Der Trend zu grünen Fassaden zeigt, wie moderne Architektur auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit reagiert – und wie Bauherren ihren Bauprojekten ein klimaorientiertes Erscheinungsbild verleihen wollen. Begrünte oder grün gestaltete Fassaden sind nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern sollen auch als Statement für eine ressourcenschonende Bauweise verstanden werden.

Im Neuköllner Stadtteil Britz ist das Gewerbeprojekt „Inspire Neukölln“ geplant. In zwei Gebäuden mit je sechs Geschossen soll eine Nutzfläche von insgesamt 25.000 Quadratmetern entstehen. Die Architektur knüpft optisch an die Ära der Berliner Gewerbehofarchitektur des späten 19. Jahrhunderts an – und kommt sehr grün daher. / © Visualisierung: CMF Capital, RKW Architektur +

© Visualisierung Titelbild: BEOS AG
Text: Björn Leffler

 

Die Fassadengestaltung ist ein zentraler Ausdruck architektonischer Epochen und reflektiert die gesellschaftlichen, technologischen und ästhetischen Strömungen ihrer Zeit. In Berlin, einer Stadt geprägt von historischen Brüchen und dynamischem Wandel, zeigt sich dies besonders eindrucksvoll in den letzten drei Jahrzehnten.

Die 1990er-Jahre waren geprägt vom Wiederaufbau und der Stadtreparatur nach der Wiedervereinigung. Postmoderne Elemente dominierten: historische Bezüge und ornamentale Details verbanden sich mit modernen Materialien, sichtbar etwa am Sony Center, den Quartieren am Potsdamer Platz oder in der Friedrichstraße.

Berlin in den 2000er Jahren: Die große Minimalismus-Welle der Architektur begann

Mit den 2000er-Jahren hielt die große Minimalismus-Welle Einzug in die architektonische Gestaltung neuer Gebäude. Klare Linien, glatte Fassaden und großflächige Glasflächen bestimmten zunehmend das Stadtbild der jungen Hauptstadt. Seit den 2010er-Jahren gewinnen nachhaltige und innovative Fassaden mehr und mehr an Bedeutung. Begrünte Häuserwände oder die Nutzung von recycelten Materialien sollen die ökologische Verantwortung der Bauherren unterstreichen.

Berlin ist damit ein Schaufenster architektonischer Trends, die nicht nur ästhetische Vorlieben, sondern auch gesellschaftliche Werte und technologische Fortschritte widerspiegeln. In den vergangenen Jahren tritt eine Farbe immer häufiger auf, wenn es um die Gestaltung neuer Gebäude geht: grün.

Grüne Fassaden sollen nachhaltiges und klimaorientiertes Bauen symbolisieren

Der Trend zur grünen Fassadengestaltung ist weit mehr als eine ästhetische Entscheidung – er spiegelt einen gesellschaftlichen Wertewandel hin zu nachhaltigem und klimaorientiertem Bauen wider. Begrünte oder grün gestaltete Fassaden verleihen Gebäuden nicht ein modernes und umweltfreundliches Erscheinungsbild – so der Plan vieler Architekten und Projektentwickler.

In einer Zeit, in der Klimaschutz zu den drängendsten Herausforderungen gehört, sollen entsprechende Projekte wohl das Engagement für eine nachhaltigere Zukunft verkörpern. Sie geben damit den Gebäuden einen nachhaltigen Charakter, der nicht nur ökologisch, sondern auch gesellschaftlich an Bedeutung gewinnt.

Unternehmen, die auf grüne Fassaden setzen, setzen darauf, dass ihre Gebäude von Beginn an deutlich positiver wahrgenommen werden als monoton und grau gestaltete Neubauten. Wir stellen eine Auswahl von ihnen vor, die sowohl im Wohnungs- als auch im gewerblichen Bereich zu finden ist.

Gewerbeprojekt „Inspire Neukölln“ wächst an der Grenzallee

© Visualisierung: CMF Capital, RKW Architektur +

Das Gewerbeprojekt „Inspire Neukölln“ (kurz „INK“) entsteht derzeit im Berliner Stadtteil Britz an der Ballinstraße, nahe der Grenzallee, auf dem Gelände einer ehemaligen Druckerei. Geplant sind zwei sechsgeschossige Gebäude mit insgesamt rund 25.000 Quadratmetern flexibel gestaltbarer Büro- und Gewerbeflächen. Die Architektur des Düsseldorfer Büros RKW Architektur + orientiert sich an der Berliner Gewerbehofarchitektur des späten 19. Jahrhunderts und integriert moderne Elemente wie große Übereck-Fenster sowie eine blaugrün gestaltete Fassade mit changierenden Keramikfliesen. Nachhaltigkeit wird durch den Einsatz von effizienten Luft-Wasser-Wärmepumpen und eine hochgradig gedämmte Gebäudehülle gewährleistet.

Moabit: Am Friedrich-Krause-Ufer entsteht das Projekt „Berlin Decks“

© Visualisierung: BEOS AG

Am nördlichen Rand von Berlin-Mitte entwickelt die BEOS AG den Gewerbecampus „Berlin Decks“ am Spreekanal zwischen Moabit und Wedding. Auf dem Gelände, das seit über einem Jahrhundert industriell genutzt wird, entstehen neben einem modernisierten historischen Backsteinbau vier neue Gebäude mit insgesamt rund 42.000 Quadratmetern Gewerbefläche für Büros, industrielle Nutzungen, Handel und Gastronomie. Das Projekt zielt darauf ab, ein urbanes Gewerbequartier mit architektonischem Anspruch zu schaffen, das Unternehmen ermöglicht, die gesamte Wertschöpfungskette vor Ort abzubilden. Sämtliche neue Gebäude werden in ein markantes grün getaucht.

„HAINWERK“: Grünes Wohn- und Gewerbeprojekt an der Revaler Straße in Friedrichshain

© Visualisierung: HAMBURG TEAM Gesellschaft für Projektentwicklung, Grüntuch Ernst Architekten

An der Revaler Straße in Berlin-Friedrichshain, auf dem Gelände des ehemaligen „Party REWE“, entsteht bis 2027 das Projekt „HAINWERK“. Dieses nachhaltig konzipierte Gebäudeensemble, entworfen von Grüntuch Ernst Architekten, wird Flächen für Büros, Wohnungen und Einzelhandel bieten. Der Neubau orientiert sich in seiner Höhe an den umliegenden Gebäuden und stellt die historische Blockstruktur wieder her. Entwickelt wird das Projekt vom Immobilienfondsmanager Henderson Park in Zusammenarbeit mit dem Projektentwickler HAMBURG TEAM.

Berlin-Mitte: Wohn- und Gewerbequartier entsteht an der Breiten Straße

© Visualisierung: Los 1: AFF Architekten, Berlin; Los 2: Bruno Fioretti Marquez Architekten, Berlin; Los 3: Springer Architekten, Berlin; Los 4: Bruno Fioretti Marquez Architekten, Berlin; Los 5: Springer Architekten, Berlin / Eigene Komposition Allianz Berliner Bürgervereine

An der Breiten Straße in Berlin-Mitte plant das Land Berlin die Entwicklung eines neuen Wohn- und Gewerbequartiers mit rund 70 Wohnungen in unmittelbarer Nähe zum Humboldt Forum. Der Architekturwettbewerb wurde abgeschlossen, wobei die Büros AFF Architekten, Bruno Fioretti Marquez Architekten, Springer Architekten den Zuschlag erhielten – und vorwiegend auf die Fassadenfarbe grün setzen. Eine Allianz Berliner Bürgervereine kritisiert jedoch die gewählte Architektursprache der Entwürfe.

Friedrichshagen: Erweiterungsbau für die Grundschule an der Peter-Hille-Straße

In zartem grün gehalten: Der Erweiterungsbau für die Peter-Hille-Grundschule in Friedrichshagen. / © Visualisierung: Galandi Schirmer Architekten + Ingenieure GmbH

Die Friedrichshagener Grundschule an der Peter-Hille-Straße 7 erhält derzeit ein neues Mehrzweckgebäude, das die Aufenthaltsqualität verbessert und eine barrierefreie Erschließung des gesamten Schulgeländes ermöglicht. Der Neubau wird Mensa, Verwaltungsräume und barrierefreie Zugänge zur Sporthalle umfassen, um den aktuellen Anforderungen gerecht zu werden. Die Baukosten von 7,5 Millionen Euro werden aus Investitionsmitteln des Landes Berlin finanziert.

Charlottenburg: Wohnquartier am Goslarer Ufer geplant

© Visualisierung: ZIEGERT Group, INCEPT GmbH

Am Goslarer Ufer im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf planen ZIEGERT Group und die INCEPT GmbH die Entwicklung eines neuen Wohnquartiers auf einem 6.000 Quadratmeter großen Grundstück am südöstlichen Rand der Mierendorffinsel. Das Projekt sieht eine Bruttogrundfläche von etwa 19.700 Quadratmetern vor, die sowohl frei finanzierte als auch öffentlich geförderte Wohnungen sowie rund 1.100 Quadratmeter Gewerbeflächen in den Erdgeschossen umfasst. Der Siegerentwurf des Münchner Architekturbüros allmannwappner und Rabe Landschaften wurde im Mai 2024 der Öffentlichkeit vorgestellt. Eine frühzeitige Einbindung der Anwohner erfolgte durch die „INSEL-Konferenz“, eine Informationsveranstaltung, die in Zusammenarbeit mit dem Insel-Zukunftsteam und dem Bezirksstadtrat organisiert wurde.

Wohnungsbau in Baumschulenweg: Neubau von 41 Mikroapartments

© Visualisierung: Berlin Residential Investment GmbH

Im Berliner Ortsteil Baumschulenweg plant die Berlin Residential Investment GmbH das Projekt „Baumschule“, bei dem an der Baumschulenstraße 35 insgesamt 41 Mikroapartments entstehen sollen. Diese Wohnungen, mit Größen zwischen 33 und 64 Quadratmetern, richten sich vor allem an „Young Professionals“ im Alter von 25 bis 40 Jahren, die in den nahegelegenen Technologiezentren Friedrichshain und Adlershof tätig sind. Das Gebäude wird sich in den architektonischen Mix des Viertels einfügen und einen begrünten Innenhof bieten. Auffällig ist die zur Straße hin gestaltete Fassade mit großen Rundöffnungen, die den Blick auf gegenüberliegende Altbauten ermöglichen sollen.

 

Weitere Bilder zum Thema findet Ihr hier: 

Grün gestaltetes Bauvorhaben an der Warschauer Straße: Das Projekt „HAINWERK“ in Friedrichshain. / © Visualisierung: HAMBURG TEAM Gesellschaft für Projektentwicklung, Grüntuch Ernst Architekten

Im boomenden Berliner Südosten sind neue Wohnungen außerordentlich stark nachgefragt. Ein Projekt des Unternehmens Berlin Residential Investment richtet sich vor allem an die Gruppe der „Young Professionals“. / © Visualisierung: Berlin Residential Investment GmbH

 

Quellen: CMF Capital, RKW Architektur +, BEOS AG, Grüntuch Ernst Architekten, Henderson Park, HAMBURG TEAM, AFF Architekten, Bruno Fioretti Marquez Architekten, Springer Architekten, ZIEGERT Group, die INCEPT GmbH, allmannwappner, Rabe Landschaften, Berlin Residential Investment GmbH

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3 Comments

  1. Max 2. Dezember 2024 at 14:18 - Reply

    Dann müssen wir ja nur Farbeimer an alle Hausbesitzer verteilen, und schon ist der Klimawandel geritzt.

  2. a. tirpitz 2. Dezember 2024 at 16:00 - Reply

    Aha, Minimalismus und so…Da ist er wieder der Begriff, der allerortens dazu benutzt wird, tosend langweilige Investorenarchitektur zu verklären. Nun gut, jetzt werden eben mal grün gefärbte und in Teilen verkrautete Fassaden durchs Dorf getrieben.
    Wie auch immer, diese Teile werden keine 40 Jahre durchhalten….Diese Idee hatten schon andere vor längerer Zeit…Siehe Hauptbahnhof, dort wird gerade ein grüner Schönling zum Abriss vorbereitet.

  3. RS 3. Dezember 2024 at 09:47 - Reply

    …. und wenn alle kreativitätsminimalistischen Bauherren nur genug Flächen grün bemalen, wird alles besser. Der Kaiser trägt neue Kleider. Und ja, der Weltfrieden wird erreicht.

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