Im Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf soll eine bislang namenlose Promenade nach der namibischen Diplomatin und Bürgerrechtlerin Nora Schimming-Chase benannt werden. Die Freie Universität Berlin hatte sich seit Jahren für eine solche Ehrung eingesetzt, nun könnte sie Realität werden. Den aktuellen Vorschlag bringt überraschend die CDU-Fraktion des Bezirks ein.

Die Freie Universität Berlin setzt sich seit Jahren für eine öffentliche Ehrung von Nora Schimming-Chase ein. Die Bürgerrechtlerin und erste Botschafterin Namibias in Deutschland hatte in den 1960er Jahren an der FU studiert. / © Foto: depositphotos.com
© Foto Titelbild: depositphotos.com, mit KI bearbeitet
© Foto: depositphotos.com
Im Berliner Ortsteil Dahlem könnte eine bislang namenlose Promenade bald den Namen einer international geachteten Persönlichkeit tragen. Die CDU-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf schlägt vor, den Weg zwischen Ihnestraße und Clayallee entlang des U-Bahn-Grabens künftig „Nora-Schimming-Promenade“ zu nennen. Schimming-Chase war die erste Botschafterin Namibias in Deutschland und eine wichtige Stimme in der Aufarbeitung kolonialer Gewalt.
Der Antrag, der dem Tagesspiegel-Checkpoint vorliegt, betont die symbolische Bedeutung einer solchen Benennung. Es gehe um „ein starkes Zeichen für Erinnerungskultur, internationale Verbundenheit und das Eintreten für Menschenrechte“, wie der Tagesspiegel berichtet. Die Promenade liegt in unmittelbarer Nähe zur Freien Universität Berlin – jenem Ort, an dem Schimming-Chase in den 1960er Jahren Afrikanistik und Politikwissenschaften studierte.
Von der Iltisstraße zur Promenade: Wie die Freie Universität eine alternative Ehrung für Schimming-Chase anregte
Die Freie Universität setzt sich seit Jahren dafür ein, Nora Schimming-Chase öffentlich zu ehren. Zuvor war die Iltisstraße als möglicher neuer Standort im Gespräch, eine Straße, die derzeit nach einem kaiserlichen Kanonenboot benannt ist, das koloniale Gewalt im Boxeraufstand in China mit zu verantworten hatte. 2023 wurde ein entsprechender Umbenennungsvorschlag jedoch mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD abgelehnt.
Mit dem neuen Vorschlag wird zwar keine koloniale Benennung ersetzt, aber ein bislang namenloser Ort gezielt mit einer antikolonialen Erinnerungsperspektive versehen. Das Bezirksamt bestätigt, dass eine Benennung nach Paragraph 5 des Berliner Straßengesetzes möglich sei. Zudem würde sie den Anteil weiblicher Straßennamen im Bezirk erhöhen.
Wer war Nora Schimming-Chase? Eine Stimme für Gerechtigkeit, Frauenrechte und postkoloniale Erinnerung
Nora Schimming-Chase wurde 1940 in Windhoek geboren. Sie war Tochter des ersten schwarzen Lehrers Namibias und studierte mit einem Stipendium in Kapstadt und Berlin. In West-Berlin war sie auch als Journalistin für die ARD tätig, ehe sie nach Namibia zurückkehrte. Dort engagierte sie sich politisch in der SWANU-Partei, war später als Diplomatin tätig und wurde schließlich Abgeordnete im namibischen Parlament. Sie setzte sich für Frauenrechte, internationale Gerechtigkeit und die Auseinandersetzung mit kolonialer Gewalt ein.
Zwischen 1992 und 1996 war sie Botschafterin Namibias in Deutschland – ein Amt, das ihr große Anerkennung einbrachte. Auch in Genf, Daressalam und im Kirchenrat der Vereinten Nationen nahm sie wichtige Funktionen ein. Bis zu ihrem Tod im Jahr 2018 blieb sie eine prägende Stimme für die afrikanische Diaspora und postkoloniale Aufarbeitung.
Straßennamen im Wandel: Erinnerungspolitik zwischen kolonialem Erbe und neuen Perspektiven
Straßenbenennungen gelten zunehmend als Gradmesser gesellschaftlicher Werte. Während viele kolonial belastete Namen weiterhin den öffentlichen Raum prägen, wächst der Druck, neue Perspektiven sichtbar zu machen. Die Diskussion um die Iltisstraße und nun der Vorschlag zur Benennung der Promenade zeigen, dass sich auch konservative Kräfte in diese Debatte einschalten – mit dem Potenzial, alte Blockaden zu lösen.
Ob die Bezirksverordnetenversammlung den CDU-Vorstoß unterstützt, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch: Mit Nora Schimming-Chase würde eine Persönlichkeit geehrt, deren Lebensweg exemplarisch für die deutsch-afrikanischen Beziehungen und die Auseinandersetzung mit kolonialem Erbe steht.
Quellen: Tagesspiegel, Wikipedia, Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf