Das Berliner Transformatorenwerk TRO in Oberschöneweide reflektiert die industrielle Entwicklung Berlins und den gesellschaftlichen Wandel durch das 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Aus dem einstmals bedeutenden Industriestandort ist heute ein Ort für Kultur und Dienstleistungen geworden.
© Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN
ENTWICKLUNGSSTADT Reihe: Industriekultur in Schöneweide & Köpenick
Teil 2 – Das Transformatorenwerk Oberschöneweide (TRO)
von Wolfgang Leffler
Bewegt man sich vom S-Bahnhof Schöneweide in nördlicher Richtung über die Michael-Brückner-Straße zur Treskowbrücke und weiter zur Ecke Wilhelminenhof-/Ecke Edisonstraße, erreicht man nach gut einer Viertelstunde und etwa 1,2 Kilometer Fußweg die ehemaligen Hallen des einstigen TRO, dem Transformatorenwerk Berlin-Oberschöneweide.
Schon von der linken Seite der Treskowbrücke aus, mit dem herrlichen Blick über die an dieser Stelle besonders breite und eindrucksvolle Spree, erblickt man an den mit gelben Klinkern verkleideten Hallenaußenwänden die in roten Großbuchstaben angebrachten Firmeninitialen AEG, einem der Pioniere der Elektroindustrie zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Die Wilhelminenhofstraße: Ein bedeutender Standort der AEG
Und ist man an der Ecke Wilhelminenhof-/Ecke Edisonstraße angelangt, sollte man sich der Tatsache bewusst werden, sich somit an der neuralgischsten Straßenkreuzung des größten zusammenhängenden Industriedenkmals von Europa zu befinden.
Denkmal? Wieso und warum, wird man sich fragen, aber die Antwort ist relativ simpel, hatte aber für die bis 1991 dort Beschäftigten sehr krasse Einschnitte in ihren Lebensläufen zur Folge. Denn der Fall des Eisernen Vorhangs und das damit eingeleitete Ende der DDR brachen auch diesem ehemaligen größten Industriestandort Ost-Berlins das Genick.
Die historische Deutsche NILES Werkzeugmaschinen AG
Doch beginnen wir ganz vorn in der Geschichte. Im Zuge der Expansionspolitik der AEG, aber auch vor dem Hintergrund sich bildender Interessengemeinschaften, kaufte die AEG die seit 1920 leerstehenden Fabrikgebäude. Vorheriger Betreiber dieser Fabrik war die Deutsche NILES Werkzeugmaschinen AG, die im Jahr 1899 in der Wilhelminenhofstraße ein Produktions- und Verwaltungsgebäude mit integrierter Montagehalle nach Plänen des Baumeisters Paul Tropp errichten ließ. Produziert wurden Werkzeugmaschinen, Pressluftwerkzeuge, hydraulische Pressen und Maschinen für Eisen- und Metallgießereien. Im Ersten Weltkrieg wurden Granaten für das Militär hergestellt.
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurden keine Granaten mehr gebraucht, sodass die NILES AG die leerstehenden Gebäude an die AEG verkaufte. Die AEG verlagerte damit die Transformatorenproduktion aus der Hochspannungsfabrik im Berliner Wedding nach Oberschöneweide.
Die Transformation durch die AEG im Berlin der 1920er Jahre
Der Grundstein für die AEG-Transformatorenfabrik war somit gelegt, sodass bereits ab 1921 in der Wilhelminenhofstraße die Produktion von Transformatoren aufgenommen werden konnte. In erstaunlich kurzer Zeit wurde die AEG im Segment der Großtransformatoren zum Weltmarktführer. Die Werksanlagen wurden im Zuge der weltweit ansteigenden Transformatoren-Nachfrage in mehreren Stufen ausgebaut.
So wurde Mitte der 1920er Jahre die bereits 1915/16 durch die NILES AG errichtete Montagehalle um eine weitere neue Montagehalle entlang der Edisonstraße – nach einem Entwurf vom Architekten Ernst Ziesel – erweitert.
Produktion von Großtransformatoren: AEG als Weltmarktführer
Damit schuf man die Voraussetzungen, dass ab sofort Großtransformatoren produziert werden konnten, die weltweit tonangebend waren. Bereits 1927 konnte in diesen Hallen der weltweit größte Einphasen-Transformator hergestellt werden.
Möglich war das natürlich nur durch eine neuartige Sachlichkeit in der Industriebauweise. Das Gebäude wurde als Stahlrahmenkonstruktion ausgeführt, wobei die Seitenflächen nahezu vollständig in Glasflächen ausgeführt und mit einem umlaufenden Wandstreifen versehen waren, der mit gelben Klinkern verkleidet wurde.
Transformatorenwerk Oberschöneweide: Erweiterungen und neue Baupläne bis Ende der 1930er Jahre
Nach Plänen des Architekten Paul Sellmann wurde diese Montagehalle bis Ende der 1930er Jahre in Richtung Spree um weitere kleinere Hallen und Werkstattbauten erweitert. Um den hohen Strombedarf der energieintensiven Produktion abzudecken, bekam die Transformatorenfabrik bereits in den Jahren 1926 – 1928 ein eigenes Kraftwerk, das als Heizkraftwerk zur Stromerzeugung und zur Wärmeversorgung der Fabrik diente.
Als Heizmedium zur Befeuerung des Heizkessels diente Braunkohlenstaub, ein auch heute immer noch bei Energieproduzenten eingesetzter Energielieferant. Architekten dieses Heizkraftwerkes waren die bekannten Kraftwerksplaner Walter Klingenberg und Werner Issel, die den kubischen Baukörper mit klar getrennten Funktionsbereichen entwarfen.
Das Heizkraftwerk des „TRO“: Ein architektonisches Meisterwerk
Das Kesselhaus ist noch heute geprägt durch eine streng gegliederte Fassade mit Pfeilervorlagen und hochrechteckigen Fensterbahnen. Zur Spreeseite hin präsentiert sich die Gebäudefront monumental mit einem markanten Treppenhaus an der linken Seite. Markant erscheint auch das hinter dem Kesselhaus und zur Spree hin angelegte Maschinenhaus mit einer dreigeteilten verglasten Front, also einer Industriearchitektur mit sehr viel Transparenz. Neben dem Maschinenhaus erfuhr das Fabrikgelände auch zusätzliche Erweiterungen durch das Transformatoren- und Niederspannungsschalthaus.
Zusätzliche Neuerungen wurden Ende der 1930er und Anfang der 1940er Jahre vorgenommen, als am Hallenblock der alten Montage- und Maschinenhalle nach einem Entwurf von Architekt Paul Sellmann ein schlichtes dreistöckiges Verwaltungs- und Sozialgebäude als Kopfbau errichtet wurde. Ein weiteres, im Jahr 1926 direkt an der Spree errichtetes Gebäude, wurde 1939 erweitert.
Militärische Nutzung des Transformatorenwerks im Zweiten Weltkrieg
Ähnlich wie im Ersten Weltkrieg, wo an diesem Standort Kriegsmaterialien produziert wurden, diente auch das Transformatorenwerk im Zweiten Weltkrieg diesen Zwecken. Hier wurden hauptsächlich Scheinwerfer für die Flugabwehr und Munitionshülsen hergestellt. Während des Zweiten Weltkrieges beschäftigte das Transformatorenwerk über 1.000 Zwangsarbeiter, das machte immerhin 38 Prozent der gesamten Belegschaft aus.
Mit zirka 1.400 Arbeitern, Angestellten und Ingenieuren wurde die Produktion von Transformatoren und Hochspannungsgeräten nach dem Krieg wieder aufgenommen; allerdings wurden die Eigentümeranteile in sowjetisches Eigentum überführt. Ab 1949 wurde der VEB Transformatorenwerk Oberschöneweide gegründet, ein Volkseigener Betrieb also, der mit insgesamt 3.060 Beschäftigten, den „Trojanern“, dem Kombinat Elektromaschinenbau zugeordnet wird.
Nachkriegszeit und Wiederaufbau als VEB Transformatorenwerk
Die Entwicklung ging weiter und 1950 war das TRO der Hauptlieferant der Energiewirtschaft der DDR. Darüber hinaus stellte man auch Basiselemente für die Energieversorgung Griechenlands, Syriens, Ägyptens, Bulgariens und der Tschechoslowakei her.
Ab 1962 wurde die Produktion von Konsumgütern aufgenommen, und als Jugendprojekt war die Herstellung eines Rasenmähers namens „TROLLI“ in aller Munde. Bis 1989 beschäftigte das Transformatorenwerk in Oberschöneweide gut 4.000 Mitarbeiter in vier Betriebsteilen.
Industriestandort Schöneweide: Wiedervereinigung und Rückkehr der AEG
Nach dem Zusammenbruch der DDR und der danach vollzogenen Wende bezog die AEG zunächst wieder ihren alten Standort und erwarb das ehemalige volkseigene Transformatorenwerk in Oberschöneweide mit den Produktgruppen Transformatoren, Stufenschalter und Schaltgeräten allgemein.
1994 erfolgte dann eine grundlegende Renovierung des gesamten Fabrikgeländes und die Inbetriebnahme eines hochmodernen „Transformatoren-Prüffeldes“.
Krise und Niedergang in den 1990er Jahren, Neuanfang als Kultur- und Technologiezentrum
Als allerdings im Jahr 1995 der Schalterbau-Markt in Osteuropa zusammenbrach, wurde die sich anschließende Absatzkrise für die AEG mehr als bedrohlich. Diese Absatzkrise leitete schließlich den Niedergang ein und führte 1996 zum Beschluss zur Auflösung des Unternehmens AEG TRO.
Der Privatinvestor Peter Barg erwarb 1997 das TRO-Gelände und gründete das „Kultur- und Technologiezentrum Rathenau“. Im Jahr 2006 meldete der Investor Barg allerdings Insolvenz an und es folgte der Weiterverkauf an die irische Investorengruppe Toruro.
Das TRO-Gelände heute: Ein Zentrum der Kunst und Kultur
Das Gelände wurde daraufhin zur Spree geöffnet. Heute findet sich auf dem Gelände eine Mischung aus produzierendem Gewerbe, Handwerk und Dienstleistung. Die Rathenau-Hallen stehen zur Vermietung. Im Atelierhaus 79 und anderen Gebäuden mieten Künstler Ateliers an.
Auch die Karl Hofer Gesellschaft der Universität der Künste unterhält eine Etage mit Ateliers für ihre Stipendiaten. Wo einst Transformatoren für weltweit benötigte Energiesysteme mit enormer Wertschöpfung für die nationale Ökonomie hergestellt wurden, befindet sich heute Europas größtes Industriemuseum.
Weitere Bilder zum Thema findet Ihr hier:
Newsletter
Abo-Modell
Neue Artikel
9. November 2024