Das Eisenbahn-Bundesamt sagt Nein: Weil eine Gesetzesverschärfung Entwidmungen nahezu unmöglich macht, geraten zentrale Berliner Wohnungsbauprojekte, die auf ehemaligen Güterbahnhöfen errichtet werden sollen, ins Wanken. Nun hat das Bundesamt seine Haltung noch einmal bestätigt, Berlins Stadtentwicklungspolitik steht damit womöglich vor einem großen Dilemma.

Ursprünglich zur Stärkung der Schiene gedacht, verhindert die Gesetzesreform nun den Bau von tausenden Wohnungen. Das Eisenbahn-Bundesamt setzt die neuen Regeln strikt um – und stellt Bahninteressen über soziale Infrastruktur. / © Visualisierung: CKSA Christoph Kohl Stadtplaner Architekten

© Visualisierung Titelbild: ADEPT & Karres en Brands mit PGT Umwelt und Verkehr, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen

 

Auf dem Gelände, auf dem sich bis Ende des Zweiten Weltkriegs die raumgreifenden Gleisanlagen des Potsdamer und Anhalter Güterbahnhofs sowie der zugehörigen Personenbahnhöfe befanden, erstreckt sich heute der populäre Park am Gleisdreieck.

Der knapp 32 Hektar umfassende Park erstreckt sich vom Landwehrkanal über die Yorckstraße bis zur Monumentenbrücke. Die Anlage besteht aus drei Parkteilen, die zwischen 2011 und 2014 eröffnet wurden. Flankiert wird der Park von zahlreichen Wohngebäuden, die in den vergangenen Jahren entstanden sind.

Park am Gleisdreieck: Blaupause für zukünftige Entwicklungsprojekte?

Bis Ende der 2020er Jahre soll zudem ein Gewerbequartier in unmittelbarer Nähe zum heutigen Bahnhof Gleisdreieck mit insgesamt sieben bis zu 90 Meter hohen Gebäuden entstehen. Name des Projekts: „Urbane Mitte“.

Mit der erfolgreichen Umwidmung der riesigen, historischen Gleisanlagen im Zentrum Berlins ist der Park am Gleisdreieck – vor allem mit seiner umgebenden, urbanen Bebauung – ungewollt zu einer Blaupause für zukünftige Stadtentwicklungsprojekte in Berlin geworden.

Ehemalige Güterbahnhöfe im Fokus der Berliner Stadtentwicklung

Denn die anhaltende Flächenknappheit, gepaart mit der grassierenden Wohnungsnot in Berlin, zwingt die Stadtplanerinnen und Stadtplaner dazu, unorthodoxe Bauflächen in den Fokus zu nehmen und neue Nutzungskonzepte zu entwickeln.

In den vergangenen Jahren sind daher auch zahlreiche, ehemalige Güterbahnhöfe in den Fokus gerückt, um Bauland für Wohnungen, Gewerbe und Freizeitflächen zu schaffen – auch wenn die Nutzbarmachtung der einstmals industriell genutzten Areale häufig mit hohem baulichen Aufwand verbunden ist.

Projekt „Friedenauer Höhe“: 1.350 neue Wohnungen auf einstigem Güterbahnhofgelände

Derzeit wird als eines der ersten Wohnungsbauquartiere auf einem ehemaligen Güterbahnhofgelände das Projekt „Friedenauer Höhe“ fertiggestellt. Doch wie viele weitere ähnlich konzipierte Projekte in Berlin noch hinzukommen werden, ist derzeit tatsächlich mehr als fraglich. Bereits im Dezember 2024 hatten wir dazu berichtet.

Dabei gibt es noch einige weitere, großformatige Wohnungsbauvorhaben, die auf ehemaligen Bahn- und Güterbahnhofsflächen umgesetzt werden sollen. So sollen Wohnungen auf dem Gelände des einstigen Güterbahnhofs Köpenick entstehen, genauso wie auf dem Areal des ehemaligen Güterbahnhofs Pankow.

Wohnungsbau in Berlin: Gesetzesnovelle gefährdet Quartiersprojekte auf einstigen Güterbahnhöfen

Doch es gibt neben dem Artenschutz noch eine weitere, bedeutende Hürde, die Berlins Güterbahnhofprojekte nehmen müssen. Denn eine Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG), die auf einen Antrag der Grünen im Bundestag zurückgeht, hat die rechtlichen Voraussetzungen für die Umsetzung der Wohnprojekte neu geordnet – und komplizierter gemacht.

Die Änderung des „AEG“ durch die Ampelkoalition vor rund anderthalb Jahren sollte Zweckentfremdungen von Bahngrundstücken verhindern und Kapazitätserweiterungen im Eisenbahnverkehr sichern – und somit Voraussetzungen schaffen, um die angestrebte Verkehrswende zu ermöglichen.

Eisenbahnbundesamt hat alle Übertragungen von Bahnflächen gestoppt – Konsequenzen für Berlins Wohnprojekte?

Laut Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) habe dies jedoch dazu geführt, dass das Eisenbahnbundesamt (EBA) alle Übertragungen von Bahnflächen gestoppt habe, wie Ende 2024 die Berliner Morgenpost berichtete. Das EBA bezweifle, ob Wohnungsbau weiterhin ein „überragendes öffentliches Interesse“ darstellt, das die Entwidmung von Bahnflächen rechtfertigt.

Die Entscheidung über einen Freistellungsantrag, den der Berliner Senat beim Bund gestellt hatte, wurde zunächst zurückgestellt, da die Senatsverwaltung das überwiegende öffentliche Interesse an der Freistellung offenbar nicht darlegen konnte.

Gaebler: Bundestag muss Fehler korrigieren, um weiteren Wohnungsbau zu ermöglichen

Bausenator Gaebler forderte damals, dass der Bundestag den Fehler korrigiert und das Allgemeine Eisenbahngesetz in den vorherigen Zustand zurückführt. Die Gesetzesänderung sei zwar gut gemeint, habe jedoch bundesweit dazu geführt, dass Wohnungsbauprojekte auf Eisenbahnflächen gestoppt werden mussten, da das Eisenbahnbundesamt keine Verhandlungen mehr führe.

Für das Projekt „Pankower Tor“ etwa müssten eisenbahnrechtlich gewidmete Flächen der Deutschen Bahn AG verlegt und entwidmet werden. Auch auf der Hauptfläche, wo die streng geschützte Kreuzkröte umgesiedelt werden soll, wären Entwidmungen notwendig, sollte sich die Nutzung als unvereinbar mit der Widmung erweisen, erklärte Senatssprecher Pallgen.

Entscheidung: Eisenbahn-Bundesamt lehnt Entwidmung ehemaliger Bahnflächen ab

Doch eine Korrektur dieses „Fehlers“, wie Gaebler ihn nennt, steht derzeit nicht in Aussicht, denn das Eisenbahn-Bundesamt hat die Entwidmung der betreffenden Bahnflächen nun ganz offiziell abgelehnt. Der entsprechende Bescheid vom 30. April 2025 ist inzwischen auf der Internetseite der Behörde veröffentlicht worden, wie das Neue Deutschland berichtet.

Grundlage der Entscheidung ist das oben erwähnt, Ende 2023 verschärfte Allgemeine Eisenbahngesetz, das Entwidmungen nur noch in eng begrenzten Einzelfällen zulässt. Die Behörde erklärte, dass sie angesichts der fortschreitenden Erderwärmung und der sicherheitspolitischen Lage in Europa nicht davon ausgehe, dass das Gelände des Güterbahnhofs Köpenick kein schützenswertes Entwicklungspotenzial mehr für den Bahnverkehr biete.

Interessekonflikt: Eisenbahn-Bundesamt sieht Bahninteressen vor Zielen des Wohnungsbaus

Weiter heißt es in der Stellungnahme: „Ein der Bahnzweckbestimmung – gesetzlich – gleichwertiger Rang der Wohnungsbauziele des Landes Berlin ist vorliegend nicht feststellbar.“ Das Eisenbahn-Bundesamt habe demnach „die mit der Entwicklungsverordnung verfolgten Wohnungsbauziele berücksichtigt und in die Abwägung eingestellt und kommt zu der Überzeugung, dass diese ohne die nötige gesetzliche Fixierung kein überwiegendes Interesse begründen.

Für das Eisenbahn-Bundesamt ist es nicht entscheidend, dass die Deutsche Bahn AG selbst keinen Bedarf mehr für die betreffenden Flächen sieht und bereits einen entsprechenden Vertrag mit dem Land Berlin geschlossen hat. Die Behörde betont, dass das Verkehrsbedürfnis des Bundes einen abstrakt-generellen verkehrspolitischen Charakter habe und daher unabhängig von unternehmerischen Entscheidungen oder Äußerungen des DB-Vorstands zu bewerten sei. Zudem verweist sie auf die ihrer Ansicht nach häufig fehlerhaften Markteinschätzungen der Deutschen Bahn.

Güterbahnhof Köpenick: Berlin kann nur einen Teil der geplanten Wohnungen realisieren

Was bedeutet das für das Bauvorhaben auf dem früheren Güterbahnhof Köpenick? Zunächst kann Berlin nur etwa die Hälfte der geplanten 1.800 Wohnungen realisieren – rund 850 Einheiten auf knapp 11,4 Hektar südlich der Bahnstrecke zwischen den S-Bahnhöfen Köpenick und Hirschgarten. Das Land Berlin plant, diese Flächen vom Bundeseisenbahnvermögen zu erwerben.

Im Herbst soll der Bau der ersten 150 Wohnungen nördlich der Gleise starten. Weitere Bauabschnitte mit je rund 400 Wohneinheiten sind für 2028/2029 und 2029/2030 vorgesehen. Wohnungen auf den noch gewidmeten Bahnflächen können laut Bausenator Christian Gaebler (SPD) frühestens ab 2032 entstehen – doch nach aktueller Sachlage müssen diese Pläne vorerst auf Eis gelegt werden, wenn das Eisenbahn-Bundesamt bei seiner Einschätzung bleibt.

Gesetzesänderung gefährdet Entwicklungsprojekte in Pankow, Charlottenburg, Köpenick und Neukölln

Für den angespannten Berliner Wohnungsmarkt, der auf kreative und vor allem großformatige Wohnungsbaukonzepte eigentlich dringend angewiesen ist, sind die Auswirkungen dieser Gesetzesanpassung bislang noch nicht abzuschätzen. Vorerst jedoch wirken sie sich auf die Planungen für die Bebauung der einstigen Güterbahnhöfe negativ aus.

Berlins Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) kritisierte die Entscheidung des Eisenbahn-Bundesamtes schon im Dezember 2024 und erinnerte daran, dass Berlin das sogenannte „Schneller-Bauen-Gesetz“ auf den Weg gebracht habe, um zügig neue Wohnprojekte realisieren zu können.

Verkehrssenatorin Ute Bonde kritisiert, dass keine Abwägung von Interessen erfolge

Gleichzeitig stellte sie fest, dass viele dringend benötigte Vorhaben derzeit vom Eisenbahn-Bundesamt blockiert würden. Die Behörde erkenne ein höheres öffentliches Interesse gegenüber der Eisenbahninfrastruktur nur dann an, wenn dieses gesetzlich verankert sei – das gelte laut Bonde auch für Infrastrukturprojekte wie die Tangentialverbindung Ost (TVO), die von der Entscheidung des Bundesamtes ebenfalls betroffen ist.

Kritisch merkte Bonde an, dass keine echte Abwägung von Interessen stattfinde und stattdessen die Schieneninfrastruktur grundsätzlich Vorrang habe. Die Berliner Landesregierung braucht, wenn sie ihr primäres Ziel, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, erreichen will, wohl Unterstützung durch die schwarzrote Bundesregierung. Doch die scheint das Thema bislang nicht sehr hoch zu priorisieren.

Verkehrspolitik contra Wohnraumbedarf: Ein ungelöstes Dilemma für Berlins Stadtentwicklung

Die Berliner Stadtentwicklung steht somit vor einem Dilemma: Einerseits verlangt der angespannte Wohnungsmarkt nach neuen Flächen und schnellen Lösungen, andererseits blockiert das Eisenbahnrecht die Umnutzung brachliegender Bahngelände.

Der Versuch, Wohnraumbeschaffung und Infrastrukturpolitik gleichzeitig voranzutreiben, stößt an gesetzliche Grenzen. Die Verkehrswende gewinnt politisch an Bedeutung – doch sie konkurriert nun unmittelbar mit dem sozialen Auftrag, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Ohne eine politische Neuausrichtung droht der Stillstand auf beiden Seiten. Doch das wird wohl nicht allein auf Berliner Landesebene zu lösen sein.

 

Wie hier auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Wilmersdorf sollen auch auf anderen, brachliegenden Bahnflächen Berlins neue Wohnungen entstehen – doch eine Gesetzesnovelle verkompliziert diese Planungen nun. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

Quellen: Berliner Morgenpost, Berlin Bauboom, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, ADEPT & Karres en Brands mit PGT Umwelt und Verkehr, CKSA Christoph Kohl Stadtplaner Architekten, Nöfer Architekten, Eisenbahn-Bundesamt, Deutschen Bahn AG, Neues Deutschland

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2 Kommentare

  1. Heiner 20. Mai 2025 at 08:59 - Reply

    Zitat: „Denn eine Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG), die auf einen Antrag der Grünen im Bundestag zurückgeht, hat die rechtlichen Voraussetzungen für die Umsetzung der Wohnprojekte neu geordnet – und komplizierter gemacht.“

    Diese Aussage ist nur die halbe Wahrheit, und fördert damit die von politscher Seite gestreuten Narrative die in der jüngeren Vergangenheit vor allem dazu genutzt wurden um das Bild der „Verbotspartei“ – Die Grünen in den Köpfen der Wähler zu verankern. Die Frage nach Sinn oder Unsinn dieses Gesetzes wird dabei einfach ausgeblendet!

    Mit der Novelierung von §23 AEG wurden in erster Linie Vorgaben der EU (Richtlinie 2021/1187) und die im Konsens Formulierten Empfehlungen der Beschleunigungskommission Schiene umgesetzt, die noch unter Volker Wissing (FDP) ins Leben gerufen wurde. Der Eisenbahninfrastruktur wird damit endlich wieder der durch die Verfassung (Art. 87e Garantie der Grundversorgung) zugedachte Stellenwert zurückgegeben. Das Ziehen dieser „Notbremse“ war seit langem überfällig, denn die Praxis war eben genau die, das für Kommunale Bauprojekte einfach pauschal ein überragendes öffentliches Interesse definiert wurde und damit regelmäßig ein Ausbau von Schieneninfrastruktur verhindert wurde. Die Ablehnung des Eisenbahnbundesamtes (EBA) enthält eine deutlich tiefergehndere Begündung als einen pauschalen Bezug auf §23 AEG (siehe [1] bzw. [2]).

    Die von offizieller Stelle geäußerte Kritik an einer angeblich fehlenden Interessensabwägung ist dmait völlig hanebüchen. Gerade am Beispile TVO zeigt sich indessen vielmehr die gegenüber der Schiene auch in Berlin gelebte Ignoranz (jüngster Beleg: … Bau eines Suppermarktes auf der Vorhaltefläche der NVT in Pankow [3]). Das Planfeststellungsverfahren zur TVO wurde wieder besseren Wissens politsch gegen die Schiene und ohne ausreichende Finazierung in die Wege geleitet. Ebenfalls politsch, wäre dieser Fehler zur Vermeidung weiterer Kosten noch immer durch einen Stopp der Planfeststellung zu heilen. Der dazu fehlende Wille zeigt sich insbesondere daran, das man in Wahrnehmung der finalen Entscheidung zur Nichtentwidmung durch das EBA nun noch immer nicht einsehen mag, das man mit der gegen die Schiene gerichteten TVO seit Jahrzehnten die falschen Prioritäten gesetzt hat.

    [1] https://www.eba.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Freistellung/Entscheidungen/Berlin/2025/0430_Berlin_Strecke_6153.html

    [2] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191281.wohnungsbau-berlin-klatsche-fuer-bauplaene-des-senats-am-gueterbahnhof-koepenick.html

    [3] https://taz.de/Ausbau-des-oeffentlichen-Nahverkehrs/!6078986/

    • Al 23. Mai 2025 at 11:12 - Reply

      Danke für den Kommentar. Genau richtig!
      Berlin hat auch jede Menge Parkplatzflächen und Straßenraum, denn man sinnvoll umnutzen könnte. Nur 22% der Berlinerinnen und Berlinern benutzen noch das Auto. Trotzdem forciert der CDU geführte Senat Straßengroßprojekte wie TVO und A100. Warum also nicht diese Flächen nutzen?

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