Zwischen Denkmal und Zukunft: das ICC steht mit seinem Konzeptverfahren vor einer entscheidenden Weichenstellung für das einstige Kongresszentrum. Nach einem Jahrzehnt des Stillstands sucht der Berliner Senat starke Partner für die Revitalisierung des Komplexes, die eine der spannendsten Immobilienentwicklungen Europas werden könnte.

Das ICC bietet mit rund 200.000 Quadratmetern Fläche eine einmalige Chance für innovative Nutzungskonzepte. Der Berliner Senat wirbt weltweit um finanzstarke Projektpartner. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

© Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN
Text: Björn Leffler

 

Bevor es richtig spannend wurde am Montagnachmittag, hatte eine ausgewählte Schar von Fotografen und Pressevertretern die Möglichkeit, das mittlerweile denkmalgeschützte ICC persönlich in Augenschein zu nehmen. So konnte man sich auch persönlich davon überzeugen, wie weitläufig und vielfältig die Flächen sind, die im seit rund zehn Jahren leerstehenden, ehemaligen Kongresszentrum zur Verfügung stehen.

Rund 200.000 Quadratmeter sind es, die im riesigen ICC am Messegelände mit neuem Leben gefüllt werden sollen. Vor einigen Wochen hatte Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey das Vorhaben schon auf der Immobilienmesse EXPO Real in München vorgestellt, nun erfolgte der offizielle Startschuss für das internationale Konzeptverfahren.

Konzeptverfahren für das ICC: Auftakt-Pressekonferenz am Montagnachmittag

Stilecht wurde die Pressekonferenz natürlich im Gebäude selbst abgehalten, eingerahmt von einer bemerkenswerten Architektur, die zwischen Flughafen, Star-Wars-Kulisse und Pop Art der 1970er Jahre mäandert. Und damit bot das ICC die perfekte Kulisse für das, was der Berliner Senat der internationalen Architektenschaft zu verkünden hatte.

Das Internationale Congress Centrum Berlin, kurz ICC, war bis zu seiner Schließung im Jahr 2014 eines der größten Kongresshäuser der Welt. Das 313 Meter lange, 89 Meter breite und fast 40 Meter hohe Gebäude wurde nach Plänen der Berliner Architekten Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte erbaut und nach vier Jahren Bauzeit am 2. April 1979 eröffnet.

Mit fast einer Milliarde Mark Baukosten zählte es zu den teuersten Bauwerken des damaligen West-Berlin. Unzählige Messen, Tagungen sowie auch Konzerte und Fernsehshows wurden im ICC durchgeführt.

Charlottenburg: Großes Medieninteresse zum Auftakt des Ideenwettbewerbs

Nun soll also endlich, nach langen Jahren der Diskussion und vielen aufgerufenen und wieder verworfenen Ideen, die mit Spannung erwartete Revitalisierung des Gebäudes in Angriff genommen werden. Das Medieninteresse war entsprechend groß, nicht nur bei nationalen Zeitungen und TV-Sendern.

Dass es der Berliner Senat mit dem Konzeptverfahren für das Berliner ICC wirklich ernst meint, sollte vermutlich das prominent besetzte Podium verdeutlichen, an dem neben Franziska Giffey auch Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt und der CEO der Messe Berlin, Mario Tobias, Platz nahmen.

Ex-Wirtschaftssenator Stephan Schwarz wird künftig als ICC-Botschafter arbeiten

Giffeys Vorgänger, Stephan Schwarz, war ebenfalls zugegen. Er hatte die Modernisierung des ICC während seiner Amtszeit vorangetrieben und ist nun als „ICC-Botschafter“ tätig. Schwarz war es auch, der verhinderte, dass aus dem denkmalgeschützten Gebäudekomplex ein schnödes Rechenzentrum wird, denn auch solche Vorschläge wurden in den vergangenen Jahren an den Berliner Senat herangetragen.

Dr. Matthias Hardinghaus, Geschäftsführer der Berliner Immobilienmanagement GmbH, hatte die Pressevertreter vor der Pressekonferenz durch das Gebäude geführt und nahm ebenfalls am offiziellen Teil des Nachmittags teil. Immerhin hat seine Gesellschaft den sogenannten „Stillstandsbetrieb“ des riesigen Komplexes zu verantworten.

ICC-Wettbewerb: „Inspire Berlin, inspire the World“

Dem nun startenden Konzeptverfahren hat der Berliner Senat das Motto „Inspire Berlin, inspire the World“ gegeben – auf der Suche nach inspirierenden, begeisternden und vor allem auch tragfähigen Nutzungskonzepten für das ICC.

Giffey hatte schon in München betont, dass beim nun startenden Konzeptverfahren ausdrücklich private Investoren gesucht werden, die eine sinnvolle Nutzung für das langgezogene Gebäude finden sollen. Damit ist auch klar, dass der Berliner Senat selbst die finanziellen Mittel zur Sanierung nicht aufbringen wird, sondern darauf hofft, durch den Zuschuss privater Mittel eine Wiedereröffnung des Gebäudes zu erreichen.

Den anwesenden Pressevertretern diktierte Franziska Giffey in die Notizblöcke, dass mit dem heutigen Tag – dem offiziellen Start des weltweit ausgelobten Konzeptverfahrens – endlich der Startschuss für ein viele Jahre vorbereiteten Neubeginn für das ICC erfolgen soll.

Giffey: „Glücksfall“, dass das ICC in seiner Gesamtheit noch erhalten ist

Giffey bezeichnete es als, so wörtlich, „Glücksfall„, dass das ICC, anders als der in ähnlicher Formsprache realisierte Palast der Republik in Ost-Berlin, der mittlerweile für das barocke Humboldt Forum weichen musste, noch erhalten geblieben ist.

Denn immerhin war das ICC Ende der 1970er Jahre als architektonisches Gegenstück zum Palast der Republik konzipiert worden, und so glichen sich beide Gebäude als starke Vertreter der sogenannten „High-Tech-Architektur“, die weltweit zum Ausklang der 1970er Jahre ihren Höhepunkt erlebte.

ICC Berlin: Senat vergibt Grundstück als Erbbaurecht für 99 Jahre

Giffey betonte in ihrem Redebeitrag noch einmal, dass das Grundstück und die dazugehörige Immobilie keinesfalls zum Verkauf stünden, sondern dass der Berliner Senat ein 99-jähriges Erbbaurecht vergeben möchte, so dass das Land Berlin in jedem Fall Eigentümer des Komplexes bleiben wird.

Der angestrebte Zeitplan beinhaltet das Ziel, das gesamte Verfahren innerhalb der derzeit laufenden Legislaturperiode abzuschließen. Das heißt, dass der Teilnahmewettbewerb – die erste von drei Phasen des Konzeptverfahrens – bis März 2025 abgeschlossen werden soll.

Bis Sommer 2026 soll eine Entscheidung über künftige Nutzung gefallen sein

Von April 2025 bis Februar 2026 soll eine ausgedehnte Dialogphase erfolgen, in der ausgewählte Konzepte mit den Projektverantwortlichen, den entsprechenden Unternehmen und der Jury diskutiert werden sollen. Anschließend will der Berliner Senat die Unternehmen auffordern, ein entsprechendes Angebot abzugeben. Bis Juni 2026 sollen die Angebote geprüft werden und schließlich der Zuschlag erfolgen.

Matthias Hardinghaus betonte bewusst, dass es bislang keine Vorgaben für eine zukünftige Nutzung des Gebäudes gebe. Denn der Berliner Senat will bewusst keine „Denkverbote“ für die teilnehmenden Büros und Unternehmen vorgeben. Das bedeutet auch, dass im ICC zukünftig sehr vieles denkbar ist.

Petra Kahlfeldt: ICC ist „Meilenstein der Weltarchitektur“

Senatsbaudirektorin Kahlfeldt zeigte sich betont optimistisch, dass ein tragfähiges Nutzungskonzept für das mehr als 300 Meter lange ICC im Zuge des Verfahrens gefunden werden kann, denn das Haus musste und muss sich aus ihrer Sicht „im internationalen Vergleich in keinster Weise verstecken“.

Kahlfeldt nannte das ICC gar einen „Meilenstein der Weltarchitektur“, weshalb das „Gesamtkunstwerk“ seit 2019 unter Denkmalschutz steht. Trotzdem betonte Kahlfeldt die Notwendigkeit, ein auf Dauer ausgelegtes Nutzungskonzept für das Gebäude zu finden.

Der Denkmalschutz macht strenge Vorgaben für ICC-Konzeptverfahren

So wird mit Spannung zu erwarten sein, ob die Bedenken des Denkmalschutzes im Zuge des Verfahrens mit den Ideen möglicher zukünftiger Investoren kollidieren werden. Denn darum wird es letztlich gehen. Trotz aller morbiden Schönheit des Gebäudes ist eine umfassende Modernisierung und auch eine strukturelle und technische Weiterentwicklung unumgänglich.

Die privaten Investoren sollen vor allem damit gelockt werden, dass es rund um das denkmalgeschützte Gebäude zwei zusätzliche Flächen lokalisiert wurden, die nicht unter den Denkmalschutz fallen und dadurch attraktive Neubauflächen darstellen sollen.

Zwei Flächen südlich und nördlich des Gebäudes sollen Spielraum für Investoren ermöglichen

Diese Flächen sind einerseits das Parkhaus am südlichen Ende des ICC und der nördlich des ICC liegende Parkplatz, der auf der anderen Seite des Messedamms liegt und über eine Unterführung erreichbar ist. Kahlfeldt betonte dabei, dass auf der Fläche des Parkplatzes durchaus ein Hochhausprojekt mit einer maximalen Höhe von rund 80 Metern denkbar wäre – aber die Sichtachse zum benachbarten Funkturm müssten schließlich berücksichtigt werden.

Die Gebäudehöhe für das neue Bauwerk, welches das südlich angrenzende Parkhaus ersetzen könnte, ist aus Sicht Kahlfeldts und des Berliner Baukollegiums, dessen Vertreterin Kahlfeldt in diesem Projekt ist, mit der Höhe des ICC begrenzt. Heißt also: Spielraum für ein zweites Hochhaus auf der Fläche des heutigen, nicht denkmalgeschützten Parkhauses sieht das Baukollegium nicht. Der Neubau wird wohl direkt an das ICC-Gebäude anschließen und dürfe dieses aus Sicht des Baukollegiums nicht überragen.

Stephan Schwarz zeigt sich zuversichtlich, dass spannende Konzepte für das ICC eingereicht werden

Der neue ICC-Botschafter Stephan Schwarz soll nun auch international Werbung machen für das Projekt, wobei ihm helfen soll, dass er sowohl englisch als auch französisch sehr gut beherrscht.

Schwarz zeigte sich äußerst zuversichtlich, dass es für das ICC spannende und inspirierende Vorschläge geben werde und merkte an, dass allein die große Resonanz auf die Pressekonferenz ein Fingerzeig sei. Eine so gut besuchte Pressekonferenz habe er während seiner Amtszeit jedenfalls nicht erlebt, gab Schwarz launig zu Protokoll.

Unter den anwesenden Pressevertretern brandete mehrfach Applaus auf, denn der Senat hat, gut sichtbar, einiges an Arbeit in das nun beginnende Konzeptverfahren gesteckt. Das Projekt hat nicht nur eine eigene Website, auch ein zugehöriger Image-Film und ein ausführliches, zweisprachiges Magazin wurden produziert.

Der Schwung des Auftakts muss auf das Konzeptverfahren übertragen werden

Giffey betonte, dass es nicht einfach war, eine hochkarätige Jury für das Vorhaben zusammenzustellen, da viele (auch internationale) Kollegen, die dafür angesprochen wurden, einen Sitz in der Jury dankend ablehnten – da sie selbst am Wettbewerb teilnehmen wollten. Giffey nannte diesbezüglich natürlich keine Namen, wertete dies jedoch als gutes Omen für das ICC-Konzeptverfahren.

Nach zehn Jahren des nur punktuell unterbrochenen Leerstands und vielen Anlaufversuchen könnte im Zuge des Verfahrens endlich ein tragfähiges Nutzungskonzept für das riesige Gebäude gefunden werden. Dafür dürfen die Projektverantwortlichen den Schwung, mit dem sie heute das Konzeptverfahren eröffnet haben genauso wenig verlieren wie ihren Optimismus.

 

Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier: 

Vom High-Tech-Glanz der 70er Jahre zum Zentrum moderner Visionen – das Konzeptverfahren des Berliner ICC öffnet neue Türen für Investoren und Kreative. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

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Großes nationales und internationales Interesse gab es für die Auftakt-Pressekonferenz zum Start des Konzeptverfahrens, die im Innern des ICC abgehalten wurde. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

 

Quellen: Berliner Immobilienmanagement GmbH, EXPO Real Estate, Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, Messe Berlin, Berliner Baukollegium, Messe Berlin, BIM, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen

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2 Comments

  1. Marcel S. 26. November 2024 at 08:20 - Reply

    Die Hütte ist der Inbegriff von nicht nachhaltiger Architektur. Der Energieverbrauch solcher Gebäude ist immens und sobald man da auch nur ein Loch in eine Wand macht, ist man mit einem Berg an Auflagen konfrontiert, allein schon wegen der ganzen asbesthaltigen Materialien. Gleichzeitig wird der Denkmalschutz jede Möglichkeit nehmen großartige Umbauten durchzuführen. Welcher Investor soll so verrückt sein freiwillig sein Geld dort zu verbrennen.
    Wäre das Teil ein altes Kreuzfahrtschiff man würde es einfach nach Indien verfrachten und dort abwracken lassen. Denn abreißen wäre hier viel zu teuer.
    So bleibt eigentlich nur ein sinnvoller Nutzen man lässt es als Mahnmal bestehen. Ansonsten ist es als Filmkulisse nicht schlecht.

  2. a. tirpitz 26. November 2024 at 12:04 - Reply

    Diesen „architektonischen Schmutzfänger“, wie ihn rbb24 erst im vergangenen April treffend bezeichnet hat, wird keiner investorentechnisch auch nur mit der Kohlenzange anfassen.
    Erich’s Lampenladen, der ähnlich verseucht war, ist längst schon Geschichte…Was denkt man denn bei diesem perversen Walfisch von Baukunstkotzbrocken denn noch nach?

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