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Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 1: Oskar Kaufmann

Mit dem Namen Oskar Kaufmann verbindet man heute vor allem den Bau zahlreicher, traditioneller Theater- und Opernhäuser. In Berlin war er unter anderem für die Errichtung der Volksbühne sowie der Komödie am Kurfürstendamm, den Umbau der Kroll-Oper oder den Bau des Hebbeltheaters verantwortlich. Viele seiner Werke haben die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs überstanden und können bis heute besucht werden.

Oskar Kaufmanns wohl bekanntestes Werk: Der Umbau der Kroll-Oper im Berliner Tiergarten. Das Foto stammt aus dem Jahre 1930.

© Sämtliche Fotos: Wikipedia / Creative Commons
Text: Björn Leffler

Oskar Kaufmann

Geboren 1873 in Neu St. Ann – Gestorben 1956 in Budapest

Herkunft: Geburt in Österreich-Ungarn

Oskar Kaufmann, geboren 1873 in Neu St. Ann (im damaligen Österreich-Ungarn), war Sohn einer wohlhabenden, jüdischen Familie, die im ungarischen Teil des multikulturell geprägten Großreichs lebte. Nach dem Abitur studierte Kaufmann Architektur in Budapest, war jedoch seit seiner Jugend auch der Klavier- und Gesangskunst sehr zugetan und nahm auch selbst Klavierunterricht.

1895 verließ er Ungarn in Richtung Karlsruhe, um dort sein Architekturstudium an der Technischen Hochschule fortzusetzen. In Karlsruhe verdiente sich Kaufmann seinen Lebensunterhalt mit dem Klavierspiel und kam in Kontakt mit zahlreichen Persönlichkeiten aus dem Kreis der Oper und des Theaters, unter anderem mit dem Musikdirektor der Karlsruher Hofoper, Felix Mottl. Diese Kontakte waren womöglich maßgeblich für sein späteres Werk, welches sich vor allem durch die Planung und Realisierung von Opernhäusern, Theatern und Kinos auszeichnet.

In Karlsruhe hatte Kaufmann auch seine spätere Frau, Emma Gönner, Tochter des damaligen Bürgermeisters von Baden-Baden, Rudolf Gönner, kennengelernt. Um Emma Gönner heiraten zu können, konvertierte Kaufmann vor der Hochzeit auf Wunsch seines Schwiegervaters zum Christentum.

Oskar Kaufmanns Wirken in Berlin

Ab 1901 begann Kaufmann in Berlin als Architekt zu arbeiten, anfangs im Büro des bekannten Theaterarchitekten Bernhard Sehring. Im Anschluss an seine Tätigkeit bei Sehring gründete Kaufmann schließlich sein eigenes Architekturbüro, das sich bis 1908 in der Luitpoldstraße in Schöneberg, dann in der Neuen Ansbacher Straße in Charlottenburg befand. Zwischen 1905 und 1907 war Kaufmanns Büro an kleineren Projekten beteiligt, wie etwa einem Geschäftshaus in der Kreuzberger Ritterstraße, welches jedoch im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört wurde.

Sein erstes Theaterprojekt konnte Kaufmann dann in Berlin-Kreuzberg umsetzen. Mit der Fertigstellung und Eröffnung des Hebbel-Theaters im Jahr 1908 wurde Kaufmann dann auch öffentlich und über die Grenzen Berlins hinaus bekannt und war in der Folge auch an der Errichtung weiterer Theater- und Opernhäuser außerhalb Berlins beteiligt, wie beispielsweise am Bau des Wiener Stadttheaters im Wiener achten Bezirk.

Der Schwerpunkt von Kaufmanns Arbeit lag jedoch weiterhin in Berlin, wo er weitere Bühnenhäuser entwarf und diese auch bauen durfte. So entstand bis 1914 die Volksbühne, die noch heute am Rosa-Luxemburg-Platz steht, allerdings in stark veränderter Form. Im Jahr zuvor hatte er am Nollendorfplatz zudem das deutschlandweit erste Gebäude entworfen, welches ausschließlich als Kino genutzt wurde.

Ab 1916 wurde der Architekt Eugen Stolzer gleichberechtigter Partner im Büro Kaufmanns. Viele der anschließend entstandenen Werke haben die beiden Partner gemeinsam realisiert. Kaufmann hatte Glück, dass er nicht zum Ersten Weltkrieg eingezogen wurde, wobei ihm seine österreichisch-ungarische Staatsbürgerschaft half.

Auch während des Krieges und der sich anschließenden 1920er Jahre realisierte Kaufmann in Berlin noch zahlreiche Gebäude, wobei der Fokus weiterhin auf dem Bau von Opern- und Theaterhäusern lag. So ist Kaufmann für den Umbau der traditionsreichen Kroll-Oper, die Errichtung des Bühnenhauses am Kurfürstendamm (Komödie am Kurfürstendamm und Theater am Kurfürstendamm) sowie den Bau des Renaissance-Theaters an der Knesebeckstraße verantwortlich. Eine beeindruckende Bilanz.

Darüber hinaus entwarf Kaufmann mehrere Villen und Stadthäuser im Berliner Südwesten und war dort auch als Innenarchitekt tätig. Viele dieser Häuser haben den Weltkrieg unbeschadet überstanden und können bis heute begutachtet werden. Die Kroll-Oper hingegen wurde im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs zerstört und deren Reste 1957 letztlich vollständig abgeräumt. Das Theaterhaus am Kurfürstendamm wurde 2018 für die Realisierung eines Neubaus abgerissen, trotz zahlreicher Proteste von Anwohnern und Kulturschaffenden.

Der Umbau der Kroll-Oper, an deren Umsetzung Kaufmann fast ein ganzes Jahrzehnt gearbeitet hatte, war das letzte große Bauwerk, welches er in Berlin realisieren konnte.

Nach der Machtergreifung: Flucht ins Exil, Rückkehr und Deportation

Kaufmann hatte, wie viele seiner Berufsgenossen auch, mit den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu kämpfen, die mit dem Ende der 1920er Jahre einsetzte. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 ging sein Partner Eugen Stolze im Mai desselben Jahres ins Exil nach Palästina, Kaufmann folgte ihm im September nach.

Die Wahl fiel auch deswegen auf Palästina, weil das Habimah-Ensemble aus Moskau, das sich 1932 fest in Tel Aviv niedergelassen hatte, dort ein neues Theater bauen wollte. Kaufmann, der mit seiner Familie im Herbst 1933 in Palästina ankam, realisierte das Projekt und in der Folge noch einige weitere. Ab 1937 führte die schlechte wirtschaftliche Lage in Palästina aber dazu, dass Kaufmann kaum noch Aufträge erhielt.

Dies bewegte Kaufmann dazu, 1939 nach Europa zurückzukehren. Sein Ziel – Großbritannien – erreicht er jedoch nicht, da die Einreisebestimmungen des Königreichs so restriktiv waren, dass er zuerst nach Rumänien und später nach Ungarn ausweichen musste. So gelangte Kaufmann schließlich doch noch in die Fänge der Nationalsozialisten. Seine Frau verstarb bereits 1942, während Kaufmann noch verzweifelt versuchte, sich vor den drohenden Deportationen zu retten.

Er selbst wurde dann im Mai 1944 deportiert, überlebte die Gefangenschaft aber mit viel Glück. Nach dem Krieg und in den darauffolgenden Jahren war Oskar Kaufmann jedoch ohne Einkommen und weitgehend mittellos, so dass er auf die Unterstützung von Freunden angewiesen war, bis er ab 1948 vom ungarischen Staat eine staatliche Rente erhielt.

Ab 1949 konnte Kaufmann, der sich nun in Budapest niedergelassen hatte, auch wieder arbeiten und realisierte unter anderem den Umbau des Erkel-Theaters. Die Fertigstellung seines letzten Auftrags, des Neubaus des Madách-Theaters, erlebte Kaufmann dann nicht mehr. Mit 79 Jahren verstarb er 1956 in Budapest.

 

Quellen: Gesellschaft zur Erforschung des Lebens und Wirkens deutschsprachiger jüdischer Architekten, Jüdische Allgemeine, ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN, Jüdisches Museum Berlin, Wikipedia

Weitere Bilder zum Thema findet Ihr hier: 

Ein Bild der Volksbühne am heutigen Rosa-Luxemburg-Platz aus dem Jahr 1930.

Das noch heute erhaltene Renaissance-Theater an der Knesebeckstraße.

Das heutige Hebbel-Theater in Berlin-Kreuzberg am Halleschen Ufer.

Ein Blick in den Innenraum des Theaters am Kurfürstendamm, welches 2018 abgerissen wurde, um einem Neubau zu weichen.

 

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