An der Spandauer Havel wurde ein neues Wohnquartier fertiggestellt. Das Gebäudeensemble „Speicherballett“ vereint zwei denkmalgeschützte Speichergebäude aus der Kriegszeit mit modernen Neubauten in einzigartiger Wasserlage. Das nachhaltige Konzept setzt auf erneuerbare Energien und innovative Wohnformen.

An der Spandauer Havel ist auf einem 4,6 Hektar großen Gelände das Wohnquartier „BUWOG Speicherballett“ entstanden. Zwischen Neubauten und revitalisierten Speichergebäuden sollen Uferpromenade und Sportplätze Anwohner zum Verweilen einladen. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

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An der Spandauer Havel, mit direktem Blick auf die Insel Eiswerder, ist ein außergewöhnliches Wohnquartier entstanden. Das „BUWOG Speicherballett“ vereint aktuell 12 Neubauten und zwei denkmalgeschützten Speichergebäuden aus der Kriegszeit auf einem rund 4,6 Hektar großen Gelände. Die ehemaligen Getreidespeicher der Wehrmacht, die nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1980 als Notvorratslager für die West-Berliner Bevölkerung dienten, standen jahrelang leer und verfielen zusehends, bevor die BUWOG das Areal revitalisierte. Seit dem Baustart 2019 wurden nun alle 14 Gebäude etappenweise fertiggestellt.

Die beiden südlichen Speichergebäude, die als „Reichstypenspeicher“ zur horizontalen Lagerung konzipiert waren, konnten durch ihre Konstruktion in Stahlbeton-Skelettbauweise, Fensteröffnungen und Zwischendecken zu Wohngebäuden umgenutzt werden. Eine besondere Herausforderung stellten dabei die geringen Deckenhöhen von nur 2,50 Metern dar. Nach den Plänen des Architekturbüros GFB Alvarez & Schepers wurden 82 Wohnungen realisiert, die alle über Balkone, Terrassen oder Privatgärten mit Blick auf die Wasserlandschaft verfügen.

Umnutzung der Laderampen an den Speicher Gebäuden zu überdachten Terrassen. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Architektonischer Dialog zwischen historischer Substanz und zeitgenössischer Formensprache

Der nördliche Silospeicher erwies sich aufgrund fehlender Zwischendecken und Fensteröffnungen als nicht konversionsfähig und wurde in Abstimmung mit dem Denkmalamt abgerissen. An gleicher Stelle entstand der „Havelspeicher“, ein Neubau, der die historische Kubatur des ursprünglichen Gebäudes aufgreift und so die denkmalpflegerische Vorgabe erfüllt, die charakteristische Dreiergruppe der Speichergebäude im Stadtbild zu erhalten.

Einen interessanten Kontrast zu den geradlinigen historischen Speichern bilden die organisch geschwungenen Neubauten des Gebäudeensembles „Havelkiesel“, die von BRH Architekten + Ingenieure GmbH entworfen wurden. Die abgerundeten Bauformen, die an Flusskiesel erinnern sollen, werden durch eine auffällige rote Putzfassade mit eingeschnittenen Freisitzen betont. Im Zentrum des Quartiers befinden sich drei weitere kieselförmige Gebäude, während zur Straßenseite hin drei gereihte Gebäuderiegel das Ensemble städtebaulich fassen. Diese wurden vom Berliner Büro DMSW Architekten geplant.

Abgerundete Wohngebäude bilden eine spannenden Kontrast zwischen dem Bestand und dem Neubau. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Nachhaltiges Wohnen an der Havel: Innovative Energie- und Ressourcenkonzepte

Beim „Speicherballett“ will die BUWOG konsequent auf Nachhaltigkeit und ressourcenschonendes Bauen setzen. Die Dächer der „Havelkiesel“ und des „Havelbogens“ wurden daher mit Photovoltaikanlagen ausgestattet, was der Nachhaltigkeitsagenda der BUWOG entspricht, den Anteil erneuerbarer Energien in Neubauwohnungen deutlich zu steigern.

Ein durchdachtes Regenwassermanagement mit Gründächern, unterirdischen Rigolen und begrünten Versickerungsmulden folgt dem Prinzip der Schwammstadt. Das in quartierseigenen Zisternen gesammelte Regenwasser wird für die Toilettenspülung und zur Bewässerung der Gartenanlagen genutzt. Bei der Fassadendämmung der kieselförmigen Wohngebäude kam ein Wärmedämmverbundsystem zum Einsatz, das nach Ablauf der Nutzungsdauer eine sortenreine Trennung und Wiederverwertung der Materialien ermöglichen soll.

„Speicherballett“ in Spandau: Vielfältige Wohnformen und soziale Infrastruktur im neuen Quartier

Insgesamt entstanden im „Speicherballett“ rund 260 Mietwohnungen in unterschiedlichen Typologien. Die Gebäude sind durch eine zentrale Tiefgarage mit etwa 160 Stellplätzen miteinander verbunden, viele davon mit E-Lademöglichkeiten. Der darüber liegende zentrale Freiraum wurde als angehobene Plattform gestaltet und bietet Platz für Quartiers- und Mietergärten sowie Flächen zur Regenwasserversickerung.

Neben den Wohngebäuden sieht die Planung auch die Ansiedlung einer Kindertagesstätte und eines Cafés vor. In direkter Nachbarschaft zum „Havelbogen“ wurde ein speziell für Senioren konzipiertes Gebäude mit Demenz-Wohngemeinschaften und einer Tagespflege nach Plänen des auf Seniorenwohnen spezialisierten Büros Feddersen Architekten gebaut. Die versetzte Anordnung der verschiedenen Baukörper ermöglicht den meisten Wohnungen attraktive Ausblicke auf die westlich gelegene Havel und schafft gleichzeitig vielfältige Freiraumqualitäten zwischen den Gebäuden. Dort befinden sich Kinderspielplätze oder Sportplätze.

Vielfältige Nutzungsmöglichkeiten in den Gebäudezwischenräumen. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Architektonische Vielfalt schafft unverwechselbares Ensemble

Das „Speicherballett“ will durch eine architektonische Vielfalt bestechen, die dennoch ein harmonisches Gesamtbild ergibt. Die fünfgeschossigen Neubauten mit zurückgesetztem Staffelgeschoss wurden von unterschiedlichen Architekturbüros entworfen, folgen aber einem gemeinsamen städtebaulichen Konzept. Dieses spiegelt sich sogar im zueinander passenden Farbkonzept wieder. Die Riegel zur Straßenseite sind als gereihte Vierspänner organisiert und weisen eine regelmäßige Lochfassade mit hervortretenden Balkonen auf.

Die historischen Speichergebäude erhielten eine Fassadengestaltung mit mineralischem Putz, der trotz der Wasserlage langfristig vor Algen- und Pilzbefall geschützt sein soll. Im Inneren sorgt ein Innenputz für ein gesundes Wohnklima, indem es die feuchteregulierenden und schimmelhemmenden Eigenschaften von Kalkputz mit den Verarbeitungsvorteilen von Gipsputzen vereint.

Auffällig ist hingegen, dass das Quartier – obwohl es längst fertiggestellt worden ist – verhältnismäßig leer erscheint, viele Wohnungen wirken unbewohnt zu, Menschen sind kaum zu sehen. Auf Anfrage von ENTWICKLUNGSSTADT äußerte sich die BUWOG zum Stand der Vermietungen bzw. Verkäufe auf dem Areal bislang nicht.

Gebäude an der Straßenseite des Wohnquartiers. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Aufeinander angepasstes Farbkonzept der Putzfassaden. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Quellen: BUWOG, BUWOG Blog, gfb alvarez & associates gmbh, DMSW architektur und landschaft, BRH Generalplaner, FEDDERSEN Architekten, Bauverlag.de