Die äußere Hülle des Humboldt Forums ist nahezu fertiggestellt – doch inhaltlich und städtebaulich bleibt der Ort ein Diskussionsherd. Zwischen geplanten Bauprojekten, Denkmalstreit und neuen Ideen wird die historische Mitte Berlins weiter umgestaltet.

Mit der Installation der Balustradenfiguren scheint die Schlossfassade des Humboldt Forums vollendet – doch rund um den Bau tobt die Debatte über seine Zukunft. Neue Projekte, alte Baustellen und kontroverse Visionen halten das Berliner Zentrum in Bewegung. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
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Mit der Aufstellung von 19 Balustradenfiguren an Nord- und Südfassade steht die bauliche Rekonstruktion des Berliner Schlosses, heute Sitz des Humboldt Forums, offiziell kurz vor Fertigstellung. Wie die Stiftung Humboldt Forum vor wenigen Tagen mitteilte, markiert die Installation das Ende der Maßnahmen an der historischen Schlossfassade.
Laut Generalintendant Hartmut Dorgerloh wird es weder im Innenraum noch im direkten Umfeld weitere Rekonstruktionen geben. Diese Entscheidung habe der Stiftungsrat bereits getroffen. Die Arbeiten an den Balustradenfiguren sollen bis Ende Juni 2025 vollständig abgeschlossen sein.
Barocke Gestaltungsideen und ihre historische Weiterentwicklung im 19. Jahrhundert
Die neuen Skulpturen sind über drei Meter hoch und greifen gestalterisch auf Entwürfe des Barock-Architekten Andreas Schlüter zurück. Dessen Konzepte sahen ursprünglich eine rhythmische Abfolge aus Figuren, Vasen und Trophäen vor. Teile dieser Gestaltung wurden jedoch nie vollständig umgesetzt.
Im 19. Jahrhundert erhielten die Skulpturen eine neue Bedeutung. Sie symbolisierten menschliche Tätigkeiten wie Handel, Bergbau oder Kunst. Einige Darstellungen zeigten sogar Gesichter der preußischen Herrscherfamilie, ein ungewöhnlicher Schritt in der Gestaltung von Residenzfassaden.
Am Humboldt Forum ist nichts fertig – mehrere Bauprojekte sind in Planung
Doch wer glaubt, rund um das Humboldt Forum wäre die bauliche Entwicklung nun abgeschlossen, der irrt. Gleich mehrere Bauvorhaben werden rund um den riesigen Kulturbau vorbereitet oder bereits umgesetzt.
So werden in den kommenden Jahren gleich zwei neue, großformatige Ufergestaltungen umgesetzt. Auf der Ostseite des Kulturbaus läuft bereits seit Dezember 2024 der Umbau der „Rathausforum“ genannten Freifläche zwischen Alexanderplatz, Spree, Marienkirche und Rotem Rathaus. Teil des Projekts wird eine Neugestaltung des Uferbereichs gegenüber der modern gestalteten Fassade des Humboldt Forums sein.
Zwei Uferprojekte werden in den kommenden Jahren am Humboldt Forum umgesetzt
Ein weiteres Thema war in den vergangenen Jahren der geplante Bau einer Freitreppe, der auf der Westseite des Humboldt Forums, direkt neben dem Einheitsdenkmal, entstehen soll. Die lange angekündigten (und immer wieder verschobenen) Bauarbeiten für die Freitreppe in Berlins historischer Mitte sollen nun im Spätsommer 2025 beginnen. Nach Angaben von Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) sei Bewegung in das Projekt gekommen; der Baubeginn sei noch für dieses Jahr vorgesehen.
Als Bauherr fungiert im Auftrag der Senatsverwaltung die DSK Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft. Laut Gaebler sei die Ausführungsplanung abgeschlossen, derzeit werde die Vergabe der Bauleistungen vorbereitet. Sichtbare Bautätigkeiten seien ab dem dritten Quartal zu erwarten.
Im Süden des Humboldt Forums sollen mehr Bäume und ein neuer Brunnen entstehen
Am südlichen Rand des Humboldt Forums, auf dem Schlossplatz, soll ebenfalls nochmal gebaut werden: ein neuer, moderner Brunnen soll dort errichtet werden. Ziel ist es, die derzeit vollständig versiegelte Fläche, die vor allem in den Sommermonaten große Hitze erzeugt, baulich weiterzuentwickeln.
Neben dem Neubau eines Brunnens sollen auch zusätzliche Bepflanzungen entstehen, um den Platz attraktiver zu machen und die Aufenthaltsqualität zu steigern. Geplant ist eine Begrünung des Platzes mit Baumgruppen und Pflanzbereichen, die Schatten spenden und die Biodiversität fördern sollen.
Sitzgelegenheiten sollen zudem die Aufenthaltsqualität für die Besucher und Passanten erhöhen. Am Standort des historischen Neptunbrunnens soll die oben erwähnte neue Brunnenanlage entstehen, für deren Gestaltung ein Wettbewerb angestrebt wird.
Der Bau des Einheitsdenkmals bleibt das Problemkind in Berlins historischer Mitte
Der Bau des Einheitsdenkmals, auch „Einheitswippe“ genannt, ist hingegen steckengeblieben – und wann es weitergehen soll, ist derzeit fraglich. Der Sockel für den halbrunden Aufbau ist fertiggestellt, nun müssten „nur“ noch die Stahlelemente montiert und miteinander verbunden werden.
Die Ursachen für die jahrelangen Verzögerungen sind vielfältig. Ursprünglich war die Einweihung des Denkmals für 2013 geplant, später für 2019. Doch Genehmigungsprobleme, technische Uneinigkeiten und zuletzt die Insolvenz zweier beteiligter Firmen bremsten das Projekt immer weiter aus.
Neben dem Stahlbauunternehmen meldete auch das verantwortliche Planungsbüro Milla & Partner im Jahr 2024 Insolvenz an. Beide Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Solange die rechtliche und finanzielle Lage ungeklärt bleibt, kann der Bau nicht fortgesetzt werden.
Wirtschaftsprüfung soll Ursachen der Verzögerung und Mehrkosten klären
Das Bundeskanzleramt, das für das Projekt zuständig ist, hat auf die anhaltenden Schwierigkeiten reagiert. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer erklärte kürzlich gegenüber der BZ, dass das Denkmal nun endlich realisiert werden müsse. Um die Hintergründe der Verzögerungen aufzuarbeiten, wurde ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen eingeschaltet.
Die Hanseatische Prüfungs- und Beratungsgesellschaft (HPB) untersucht derzeit, wie es zu den Kostensteigerungen und Terminüberschreitungen kam. Ziel ist es, Klarheit über die wirtschaftlichen Abläufe und eine mögliche Fortführung zu gewinnen. Der Ausgang des Verfahrens und ein möglicher Fertigstellungstermin ist derzeit offen – anvisiert wird derzeit das Jahr 2026, aber sicher ist das nicht.
Für die Zukunft des Humboldt Forums gibt es die unterschiedlichsten Ideen
Obwohl Generalintendant Dorgerloh angekündigt hatte, dass weitere Bautätigkeiten am Humboldt Forum nicht geplant sind, gibt es dennoch weitere Initiativen, die die Weiterentwicklung oder Neukonzeption des Kulturbaus fordern – mit gänzlich anderen Zielsetzungen.
So forderte Architekt und Kunsthistoriker Nikolas Bernau vor wenigen Tagen in einem Kommentar im Tagesspiegel, dass auch das einstige Haupttreppenhaus rekonstruiert werden sollte. Bis zu seiner Sprengung im Jahr 1950 bildete dieses Treppenhaus den Höhepunkt eines nördlich der Alpen einzigartigen barocken Raumkunstwerks – bestehend aus Schlossplatz, Schlossfassaden, Durchfahrten und dem prachtvollen Schlüterhof, argumentiert Bernau.
Architekt und Kunsthistoriker Nikolas Bernau fordert den Wiederaufbau von Schlüters Haupttreppenhaus
Die Menschen stiegen – teils sogar zu Pferd – die Stufen hinauf in die Paradekammern, deren Glanz nicht der Architektur, sondern der unvergleichlichen Ausstattung Schlüters zu verdanken gewesen sei, der dieses Treppenhaus entworfen hatte.
So heißt es in Bernaus Kommentar wörtlich: „Methodisch wäre der Abschluss mit dem Nachbau des Schlüter-Treppenhauses sinnvoll. Erst damit würde diese große barocke Architektur-Oper ihr hohes C erhalten.“
Einen gänzlich anderen Ansatz verfolgt die Initiative „Schlossaneignung“. So sollen nach Wunsch dieser Initiative auf den rekonstruierten Fassaden des heutigen Humboldt Forums historische Spuren des Ortes sichtbar gemacht werden. Dies begründet die Gruppe mit einem ausführlichen Statement.
Initiative „Schlossaneignung“: Humboldt Forum „verdrängt die komplexe Geschichte des Ortes“
„Das vor vier Jahren eröffnete Humboldt Forum präsentiert sich in der Hülle des Schlosses des preußischen Königtums beziehungsweise des Deutschen Kaiserreichs. Als idealisierte Deckerinnerung verdrängt es die komplexe Geschichte des Ortes im 19. und 20. Jahrhundert: Imperialismus und Unterdrückung der Minderheiten, die Revolution von 1918, die Zeit der Weimarer Republik, des Zweiten Weltkriegs, der Deutschen Teilung und der DDR, aber auch der friedlichen Wiedervereinigung und der kulturellen Aneignung des Palastes der Republik.“
Die vielschichtige Geschichte des Ortes werde durch das heutige Bauwerk nicht ausreichend gewürdigt, so die Kritik der Gruppe. Diese fordert nun „die mit dem Nachbau der Berliner Schlossfassaden erfolgte Preußenverherrlichung aufzubrechen, die Fassaden des Humboldtforums weiterzuentwickeln und für andere Perspektiven auf die deutsche Geschichte zu öffnen.“
Das Humboldt Forum bewegt Berliner, Gäste und Touristen in besonderem Maße
Beide Vorstöße zeigen deutlich, dass das Humboldt Forum auch heute noch, rund vier Jahre nach seiner Eröffnung, polarisiert und bewegt. Sowohl Befürworter und Gegner – und die vielen Menschen, die zwischen diesen extremen Positionen stehen – arbeiten sich am Monumentalbau ab, und kommen immer wieder mit neuen Ideen, wie das Humboldt Forum weiterentwickelt werden könnte.
Einer Kulturinstitution wie dem Humboldt Forum, die ganz bewusst zu gesellschaftlichen Debatten anregen möchte, könnte wohl schlimmeres widerfahren. Man kann jedenfalls nicht behaupten, dass das Gebäude den Berlinerinnen und Berlinern egal wäre – ganz im Gegenteil.
Quellen: Der Tagesspiegel, Stiftung Humboldt Forum, Tagesschau, rbb, Förderverein Berliner Schloss, Hanseatische Prüfungs- und Beratungsgesellschaft (HPB), Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen