Schon bei seiner Eröffnung strömten mehr Menschen durch den Hamburger Hauptbahnhof, als geplant war. In den Nachkriegsjahren drängten sich Flüchtlinge auf den Bahnsteigen, heute sind es täglich Hunderttausende, die sich durch die überfüllten Hallen schieben. Überlastung scheint den Hamburger Hauptbahnhof notorisch zu begleiten. Doch was machte ihn zur ewigen Drehscheibe des Verkehrs – und welche Lösungen gibt es?

Mit täglich 550.000 Reisenden zählt der Hamburger Hauptbahnhof zu den meistfrequentierten Bahnhöfen Europas. Welche Geschichte verbirgt sich hinter dem Gebäude? / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
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Bevor der heutige Hauptbahnhof entstand, war das Eisenbahnnetz der Stadt Hamburg ein Flickenteppich aus verschiedenen Kopfbahnhöfen. Vier voneinander getrennte Stationen bedienten unterschiedliche Strecken: Der Berliner Bahnhof, der Klostertorbahnhof, der Lübecker Bahnhof an der Spaldingstraße und der Hannoverscher Bahnhof auf der Grasbrookinsel. Altona gehörte zu dieser Zeit noch zu Dänemark.
Von diesen Bahnhöfen, die alle am südöstlichen Rand der inneren Stadt lagen, gingen die Eisenbahnstrecken zu jeweils den Städten oder Stadtteilen aus, nach denen die Bahnhöfe benannt waren. Diese dezentrale Struktur stieß mit dem rasanten Wachstum der Stadt an ihre Grenzen. Es war klar: Hamburg brauchte einen Bahnhof, der alle Linien bündelte.
Es begann mit einer Ausschreibung und 8.000 Mark Preisgeld: Die Anfänge des Hamburger Hauptbahnhofs
Die Geschichte des Hamburger Hauptbahnhofs begann um 1900, als das Berliner Architektenduo Heinrich Reinhardt und Georg Süßenguth eine Ausschreibung mit je 8.000 Mark Preisgeld für die Gestaltung des Hauptbahnhofes gewann. Ihre Vision sah ein imposantes Gebäude im Jugendstil vor, das als ein stählernes Wahrzeichens die hanseatische Weltgeltung symbolisieren sollte.
Doch Kaiser Wilhelm II. zeigte sich wenig begeistert. Er bezeichnete den ersten Entwurf als „einfach scheußlich“ und forderte eine neue Planung, die sich an der Fassade des Hamburger Rathauses orientieren sollte. Nach mehreren Änderungen starteten 1902 die Arbeiten. Die technische Konzeption übernahm der preußische Baubeamte Ernst Moeller, der zuvor für die technische Realisierung des Dammtor Bahnhofs verantwortlich war. Für den Bau mussten die Grabstätten an der Kirchenallee weichen, die an den Ohlsdorfer Friedhof verlegt wurden.
Inspiriert durch die Pariser Weltausstellung: Hauptbahnhof im Jahr 1906 feierlich eröffnet
Am 6. Dezember 1906 war es dann soweit: Der Hamburger Hauptbahnhof wurde feierlich eröffnet. Schon am Vorabend hatte die Stadt das Ereignis mit einem großen Bankett zelebriert. Das Ergebnis war eine prachtvolle Eingangshalle, inspiriert vom Palais des Machines von der Pariser Weltausstellung von 1889.
Hier befanden sich die Wartesäle für die 1. bis 4. Klasse, während die Fahrkartenschalter und die Gepäckabfertigung in den Eingangshallen untergebracht waren. Bis heute flankieren zwei 45 Meter hohe Uhrtürme mit quadratischem Querschnitt die verglaste Front mit dem Eingangsportal. Sie sind im Stil der Neorenaissance, die Kaiser Wilhelm II. gefordert hatte.
Ein Palast aus Stahl und Glas: Die Bahnsteighalle als architektonische Meisterleistung?
Mit einer Länge von 150 Metern, einer Breite von 114 Metern und einer Höhe von 37 Metern ist die lichtdurchflutete Bahnsteighalle das markanteste Merkmal des Bahnhofs. Sie ist durch eine Brücke, dem sogenannten „Nordsteg“, quer über die Empfangshalle angebunden. In ihrem Inneren verlaufen zwölf Gleise, die im ehemaligen Wallgraben der Hamburger Stadtmauer und daher etwa sechs Meter tiefer liegen.
Um das immense Gewicht zu tragen, ruht das Fundament der Halle auf 800 tiefgegründeten Eisenbetonrammpfählen. Damit ist sie die erste großflächige Konstruktion in Norddeutschland, die aus diesem Material errichtet wurde. Zudem wurde in der Dachkonstruktion viel Glas verbaut, insbesondere an der Oberkante des Dachs sowie an den Seitenverkleidungen.
Der Hauptbahnhofs als zentrales Bahndrehkreuz in Norddeutschland
Nach seiner Eröffnung wurde der Hamburger Hauptbahnhof schnell zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt im Norden von Deutschland. So enden zahlreiche Fernzüge aus allen Regionen Deutschlands am Hamburger Hauptbahnhof. Von dort aus kann in andere Linien des Regional- oder des Fernverkehrs umgestiegen werden, etwa nach Kiel oder Dänemark. Bereits im ersten Jahr nach der Eröffnung stieß der Bahnhof jedoch an seine Kapazitätsgrenzen: Sonderzüge mussten eingesetzt werden, wodurch das gesamte Fahrplangefüge durcheinandergeriet.
Mit dem wachsenden Verkehrsaufkommen im ersten Weltkrieg erweiterte man die Anlage kontinuierlich. Bereits 1911 erhielt der Bahnhof zwei zusätzliche Gleise. Es folgten ein weiteres Stockwerk, der Bau von U-Bahn-Anlagen sowie direkte Übergänge zu den Bahnsteigen. Zwischen der Spitalerstraße auf der einen und dem Bieberhaus sowie dem Deutschen Schauspielhaus auf der anderen Seite, trafen hier Heimkehrende, Soldaten und Flüchtlinge aufeinander.
Kriegsjahre und Wiederaufbau: Der Bahnhof im Wandel der Zeit
Während des Zweiten Weltkriegs erhielt der Hamburger Hauptbahnhof ab 1941 eine Tarnabdeckung – eine bemalte Holzkonstruktion, die feindlichen Bombern die Orientierung erschweren sollte. Trotz dieser Schutzmaßnahme wurde Bahnhof von Fliegerbomben getroffen, die mächtige Halle war eine lodernde Flamme. Rund 4.000 Menschen überlebten jene Nacht im Bahnhofsbunker.
Nach Kriegsende wurde über Abriss und Neubau diskutiert, doch letztlich entschied man sich, das alte Gebäude zu bewahren und zunächst nur die dringendsten Reparaturen vorzunehmen. Besonders die Eingangshalle zeigte erhebliche Schäden und wurde durch eine simple sogenannte „Übergangshalle“ notdürftig ersetzt. Erst in den 1970ern erklärte sich die Bundesbahn zu einer ordentlichen Sanierung bereit.