Die Berliner Senatsverwaltung für Verkehr hat überraschend die Finanzierung von Kiezblocks in der gesamten Stadt eingestellt. Betroffen ist insbesondere ein Modellprojekt im Bezirk Mitte. Die Entscheidung stößt auf breite Kritik – sowohl innerhalb der Regierungskoalition als auch bei Anwohnenden und Verbänden.

Der Bezirk Mitte plante bis zum Frühjahr 2026 die Einrichtung von zwölf neuen Kiezblocks – verkehrsberuhigten Wohngebieten, in denen der Durchgangsverkehr unterbunden wird. Noch im März wurde untersucht, welche Kieze hierfür infrage kommen – nun hat die Senatsverwaltung kurzfristig die Finanzierung gestoppt. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

© Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT

 

Mit sofortiger Wirkung hat die Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt die Finanzierung von Kiezblocks in ganz Berlin gestoppt. Besonders betroffen ist der Bezirk Mitte, wo ein bereits laufendes Modellprojekt abrupt beendet wurde. Laut offizieller Mitteilung des Senats seien zentrale Aspekte wie Rettungswege, Lieferverkehre und die Auswirkungen auf den öffentlichen Nahverkehr unzureichend berücksichtigt worden.

Bereits im März 2025 hatte der Bezirk umfangreiche Planungen für neue verkehrsberuhigte Bereiche angestoßen. Ziel war es, in bis zu zwölf Quartieren sogenannte Kiezblocks zu etablieren und damit den Durchgangsverkehr in Wohngebieten deutlich zu reduzieren.

Berliner Kiezblocks: Stopp für Modellprojekt in Mitte sorgt für politische Spannungen

Der Projektstopp in Berlin-Mitte traf sowohl lokale Politik als auch beteiligte Akteurinnen und Akteure überraschend. Bezirksstadtrat Christopher Schriner (Grüne), zuständig für das Projekt, äußerte scharfe Kritik an der Vorgehensweise der Verkehrsverwaltung. Diese habe ihre Entscheidung ohne vorherige Rücksprache mit dem Bezirk oder ausreichende Begründung getroffen. Schriner betonte, es habe eine verbindliche Finanzierungszusage gegeben und die Planungen seien in enger Abstimmung mit Polizei, Feuerwehr und weiteren Stellen erfolgt.

Besonders brisant ist, dass die Entscheidung offenbar nicht innerhalb der Regierungskoalition abgestimmt war. Der SPD-Verkehrspolitiker Tino Schopf erklärte dem Tagesspiegel, dass das Vorgehen der Verkehrssenatorin mit seiner Fraktion nicht abgestimmt sei und er diese konfrontative Linie ablehne. Auch innerhalb der Koalition wird somit die Frage laut, ob ideologische oder sachliche Gründe hinter der Maßnahme stehen.

CDU und Wirtschaftsverbände befürworten das Aus der Finanzierung von Kiezblocks

Die CDU-Fraktion hingegen sieht sich durch die Entscheidung bestätigt. CDU-Fraktionsvorsitzender Dirk Stettner sprach sich auf X erneut gegen die „ideologischen Pollereien“ aus und verwies auf die Notwendigkeit, Hauptstraßen leistungsfähig zu halten. Auch Wirtschaftsverbände hatten sich in der Vergangenheit deutlich gegen Kiezblocks ausgesprochen, da sie negative Auswirkungen auf Lieferverkehre und Erreichbarkeit befürchten.

Bereits in der Vergangenheit hatte die CDU-geführte Verkehrsverwaltung unter der früheren Senatorin Manja Schreiner die Fördermittel für Kiezblocks deutlich reduziert – ein Schritt, der bereits damals mehrere Projekte in anderen Bezirken verhinderte. Die aktuelle Entscheidung wirkt nun wie eine Fortsetzung dieser Linie mit weitreichenden Konsequenzen.

Stadtweite Auswirkungen und Reaktionen von Initiativen, Friedrichshain-Kreuzberg nicht betroffen

Zivilgesellschaftliche Initiativen wie Changing Cities kritisieren den Schritt scharf. Der Verein hebt hervor, dass Kiezblocks nicht nur den Autoverkehr reduzieren, sondern vor allem die Aufenthaltsqualität und Verkehrssicherheit in Wohngebieten verbessern sollen. Der Fußgängerverband „Fuss“ sprach sogar von einer „Komplett-Ignoranz gegenüber der gehenden Mehrheit“.

Die Auswirkungen dieser Entscheidung sind nicht nur auf Berlin-Mitte beschränkt. Sie betrifft alle geplanten und zukünftigen Projekte dieser Art im gesamten Stadtgebiet. Die einzige Ausnahme bildet Friedrichshain-Kreuzberg, wo laut Bezirksangaben nicht Kiezblocks, sondern „eine flächendeckende Verkehrsberuhigung“ umgesetzt werde.

Finanzierungsmöglichkeiten: Offene Fragen zur Zukunft der Berliner Kiezblocks

Die Entscheidung des Senats lässt nun viele Fragen offen – insbesondere hinsichtlich der weiteren Finanzierungsmöglichkeiten auf Bezirksebene. Zwar erklärte eine Sprecherin der Verkehrsverwaltung, dass Bezirke theoretisch eigene Mittel einsetzen könnten, sofern keine Auswirkungen auf Hauptverkehrsstraßen vorlägen. Ob und in welchem Umfang dies realisierbar ist, bleibt jedoch unklar.

Unabhängig von der aktuellen Maßnahme zeigt sich: Die Diskussion um Kiezblocks ist zu einem Symbol für die Auseinandersetzung über die Zukunft der urbanen Mobilität in Berlin geworden. Der jüngste Projektstopp verdeutlicht, wie tief die Gräben in dieser Debatte verlaufen.

© Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Quellen: Tagesspiegel, Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt