Der 1962 in Osterholz-Scharmbeck geborene Architekt Eike Becker führt seit 1999 zusammen mit dem Architekten Helge Schmidt das Büro Eike Becker_Architekten mit Sitz in Berlin. In seiner aktuellen Kolumne schreibt er über Chancen und Risiken künstlicher Intelligenz in der Immobilienbranche.
© Visualisierungen: Aesthetica studio
Text: Björn Leffler
Der 1962 in Osterholz-Scharmbeck geborene Architekt Eike Becker führt seit 1999 zusammen mit dem Architekten Helge Schmidt das Büro Eike Becker_Architekten mit Sitz in Berlin. Eines der größten Projekte, an denen das Büro derzeit in Berlin beteiligt ist, ist das Bauvorhaben “Die Macherei” in Kreuzberg.
Auch am Adenauerplatz in Berlin-Charlottenburg wird das Büro den zukünftigen Neubau gestalten. Regelmäßig publiziert Eike Becker auch Kolumnen und Meinungen zum aktuellen Stand der Architektur sowie der Immobilienbranche.
Seinen aktuellen Text dürfen wir mit freundlicher Genehmigung veröffentlichen:
Bei einer Darmspiegelung, kurz vor der Ohnmacht, höre ich den Arzt gut gelaunt: „Ah, da meldet sich die KI, ja, da ist noch etwas, das ich übersehen habe! Schwupp, ist es weg!“ Das war vor einem Jahr. Ich habe mir sagen lassen, dass sich 95 % der KI-Forschung damit beschäftigt, Menschen gesünder zu machen und ihr Leben zu verlängern.
Einer meiner Mitarbeiter schrieb kürzlich ein besonders elegant formuliertes Protokoll. Er wurde von einem Textgenerierungsmodell (Natural Language Processing) unterstützt. Zu unserer Belustigung fragte er Chat GPT von OpenAI, ob Eike Becker Populismus als Stilmittel in seinen Kolumnen verwendet. Die Antwort bestand aus eloquent formulierten, freundlichen Worthülsen.
Mittlerweile haben wir beim Entwurf eines Innenraumes mit AI gearbeitet und auf der Grundlage von Raumabmessungen, Budget, Farben, Stilen und Möbeltypen Vorschläge machen lassen.
“Auf allen Feldern erwarte ich Veränderungen in unserer Arbeitsweise. KI kann aus einem Meer von Bekanntem etwas zusammensetzen und rasend schnell effizienter machen.”
Wir haben mit der KI-basierten Technologie namens Computer Vision ziemlich systematische Wohnungsgrundrisse entwickelt und zuckersüße Visualisierungen erstellt. Das entspricht heute nur zum Teil unseren Ansprüchen, entwickelt sich aber in bisher ungekannter Geschwindigkeit weiter. Mithilfe eines Text-to-Image AI Generators von Midjourney, DALL-E 2 oder Stable Diffusion werden in Minuten aus Worten Bilder. Das geht spielerisch. Auf allen Feldern erwarte ich Veränderungen in unserer Arbeitsweise. KI kann aus einem Meer von Bekanntem etwas zusammensetzen und rasend schnell effizienter machen. Machine learning ist eine gute Bezeichnung dafür. Alle Aufgaben, ob eher langweilig oder eher kreativ, werden in Kürze mit der Unterstützung von KI bearbeitet.
Die gesamten 25.000 Gesetze, Normen und Regeln, die das Bauen in Deutschland vorschreiben, sind jedenfalls in kürzester Zeit hochgeladen. Daraus lassen sich wieder viele nützliche Anwendungen ableiten.
Die Ansprüche an Architektur und Städtebau werden immer höher, die Aufgaben immer komplexer und die Immobilienwirtschaft unterläuft diese Erfordernisse immer häufiger. Da können wir KI-Unterstützung gut gebrauchen. Stadtentwicklung, Mobilität, Nachhaltigkeit, Dichte, Soziales Bauen, Modulares Bauen, Cradle-to-Cradle, die Organisation der Zusammenarbeit und der Genehmigungsprozesse könnten durch KI einen großen Schub erfahren und zum Wohle aller vorankommen.
Auch die Entwicklung von Hochhauskernen, Treppenhäusern, die optimierte Verwendung von Baumaterialien, die Reduzierung von Stahl und Beton, die sparsamere Steuerung der technischen Anlagen und die Reduzierung von Technik in Gebäuden wird einfacher. Durch bessere Analyse- und Optimierungsmethoden wird es zu einer deutlichen Reduktion von mechanischer Technik kommen. Ich nenne das Smartphone and Stupidhome. Die Immobilienbranche hat das Smartphone noch nicht für sich entdeckt und denkt immer noch, das wäre so ein Gerät zum Telefonieren.
“Der immense Energieverbrauch bei der Herstellung und beim Betrieb von Gebäuden hat wesentlich zur Klimakatastrophe beigetragen. KI gibt uns da neue Werkzeuge in die Hand, um für eine immer komplizierter werdende Welt bessere Lösungen herbeizuführen.”
Die Branche versucht heute die Gebäude mit Technik aus dem 20. Jahrhundert vollzustopfen und möglichst viel Luft mit fossilem Energieaufwand durch Schächte und Kanäle zu blasen. Das ist veraltet. Der immense Energieverbrauch bei der Herstellung und beim Betrieb von Gebäuden hat wesentlich zur Klimakatastrophe beigetragen. KI gibt uns da neue Werkzeuge in die Hand, um für eine immer komplizierter werdende Welt bessere Lösungen herbeizuführen.
Yuval Noah Harari ist der Auffassung, dass wir von einer blinden, technischen Evolution getrieben werden, die von nichts und niemandem aufzuhalten ist. Die Evolution hat keine Ziele und ist kein Akteur. Verwandeln wir uns also geradezu zwangsläufig in eine phantasielose, KI abhängige Gesellschaft und schaffen uns am Ende selbst ab? Erleben wir also gerade den Anfang vom Ende des Anthropozäns?
Oder gelingt es uns im Umgang mit der neuen Technik auch eine neue Ethik zu entwickeln? Und diese lernenden Maschinen zum Wohle aller zu formen und zu nutzen.
Viktor Weber von Acquirepad hat mich zu dieser Kolumne inspiriert. Er fürchtet, wie die meisten Experten, die Googles, Microsofts, Tencents dieser Welt werden durch KI so rasend schnell klüger, dass sie sich einen uneinholbaren Vorteil verschaffen. Sollte er Recht behalten, hoffe ich, dass die USA und Europa diese Monopole entflechten.
Aber möglicherweise wird es anders kommen. Jürgen Schmidhuber, Direktor beim IDSIA, geht davon aus, dass KI in Kürze sehr billig sein wird. So billig, dass sich alle diese Technik leisten können und dann auf vielfältigen Ebenen für sich nutzbar machen. Das gefällt mir.
Allein die Chance, dass diese neuen Besen uns Zauberlehrlingen helfen könnten, die Welt besser zu machen, gibt mir Hoffnung.
Gerade beteilige ich mich an der Entwicklung einer Software: SOMA soll die Zusammenarbeit von Bauherren, Architekten, Fachplanern und Behörden vereinfachen und verbessern. Das Programm verknüpft Protokolle mit Terminplänen, To-Do Listen, Rechnungen und macht alles für die Beteiligten transparent. Und verschafft ihnen dafür mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben.
Wer hat Lust mitzumachen?
Der Text wurde ursprünglich im Magazin “Immobilienwirtschaft”, Ausgabe 07/2023 veröffentlicht.
Quellen: Eike Becker Architekten
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12. Oktober 2024