Das marode Tal-Center in Marzahn soll abgerissen und durch ein neues Stadtquartier ersetzt werden. Während die Gewobag Wohnraum und Gewerbe plant, fordern Anwohnende Mitsprache und bessere Infrastruktur. Die Diskussion zeigt, wie umkämpft Nachverdichtung in bestehenden Großsiedlungen ist.

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In Marzahn-Hellersdorf könnte bald ein weiteres großes Bauprojekt starten. Das Tal-Center, ein deutlich in die Jahre gekommenes Einkaufszentrum aus DDR-Zeiten, soll abgerissen und durch ein gemischt genutztes Stadtquartier ersetzt werden. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag plant, auf dem etwa 27.000 Quadratmeter großen Areal rund 500 Wohnungen, Flächen für medizinische Versorgung, eine Kita sowie Einzelhandel und Büros zu errichten.

Das einstige Dienstleistungszentrum liegt zwischen Plattenbauten und einer Parkanlage. Heute sind dort nur noch wenige Läden aktiv. Viele Verkaufsflächen stehen leer. Das Bezirksamt unterstützt die Nachverdichtung, wie die Berliner Morgenpost berichtet. Berlin brauche dringend Wohnraum, heißt es zur Begründung.

Bürgerbeirat Tal-Center fordert Mitsprache und bessere Infrastruktur in Marzahn-Hellersdorf

Doch im Quartier regt sich Widerstand. Langjährige Anwohner engagieren sich im 13-köpfigen Bürgerbeirat „Tal-Center“. Gemeinsam fordern sie mehr Mitsprache und eine ausgewogene Entwicklung. In einem Flugblatt dokumentieren sie, welche Infrastruktur in den vergangenen Jahrzehnten verloren ging: Bäckereien, Gaststätten, Arztpraxen, Kieztreffs.

Ihre Sorge: Der geplante Zuzug von Hunderten Menschen könnte die Situation weiter verschärfen. Zwar lehnen sie neue Wohnungen nicht grundsätzlich ab. Sie fordern jedoch, so die Berliner Morgenpost, dass Überhöhungen vermieden und die soziale Infrastruktur deutlich ausgebaut wird.

Erinnerungen an abgerissene Wohntürme: Anwohnende fordern maßvolle Planung und soziale Infrastruktur

Schon einmal standen auf dem heutigen Parkplatz des Tal-Centers Wohnhochhäuser mit 21 Stockwerken. Sie wurden 2004 wegen Leerstands abgerissen. Nun könnte die Gewobag erneut hohe Bebauung realisieren. Das Bezirksamt spricht laut Berliner Morgenpost von einer „Rekonstruktion städtebaulicher Hochpunkte“.

Die Anwohnenden reagieren skeptisch und betonen gegenüber der Berliner Morgenpost, es gehe ihnen nicht um grundsätzliche Ablehnung. Vielmehr wünschten sie sich Planungen auf Augenhöhe. Sie verlangen neue Schul- und Kitaplätze, bezahlbare Nahversorgung sowie wohnortnahe medizinische Angebote.

Geheime Potenzialstudie sorgt für Misstrauen: Anwohnende kritisieren fehlende Transparenz und befürchten massive Überbauung

Für Unmut sorgt auch eine vom Bezirk beauftragte Potenzialstudie. Sie wurde dem Bürgerbeirat gezeigt, ist aber nicht öffentlich einsehbar. Auf Anfragen der Berliner Morgenpost im zuständigen Ausschuss verweist das Bezirksamt auf den internen Arbeitscharakter des Dokuments. Laut Linke-Abgeordneten habe die Studie bei Anwohnenden große Besorgnis ausgelöst.

Kritisiert wird zudem die Höhe der geplanten Bebauung. Die bisherigen Elfgeschosser würden durch noch höhere Neubauten übertroffen. Ob sich die Erkenntnisse der Studie überhaupt in der späteren Planung niederschlagen, bleibt offen. Das Bezirksamt betont, die Inhalte hätten keine Verbindlichkeit.

Planung ohne Zeitplan: Bebauungsplanverfahren läuft, doch Bürgerbeirat fordert Mitsprache und Transparenz

Aktuell liegt weder ein Bauantrag noch eine Bauvoranfrage vor. Der Bezirk arbeitet an einem Bebauungsplan. Laut Bezirksamt sei zudem eine Abstimmung über das städtebauliche Konzept erforderlich. Auch Gutachten und Umweltprüfungen müssten folgen, bevor das Projekt starten könne.

Derweil sammelt der Bürgerbeirat Unterschriften. Ziel ist ein Einwohnerantrag in der Bezirksverordnetenversammlung. Auch in anderen Teilen des Bezirks regt sich ähnlicher Protest gegen große Bauprojekte. Ob das Tal-Center tatsächlich bald neu bebaut wird, bleibt somit eine offene Frage.

Quellen: Berliner Morgenpost, Gewobag, DLE Land Development GmbH, Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf, Immobilien Zeitung