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Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 6: Eine Magnetbahn für Berlin

In Berlin gab es nicht nur einen Anlauf, um die innovative Magnetbahn-Technologie in der Metropolregion anzusiedeln. Das erste Pilotprojekt wurde Anfang der 1980er Jahre umgesetzt, der letzte Versucht scheiterte im Februar 2000.

Ein Bild des später verunglückten Transrapid auf einer Teststrecke im Emsland. Auch in Berlin war die Einführung des Transrapids mehrfach geplant gewesen, wurde letztlich aber nicht umgesetzt. / © Foto: Wikimedia Commons

Text: Björn Leffler

 

In unserem Beitrag vom 19. Februar 2021 zeigten wir die Visualisierung des Büros “Graft”, die im Auftrag der Max Bögl Gruppe eine Magnetschwebebahn in urbanem Kontext darstellen sollte und sich das derzeit durch Baustellen geprägte Umfeld des Berliner Hauptbahnhofs dafür ausgesucht hat.

Die Visualisierung ist dabei nicht als konkretes Projektvorhaben gedacht, sondern gewissermaßen als Inspiration für den Einsatz der marktreifen, fertig entwickelten Magnetschwebebahn mit dem Namen “Transport System Bögl (TSB)”.

Derzeit ist der Bau einer Magnetbahn in Berlin nicht geplant

Obwohl das Büro “Graft” neben der Visualisierung auch einen fiktiven Streckenverlauf innerhalb des Berliner Stadtzentrums konzipiert hat, existiert kein entsprechendes Bauvorhaben dieser Art in Berlin. Dass die Idee einer Magnetbahn innerhalb Berlins aber nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, zeigt die jüngere Geschichte der Stadt: Gleich drei mögliche Magnetbahn-Projekte scheiterten in den vergangenen 37 Jahren.

Der erste Versuch geht zurück reicht zurück in das Jahr 1984, das Gebutsjahr der sogenannten “M-Bahn”. Dieses Transportmittel war ein spurgebundenes Verkehrssystem auf eigenem Fahrweg, das ab 1984 im Versuchsbetrieb und von 1989 bis 1991 sogar im Passagierbetrieb der BVG eingesetzt wurde.

Der erste Versuch: Die “M-Bahn” (1984)

Als Antrieb benutzte die “M-Bahn” einen Linearmotor in Langstator-Bauweise. Der Fahrweg stellte einerseits die Spur zum Fahren, andererseits auch gleichzeitig einen Teil des Antriebs dar. Die kastenförmigen Doppelkabinen verfügten weder über Motoren noch Bremssysteme: Starke Dauermagnete unter der Kabine trugen fast das gesamte Fahrzeuggewicht. Geführt wurde die “M-Bahn” sowohl horizontal als auch vertikal von kleinen Rädern.

Die Bauarbeiten für die Berliner “M-Bahn” begannen im Dezember 1983, der Probebetrieb, noch ohne Fahrgäste, Ende Juni 1984. Auch zwei Bahnhöfe wurden errichtet: Die Stationen “Kemperplatz” und “Bernburger Straße” zwischen Anhalter Bahnhof und dem südlichen Rand des Tiergartens.

Es entstanden zwei Bahnhöfe: “Kemperplatz” und “Bernburger Straße”

Nach Verzögerungen durch Anschläge und Unfälle begann der Regelbetrieb auf der Linie im August 1989. Die Bahn verkehrte im Zehn-Minuten-Takt zwischen den zwei Endpunkten der 1,6 Kilometer langen Trasse mit einer Höchstgeschwindigkeit von 55 Kilometern pro Stunde. Die Fahrt war kostenlos.

Bereits am 31. Juli 1991 wurde der Testbetrieb eingestellt, um die Trasse für den durch den Mauerfall am 9. November 1989 ermöglichten Wiederaufbau der U-Bahn-Linie U2 frei zu machen. Am 17. September 1991 begann die Streckendemontage, die bis Ende Februar 1992 abgeschlossen war.

“M-Bahn” sollte Zubringer zum Flughafen Schönefeld werden

Ursprünglich war an einen Wiederaufbau als Zubringer zum Flughafen Berlin-Schönefeld gedacht worden. Diese Absicht wurde später jedoch fallen gelassen und die eingelagerten Streckenteile wurden verschrottet.

Die Idee, die Magnetbahn-Technologie für die Verbindung eines zukünftigen Flughafens zu verwenden, blieb aber bestehen. Als bereits kurz nach dem Mauerfall die Planungen für einen neuen, großformatigen Flughafen an der südlichen Stadtgrenze Berlins formuliert wurden, war die Magnetschwebebahn Teil einer möglichen Umsetzung.

Der zweite Versuch: “BER”-Zubringer (1992)

Die möglichen Flughafenstandorte wurden zwischen 1992 und 1994 in einem sogenannten Raumordnungsverfahren evaluiert. Die Autoren einer nach dem Verfahren veröffentlichten Studie sprachen sich für die Standorte Jüterbog-Ost oder Sperenberg aus. Sie betonten an diesen beiden Standorten eine geringe Belastung für Menschen. Beide Standorten wiesen natürlich eine erhebliche Entfernung zum Berliner Stadtzentrum auf (Jüterbog: 75 Kilometer, Sperenberg: 61 Kilometer).

Zur Überwindung dieser langen Streckenabschnitte kam schnell der Vorschlag, den Flughafen mit einer Magnetbahn an das Berliner Stadtgebiet anzuschließen. Ein Argument der Befürworter eines solchen Modells war, dass die Magnetbahn aufgrund der dünnen Besiedlung südlich von Berlin außerordentlich leicht zu realisieren sei.

Die Magnetbahn vom Flughafen nach Berlin wurde nicht realisiert

Wie wir heute wissen, kam es anders. Der neue Hauptstadtflughafen entstand weder in Jüterbog oder Sperenberg, sondern am Standort Schönefeld, auf den sich die Landesväter Diepgen und Stolpe im Mai 1996 nach langen und zähen Verhandlungen über die Finanzierung des Flughafens einigten.

Ausschlaggebend war letztendlich, dass das Land Berlin eine größere finanzielle Beteiligung an einem Standort Jüterbog oder Sperenberg verweigerte. Die Errichtung des Flughafens in Schönefeld sollte von beiden Bundesländern gemeinsam mit dem Bund geschultert werden und sollte nach damaligen Einschätzungen die finanziell preiswerteste Variante sein.

Der dritte Versuch: “Transrapid” (1994)

Mit der Nichtberücksichtigung von Jüterbog und Sperenberg scheiterte auch das zweite Magnetbahn-Vorhaben Berlins. Etwa zur gleichen Zeit, im Jahr 1994, beschloss die Bundesregierung den Bau einer Strecke basierend auf Magnetbahntechnologie zwischen Berlin und Hamburg: Der “Transrapid” sollte erstmals an den Start gehen. Die Strecke galt als Pilotprojekt für weitere, mögliche Strecken in Deutschland und Europa.

In gerade einmal 53 Minuten sollte der geplante “Transrapid” von der Hanse- in die Hauptstadt rasen. Zum Vergleich: Eine Fahrt mit der S1 vom S-Bahnhof Frohnau bis zum S-Bahnhof Nikolassee dauert 62 Minuten, ohne Umstieg. Das Projekt versprach also großes.

Das Versprechen: In 53 Minuten von Berlin nach Hamburg

Das Bundeskabinett beschloss den Bau der 292 Kilometer langen Trasse, auf der die Magnetschnellbahn mit bis zu 430 Kilometern pro Stunde unterwegs sein soll, im März 1994. Es wäre der weltweit erste “Transrapid” für den Einsatz im Alltag gewesen. Bis zu dem Zeitpunkt gab es nur eine Testschleife im Emsland.

Als Betreiber sollte die Deutsche Bahn fungieren, 4,5 Milliarden Euro soll das Projekt kosten. Ein Preis, den der Bundesrechnungshof schon früh als unverhältnismäßig ansieht. Doch 1998 war der Zeit- und Streckenplan für das Projekt fertig: Schon 2005 sollte der Regelbetrieb beginnen.

Problempunkt Kosten: 4,5 Millarden Euro sollte die Strecke kosten

Immer lauter wurden indes die kritischen Stimmen. Eine Berliner Volksinitiative sammelte 1998 mehr als 130.000 Unterschriften gegen das Projekt. Nicht nur die Finanzierung, auch die angenommene Lärmbelästigung und mögliche Umweltprobleme riefen immer mehr Gegner auf den Plan.

Und auch die hohen Kosten sorgten weiterhin für Probleme. So schlug das Bundesverkehrsministerium vor, die Strecke aus Kostengründen zunächst nur einspurig zu bauen. Für diesen Fall wären mehrere zweispurige Kreuzungsabschnitte notwendig gewesen.

Im Februar 2000 kam das Aus für die Strecke

Als zu Beginn des Jahres 2000 schließlich auch Bahnchef Hartmut Mehdorn massive Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Magnetbahnverbindung äußerte, wurde im Februar das Aus für die Strecke Hamburg-Berlin beschlossen.

Aber ganz vom Thema scheint das Thema Magnetbahn in Berlin noch immer nicht zu sein. Im Sommer 2020 schlug die CDU vor, über eine Anbindung des BER an das Stadtzentrum per Transrapid zumindest nachzudenken. Hauptsächlich wohl, weil eine seit Jahren diskutierte Verlängerung der U-Bahn-Linie U7 möglicherweise teurer wäre als ein “City-Transrapid”.

Gibt es eine neue Chance für den Transrapid als Verbindung zum “BER”?

Aber nicht nur das: Eine nachhaltige Verkehrswende funktioniere nur mit einem attraktiven ÖPNV, argumentiert der Landesvorsitzende der CDU, Kai Wegner. Die CDU wolle die Zukunft der Mobilität neu definieren. Vergessen darf man hierbei nicht, dass im September diesen Jahres die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus stattfindet.

Bislang waren jedenfalls alle Bestrebungen, aus Berlin eine Vorreiterstadt für Magnetbahn-Technologie zu machen, vergebens, trotz einiger erfolgversprechender Anläufe. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt.

 

Zukunftsvision: Für die Max Bögl Gruppe visualisierte das Architekturbüro “Graft” eine mögliche Magnetbahn am Berliner Hauptbahnhof / © Graft Gesellschaft von Architekten mbH

 

© Graft Gesellschaft von Architekten mbH

 

Weitere Teile der Reihe könnt Ihr hier sehen:

Serie: Berlins Luftschlösser, Teil 1: Die „Olympiahalle 2000“ in Mitte

Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 2: Der Neubau der Gedächtniskirche

Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 3: Hochhaus am Marx-Engels-Platz

Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 4: Ein Riesenrad am Bahnhof Zoo

Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 5: Die U-Bahn-Linie 10

Eine Übersicht unserer Artikelreihen findet Ihr hier

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