgten 2001 für hitzige Debatten. Das ambitionierte Ziel: 800 Millionen Mark jährlich einzusparen. Letztlich blieb es beim Konzept – umgesetzt wurde es nie.

Berlin, S-Bahn, 1990, Bornholmer Straße, Berliner Mauer

Als die Mauer fiel, standen auch die Signale der Berliner S-Bahn wieder auf Grün. Der jahrzehntelange Riss durch die Stadt wurde auch auf Schienen geheilt. Hier ist der einstige Grenzübergang an der Bornholmer Straße im Sommer 1990 abgebildet. / © Foto: IMAGO / Rolf Zöllner

 

Wie die Berliner Stadtbahn im Juli 1990 aussah, zeigt dieses bemerkenswerte Video-Dokument, gefilmt im Führerstand einer damaligen S-Bahn:

Quellen: S-Bahn Berlin, Deutsche Bahn AG, Wikipedia, Deutsches Architektur Forum, Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)

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One Comment

  1. Andak Of 4. Juli 2025 at 08:27 - Reply

    Das Video ist Klasse! Genau meine Strecke….Man hat schon wieder vergessen, wie trist das alles mal war und wieviel seitdem geschafft wurde. Sollte man sich öfter mal anschauen, um wieder runterzukommen….Man beachte aber auch die Bahnhöfe: Kein Müll, keine Graffities.

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