In Zeiten steigender Baukosten zeigt die Berliner Genossenschaftskultur, dass gemeinschaftlich finanzierter Wohnraum durchaus möglich ist. Wir blicken auf eine Auswahl innovativer Wohnprojekte, die das Wohnen neu denken und nachhaltigen sowie bezahlbaren Wohnraum schaffen.
© Visualisierung Titelbild: GLS BANK, Bürgerstadt AG
Text: Björn Leffler
Der Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg e.V. (AIV) hatte sich dem Thema genossenschaftliches Wohnen bereits vor über einem Jahr gewidmet. Am am 7. Juni 2023 hatte der AIV in die Räumlichkeiten der Camaro-Stiftung geladen, um darüber zu diskutieren, wie man es bewerkstelligen kann, der herrschenden Wohnungsnot in deutschen Großstädten entgegenzuwirken.
Beängstigend gestiegene Boden-, Bau – und Finanzierungskosten haben die Aussicht auf finanzierbare neue Wohnungen in weite Ferne rücken lassen. Der Bedarf jedoch an neuem Wohnraum ist enorm und somit rückt das Interesse an gemeinwohlorientiertem Bauen sowie der Bedarf an Wohnen in Gemeinschaften in den Mittelpunkt vieler Diskussionen.
Die Berliner Genossenschaftskultur, mit ihren Prinzipien der Selbstverwaltung und Selbstverantwortung, könnte in den kommenden Jahren ein nicht unwesentlicher Schlüssel bei der Herangehensweise zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums sein. In Berlin gibt es heute insgesamt 80 Wohnungsbaugenossenschaften mit einem Bestand von rund 200.000 Wohnungen – und es kommen stetig neue Wohnungen hinzu.
Wir haben verschiedene Genossenschaftsprojekte ausgewählt, bei denen neue Wohnungen in Berlin realisiert werden, mit ganz unterschiedlichen Herangehensweisen:
Buckower Felder: Neubau von Genossenschaftswohnungen
Die Genossenschaft “Rot Buckow” möchte auf einem Teilstück des künftigen Wohnquartiers “Buckower Felder” in Berlin-Neukölln insgesamt 71 Genossenschaftswohnungen errichten. Die Häuser werden zum Großteil aus Holz und Zellulose gebaut. 40 Wohnungen sind für Menschen mit Behinderungen bestimmt.
In insgesamt drei Wohngebäuden soll Wohnraum entstehen, in dem gemeinschaftliches, ökologisch nachhaltiges und sozial verantwortungsvolles Wohnen aller Generationen möglich sein soll. Die Häuser werden zum Großteil aus Holz und Zellulose gebaut, Dach und Fassaden begrünt, Strom aus Sonnenenergie gewonnen.
Reinickendorf: 256 neue Wohnungen in der Holländerstraße
Das Wohnungsbauprojekt “Neue Holländergärten” wurde neben und teilweise auf entwidmeten Flächen des Friedhofs Golgatha-Gnaden an der Holländerstraße umgesetzt. Drei Partner arbeiten an der Realisierung des Bauvorhabens: Das Unternehmen, Kompass-Wohnen, die Stadtbürgergenossenschaft und die Hanseatische Immobilien Treuhand.
Jeder der drei Projektpartner hat dabei eigene Schwerpunkte eingebracht. Im südlichen Bauabschnitt entstand das Kompass-Quartier Holländerstraße. Von den 103 Wohneinheiten werden 48 zu Mietpreisen angeboten, die gebunden sind. Die Kompass-Wohnen als Bauherrin hat hier ein inklusives Mehrgenerationenquartier umgesetzt, das sich besonders an Familien, Menschen mit Behinderungen sowie junge Menschen und Studierende richtet.
Die Stadtbürgergenossenschaft hat das ebenfalls bereits fertiggestellte Generationenhaus Holländergarten errichtet. Hier sollen junge Familien, Alleinlebende, Paare und die Generation 50+ ein Zuhause finden. Gebaut wurden 43 Wohneinheiten, von denen bis auf eine Wohnung mittlerweile alle vermietet wurden.
Wohnungsbau: 99 Genossenschafts-Wohnungen entstehen in Treptow
In Berlin-Treptow, an der Grenze zu Neukölln und Kreuzberg, realisiert die Wohnungsbaugenossenschaft DPF eG ein Projekt, bei dem insgesamt 99 neue Wohnungen entstehen. Im dicht besiedelten “Dreiländereck” ein wichtiges Bauvorhaben, um bezahlbaren Wohnraum verfügbar zu machen.
Das Projekt entsteht zwischen Harzer Straße und Grabowstraße, unweit des sogenannten “Dreiländerecks”, wo Kreuzberg, Neukölln und Treptow aufeinandertreffen. Die Quartiere rund um die Flusskreuzung sind nicht nur bei Touristen beliebt, sondern sehen sich auch einer hohen Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum gegenüber.
Steglitz: Aufstockung von Wohnanlage an der Lepsiusstraße abgeschlossen
An der Steglitzer Lepsius-, Treitschke und Hackerstraße, unweit der Schloßstraße, wurden in den vergangenen Jahren mehrere Wohngebäude einer Wohnanlage der Vaterländischer Bauverein eG (VBV eG) energetisch saniert und durch eine Dachgeschossaufstockung um eine Etage erweitert. Nun werden die letzten Baugerüste abgebaut, das Projekt ist abgeschlossen.
Die Wohnanlage an den genannten Straßen wurde in den vergangenen Jahren umfassend und aufwendig energetisch saniert und um ein zusätzliches Dachgeschoss ergänzt. Auf etwa 1.600 Quadratmetern zusätzlicher Wohnfläche sind somit 18 neue Wohnungen entstanden, die vornehmlich für Familien gedacht sind.
Baumschulenweg: Neubau von 99 Wohnungen auf Garagengrundstück
An der Grenze zwischen Neukölln und Treptow-Köpenick entsteht im Ortsteil Baumschulenweg ab 2025 ein neues Wohnprojekt in Holzbauweise mit 99 Wohnungen, das durch nachhaltige Bauweise und günstige Mieten eine vielfältige Bewohnerschaft ansprechen will. Für das Bauprojekt müssen zuvor aber alte Garagen abgerissen werden.
Insgesamt 6.000 Quadratmeter Wohnfläche sollen bei dem Bauvorhaben entstehen, auch drei Gewerbeflächen sind geplant. Im Rahmen des von der Berliner Immobilien Management GmbH (BIM) ausgeschriebenen Konzeptverfahrens „Radenzer Straße“ wurde das Wohnprojekt entwickelt.
Neukölln: 106 neue Wohnungen entstehen in Holzbauweise
Im Zuge des Wohnungsbauprojekts “Buckower Felder” im Süden Neuköllns realisiert die Bürgerstadt AG gemeinsam mit der GLS BANK das nachhaltig ausgelegte Wohnprojekt “Greenfields Buckow”, bei dem 106 Wohnungen in Holzbauweise entstehen sollen. Geplant ist dabei auch die Schaffung von Wohnraum für betreute Mütter oder Väter mit Kindern sowie für wohnungslose Menschen mit Mobilitätseinschränkungen.
Das “Greenfields Buckow” genannte Projekt richtet sich nach Angaben der Projektverantwortlichen an soziale Träger, eine Genossenschaft und Menschen, die auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum sind. Die insgesamt fünf Mehrfamilienhäuser, die in Holzsystembauweise errichtet werden, sollen nach ihrer Fertigstellung im Jahr 2026 sehr unterschiedliche Bewohner aufnehmen. Geplant ist Wohnraum für betreute Mütter oder Väter mit Kindern sowie für wohnungslose Menschen mit Mobilitätseinschränkungen.
Insel Gartenfeld in Spandau: Bau von 400 genossenschaftlichen Wohnungen geplant
Die Insel Gartenfeld in Berlin-Spandau ist den meisten Menschen außerhalb Berlins vermutlich unbekannt, und selbst innerhalb der Stadtgrenzen dürfte nicht jeder etwas mit dem Begriff anfangen können. In einigen Jahren aber sollen in dem Quartier “Das neue Gartenfeld” rund 10.000 Menschen leben. In einem durch das Unternehmen UTB Projektmanagement GmbH koordinierten Zusammenspiel verschiedener privater, kommunaler und genossenschaftlicher Projektbeteiligter sollen rund 3.700 Wohnungen mit einer Wohnfläche von etwa 370.000 Quadratmetern entstehen.
Die Wohnungsbaugenossenschaft begeno16 eG hat angekündigt, im Laufe des Jahres mit dem Bau von 400 Mietwohnungen auf der Insel Gartenfeld beginnen zu wollen. Damit wird ein erstes Teilprojekt des zukünftigen Quartiers “Das neue Gartenfeld” in Angriff genommen. Die 400 geplanten Wohnungen entstehen auf insgesamt vier Baufeldern und sollen nach aktuellem Planungsstand in zwei Bauabschnitten realisiert werden.
Wilhelmsruh: Neubau von 14 genossenschaftlichen Mietwohnungen in Pankow
Ende Juni 2024 legte die Genossenschaft WBG Wilhelmsruh eG den Grundstein für ein Neubauprojekt in der Wilhelmsruher Lessingstraße im Bezirk Pankow. Die Bauarbeiten begannen im Februar, die Fertigstellung ist für Frühjahr 2025 geplant. 14 neue Mietwohnungen entstehen.
Das Gebäude wird nach Angaben der Genossenschaft ein Biodiversitätsdach und eine Solarthermie-Anlage zur Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung erhalten, was eine Energieeinsparung von etwa 20 Prozent ermöglichen soll. Geplant sind 2- bis 4-Zimmer-Wohnungen mit Balkon oder Terrasse, darunter sechs Maisonette-Wohnungen, die insgesamt etwa 1.300 Quadratmeter Wohnfläche bieten sollen.
Charlottenburg-Nord: Neubau von 31 genossenschaftlichen Mietwohnungen am Halemweg
Südlich des 146 Hektar großen Volksparks Jungfernheide, der sich vom Hohenzollernkanal und dem Saatwinkler Damm südlich bis zum Heckerdamm erstreckt, werden im Ortsteil Charlottenburg-Nord derzeit 81 neue Mietwohnungen realisiert. Gebaut werden diese neue Wohnungen im Halemweg 33, nur wenige Meter von der riesigen Grünanlage entfernt, in attraktiver Lage also vor allem für Familien. Realisiert werden die Mietwohnungen in Kooperation von der Charlottenburger Baugenossenschaft sowie der Berliner Baugenossenschaft.
Im Rahmen des Projekts bauen zwei der größten und ältesten Genossenschaften Berlins gemeinsam insgesamt 31 neue Mietwohnungen. Die Charlottenburger Baugenossenschaft baut 15 Wohnungen, die Berliner Baugenossenschaft 16. Das Areal gehört beiden Genossenschaften.
Weitere Bilder zum Thema findet Ihr hier:
Quellen: Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg e.V., Camaro-Stiftung, DeO Deimel Oelschläger Architekten GmbH, GLS BANK, Bürgerstadt AG, DPF eG, Vaterländischer Bauverein eG (VBV eG), Wohnungsbaugenossenschaft „Am Ostseeplatz” eG, Sauerbruch Hutton Gesellschaft von Architekten mbH, Stadtbürgergenossenschaft, begeno16 eG, WBG Wilhelmsruh eG, Wunderlich Architekten- und Ingenieurgesellschaft Berlin mbH, Charlottenburger Baugenossenschaft, Berliner Baugenossenschaft
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9. November 2024
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