Ob Dachbegrünung, Wasser-Retention oder autofreie Straßen – Berlin entwickelt zunehmend städtebauliche Strategien, um den Folgen der Klimakrise zu begegnen. ENTWICKLUNGSSTADT stellt zehn konkrete Projekte vor, die zeigen, wie innovative Stadtplanung und Klimaanpassung zusammenwirken können.

Das kaskadenartige Bürogebäude „AERA“ mit Platz für bis zu 1.000 zukünftige Arbeitsplätze soll nach den Wünschen der Projektbeteiligten Modellcharakter für die “Büroimmobilie von morgen” haben. Der riesige Dachgarten erstreckt sich über insgesamt 2.200 Quadratmeter und bietet eine Art grüne Oase über den Dächern der Stadt. / © Foto: Bauwens / Max Kissler
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Hitzewellen, Trockenphasen und Starkregenereignisse stellen Städte wie Berlin vor wachsende Herausforderungen. Besonders stark betroffen sind dicht bebaute Quartiere, in denen sich die Sommerhitze staut, bekannt als Hitzeinseleffekt. Um diesen klimatischen Veränderungen zu begegnen, braucht es mehr als punktuelle Maßnahmen: Stadtplanung muss Klimaresilienz zur Leitlinie machen.
ENTWICKLUNGSSTADT zeigt zehn Projekte in Berlin und Brandenburg, die exemplarisch zeigen, wie Klimaanpassung heute gedacht und umgesetzt werden kann. Von technischen Innovationen über Gebäudebegrünung bis zur Umgestaltung öffentlicher Räume zielen alle Maßnahmen darauf ab, die Stadt widerstandsfähiger, lebenswerter und zukunftsfähiger zu machen.
1. Kampf gegen die Hitze: Deutsche Städte brauchen mehr Grün

Dachgärten und extensive Begrünungen sind heute in Neubauten vielerorts Standard – vor allem, wenn sie durch Bebauungspläne oder Förderprogramme verpflichtend werden. Grüne Dächer wirken temperaturausgleichend, nehmen Regenwasser auf und schaffen kleine Biotope für Insekten und Vögel. / © Foto: Bauwens / Max Kissler
Begrünte Fassaden und Dächer gelten mittlerweile als wirksame Mittel gegen urbane Überhitzung. Sie reduzieren die Umgebungstemperatur, filtern Schadstoffe aus der Luft und verbessern das Mikroklima, besonders in stark verdichteten Quartieren wie in Friedrichshain-Kreuzberg. Doch damit Gebäudebegrünung nicht nur punktuell, sondern flächendeckend wirkt, braucht es klare Strategien, technische Standards und langfristige Pflegekonzepte.
Auch öffentliche Räume spielen eine zentrale Rolle. Breitere Baumscheiben, bepflanzte Mittelstreifen oder mobile Grüninseln verbessern das Stadtklima messbar. Berlin-Mitte etwa plant 7.200 neue „grüne Gullys“, die Regenwasser besser versickern lassen sollen. Diese Maßnahmen zeigen: Selbst kleine Eingriffe können große Wirkung entfalten, wenn sie konsequent umgesetzt werden.
2. Hitzeschutz auf dem Spielfeld: Wie Sonnensegel und Solarpanele Sportplätze klimaresilient machen können

KI-Vision oder reine Utopie? Deutschlands Sportstätten brauchen vor allem in den Sommermonaten mehr Schatten – zukunftsorientierte Konzepte dafür fehlen bislang. / © Foto: Wikimedia Commons, ENTWICKLUNGSSTADT / Collage mit KI erstellt
Immer heißere Sommer machen klassische Sportplätze zunehmend unbespielbar – besonders für Kinder und Jugendliche. Dabei bieten moderne Sonnensegel und Solarpanele eine doppelte Lösung: Sie spenden dringend benötigten Schatten und erzeugen gleichzeitig erneuerbare Energie für die Anlage.
In Berlin zeigt der Jahnsportpark bereits, wie klimafreundliche Sportinfrastruktur aussehen kann. Damit solche Beispiele zur Regel werden, müssen Städte und Kommunen ihre Sportstätten konsequent auf Hitzeschutz und Nachhaltigkeit ausrichten – mit innovativer Technik und klarer Priorität für die Gesundheit der Sporttreibenden.
3. Wie Moos die Stadt rettet: Klimaanpassung made in Brandenburg

Mit intelligenter Begrünung und innovativer Technologie will Green City Solutions urbane Räume klimaresilient gestalten – ein Gespräch über die Stadt von morgen, mit Peter Sänger, CEO und Co-Founder von Green City Solutions. / © Foto: Green City Solutions
Moos eignet sich besonders gut als klimaangepasste Maßnahme gegen Hitze in Großstädten, da es Feuchtigkeit speichert, Schadstoffe filtert und die Umgebungstemperatur spürbar senkt. Das Brandenburger Unternehmen Green City Solutions nutzt diesen Effekt gezielt.
Es kombiniert Moose mit sensorgesteuerter Technologie, um sogenannte „CityTrees“ zu entwickeln – lebende Luftfilter, die Feinstaub binden und Hitzestress im Stadtraum reduzieren. So entsteht eine Verbindung aus Natur und Innovation, die Städte widerstandsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels macht.
4. Die Hauptstadt lebt vom Grundwasser: Trockenheit und Hitze in Berlin

Aufgrund der zunehmenden Trockenheit und Hitze muss die Hauptstadt langsam über Maßnahmen zum Wassersparen nachdenken. / © Foto: Pixabay
Die anhaltende Trockenheit stellt Berlin vor große Herausforderungen. Weil die Regenmengen deutlich unter dem langjährigen Mittel liegen, sinkt der Grundwasserspiegel – mit Folgen für Versorgung, Landwirtschaft und Stadtgrün. Um gegenzusteuern, setzt die Stadt auf Flächenentsiegelung und Rückhaltebecken, die Regenwasser vor Ort speichern und versickern lassen sollen. So bleibt das Wasser länger in der Stadt und entlastet die Kanalisation.
Gleichzeitig entwickelt ein Verbundprojekt mit der HTW Berlin digitale Entscheidungshilfen für den Umgang mit Niedrigwasser und Trockenperioden. Ziel ist eine App, die Wetterdaten und Bodenfeuchte analysiert und Empfehlungen gibt. Der Berliner Senat ruft zudem immer wieder zum Wassersparen auf, etwa durch kürzere Duschzeiten und eine sparsame Gartenbewässerung. Langfristig wird auch die Entsalzung von Ostseewasser diskutiert.
5. Ökologische Aufwertung der zweier Seen als Reaktion auf langjährige Belastungen und klimatische Veränderungen

Zur Verbesserung des ökologischen Zustands wird der Entenpfuhl derzeit im Saugspülverfahren entschlammt. Dabei werden die Sedimente vom Grund abgesaugt, entwässert und anschließend abtransportiert. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
Im Volkspark Rehberge in Berlin-Wedding werden derzeit der Entenpfuhl und der Sperlingsee ökologisch revitalisiert. Mit der Entschlammung der stark belasteten Gewässer reagiert das Bezirksamt Mitte auf die Folgen des Klimawandels und langjährige Umweltbelastungen.
Ziel ist es, die Seen als Lebensräume für Pflanzen und Tiere zu sichern und gleichzeitig ihre Klimafunktion im urbanen Raum zu stärken. Die Maßnahme verbindet Naturschutz mit Klimaanpassung und verbessert damit langfristig die ökologische Qualität des Parks.
6. Gebäudebegrünung als wirksames Instrument der städtischen Klimaanpassung

Mit überarbeiteten Fördersätzen setzt das Land Berlin neue Anreize für Dach- und Fassadenbegrünung. / © Foto: depositphotos.com / guteksk7
Angesichts zunehmender Hitzebelastung und immer häufigerer Starkregenereignisse gewinnt die Gebäudebegrünung als Maßnahme zur Klimaanpassung an Bedeutung. Berlin reagiert darauf mit dem Förderprogramm GründachPLUS, das gezielt Dach- und Fassadenbegrünungen unterstützt.
Die begrünten Flächen wirken temperaturausgleichend, speichern Regenwasser und entlasten damit die Kanalisation. Gleichzeitig verbessern sie die Luftqualität und schaffen neue Lebensräume für Insekten und Vögel. Mit den erhöhten Fördersätzen will die Stadt einen Anreiz setzen, um sowohl im Bestand als auch im Neubau klimaresiliente Architektur zu fördern.
7. Nachträgliche Begrünung und Wasser: Zwei neue Brunnen für das Humboldt Forum

Auf dem Schlossplatz vor dem Humboldt Forum sollen in den kommenden Jahren mehrere Baumgruppen und ein neuer Brunnen realisiert werden. Zudem soll die bestehende Straße zur Fußgängerzone umgewidmet werden. Es ist nur eines von drei Projekten, die mehr Grün rund um das rekonstruierte Stadtschloss bringen sollen. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
Der südliche Schlossplatz am Humboldt Forum soll in den kommenden Jahren gezielt klimagerecht umgestaltet werden. Wo heute große versiegelte Flächen Hitze speichern, sollen künftig Bäume, Grünflächen und neue Brunnen für Abkühlung und Aufenthaltsqualität sorgen. Die geplanten Maßnahmen reagieren auf die stadtklimatischen Herausforderungen in Berlin-Mitte und verbinden Denkmalschutz mit zeitgemäßer Klimaanpassung.
Insbesondere die nachträgliche Begrünung schafft neue Lebensräume, verbessert das Mikroklima und trägt dazu bei, die Hitzeentwicklung rund um den monumentalen Baukomplex zu mindern.
8. Städtische Straßen neu gedacht: Das „Manifest der freien Straßen“

Die Umgestaltung des Straßenraums soll nicht nur Wege verkürzen, sondern Städte krisenfester machen. Das „Manifest“ liefert dazu konkrete Vorschläge für Politik und Beteiligung. / © Visualisierung: paper planes e.V. / Manifest der freien Straße
Das „Manifest der freien Straßen“ wirft einen radikal neuen Blick auf die Nutzung des öffentlichen Raums. Statt von parkenden Autos dominiert zu werden, sollen Straßen künftig Raum für gemeinschaftliches Leben, alternative Mobilität und lokale Produktion bieten.
Die Initiatorinnen und Initiatoren schlagen vor, private Pkw-Nutzung deutlich zu reduzieren und den gewonnenen Platz für nachhaltige, sozial gerechte und klimaresiliente Stadtstrukturen zu nutzen. Damit rückt das „Manifest“ die Straße als sozialen und ökologischen Raum ins Zentrum der urbanen Transformation.
9. Klimagerechte Umgestaltung des Lausitzer Platzes: Mehr Grün, weniger Versiegelung und neue Aufenthaltsqualität

Nach einem Konzept des Büros WES LandschaftsArchitektur soll der Lausitzer Platz in Berlin-Kreuzberg umgestaltet werden. / © Visualisierung: WES GmbH
Der Lausitzer Platz in Berlin-Kreuzberg wird seit 2025 umfassend umgestaltet, mit dem Ziel, einen klimaresilienten und sozial nutzbaren Stadtraum zu schaffen. Nach einem intensiven Beteiligungsprozess und einem europaweiten Wettbewerb setzte sich das Büro WES LandschaftsArchitekten mit einem Entwurf durch, der großzügige Grünflächen, Spielflächen und neue Aufenthaltsbereiche vorsieht.
Versiegelte Flächen sollen aufgebrochen, neue Bepflanzung integriert und bestehende Bäume erhalten werden. Damit reagiert der Bezirk nicht nur auf den Wunsch nach mehr Lebensqualität im Kiez, sondern auch auf die stadtklimatischen Herausforderungen der kommenden Jahre.
10. Wie Lüftungssysteme dabei helfen können, Lebensqualität und Baukultur zu vereinen

Wie wohnt Berlin in Zukunft – und wie bleibt dabei die Luft rein, die wir täglich atmen? In einer Stadt, die sich ständig verdichtet und in der energetisches Sanieren zum Standard wird, spielt eine Sache eine immer größere Rolle: gute, saubere und gesunde Raumluft. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
In Zeiten steigender Temperaturen, dichter Bebauung und energetischer Sanierung rückt ein oft unterschätzter Aspekt der Stadtentwicklung in den Fokus: die Qualität der Raumluft. Denn wo Fenster aus Lärmschutz- oder Energiegründen geschlossen bleiben, braucht es technische Lösungen, die dennoch für Frischluft sorgen.
Moderne Lüftungssysteme wie die des Berliner Unternehmens LUNOS verbinden Energieeffizienz mit Wohnkomfort – dezentral, leise und platzsparend. Damit tragen sie nicht nur zur Einhaltung von Klimazielen bei, sondern auch zur Gesundheit der Stadtbewohnerinnen und -bewohner.
Innenverdichtung klimaresilient gestalten: Wie städtebauliche Dichte und Hitzeschutz zusammengedacht werden können
Die Innenverdichtung ist in der Stadtentwicklung eine zentrale Strategie, um Zersiedelung zu vermeiden und den begrenzten Boden effizient zu nutzen. Ziel ist es, auf vorhandenen Flächen mehr Raum für Wohnen und Arbeiten zu schaffen, ohne dabei die klimatischen Belastungen weiter zu verschärfen. Umso entscheidender ist es, Klimaanpassung von Beginn an in Konzepte der Nachverdichtung zu integrieren.
Zahlreiche Beispiele zeigen, dass städtebauliche Dichte und wirksamer Hitzeschutz kein Widerspruch sein müssen. Vielmehr lassen sich beide Ziele durch vorausschauende Planung, klare Leitlinien und gezielte Maßnahmen miteinander verbinden. Werden jedoch klimaangepasste Elemente vernachlässigt, drohen negative Folgen: versiegelte Innenhöfe, mangelnde Luftzirkulation und eine eingeschränkte Versickerung von Regenwasser können die Belastungen durch Hitze und Starkregen zusätzlich verschärfen.
Quellen: Bundesamt für Umwelt, LUNOS Lüftungstechnik, Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, architektur-online, Emschergenossenschaft / Lippeverband, berlin.de, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, Klimawissen e.V., klimareporter, Bauwens, Matzen Immobilien KG
Es braucht ein schnelles Programm, mit dem in jeder Straße beidseitig alle 50 Meter Straßenbäume gepflanzt werden. Fangen wor an mit der Kreuzung Unter den Linden/ Friedrichstr. Da fehlen seit dem U-Bahn-Bau immer noch die gefällten Bäume. Schon da war und ist Berlin zu langsam.