Wenn Architektur grün wird, entsteht Lebensqualität – auf dem Papier und in der Wirklichkeit. Doch Stadtbegrünung ist nicht einfach „grün schmückendes Beiwerk“, sondern komplexe Aufgabe zwischen Technik, Baukultur und sozialem Bedarf. Angesichts von Hitzewellen, Starkregen und Artenverlust hat sich die Stadtbegrünung längst zur Pflichtübung der Architektur entwickelt.

Begrünung von Gebäuden muss nicht nur auf Neubauten begrenzt sein, doch wie gelingt Gebäudebegrünung im Bestand – trotz baulicher, rechtlicher und energetischer Hürden? Das Thema hat in der modernen Stadtentwicklung längst eine hohe Relevanz entwickelt. / © Foto: Bundesverband GebäudeGrün e.V.
© Foto Titelbild: Bauwens / Max Kissler
Angesichts zunehmender Hitzebelastung, wachsender Versiegelung und sinkender Biodiversität wird die Begrünung urbaner Räume zur drängenden städtebaulichen Aufgabe für viele Stadtplanerinnen und Stadtplaner. Städte wie Berlin, Hamburg oder München suchen nach Wegen, natürliche Elemente wieder stärker in das dichte Gefüge der Metropole zu integrieren – sei es an Fassaden, auf Dächern oder im öffentlichen Raum.
Doch die Umsetzung stößt auf bauliche, finanzielle und organisatorische Hürden, die zeigen, wie komplex das Thema in der Praxis ist. In dicht besiedelten Quartieren wie etwa im Berlinre Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg spielen begrünte Fassaden eine immer wichtigere Rolle. Sie senken die Umgebungstemperatur, binden Feinstaub und reduzieren die Lärmbelastung – positive Nebeneffekte, die weit über das Visuelle hinausgehen.
Gleichzeitig ist die Umsetzung technisch anspruchsvoll: Der Erhalt der Gebäudesubstanz, geeignete Pflanzenwahl und Bewässerungssysteme müssen aufeinander abgestimmt sein. In Berlin unterstützen Bezirksprogramme die Begrünung von Innenhöfen und Wänden mit kleinen Förderbeträgen – der Erfolg bleibt jedoch begrenzt, solange keine übergreifenden Strategien existieren.
Urbane Dachbegrünung in deutschen Metropolregionen: Aufwand und Nutzen stehen im fragilen Verhältnis
Dachgärten und extensive Begrünungen sind heute in Neubauten vielerorts Standard – vor allem, wenn sie durch Bebauungspläne oder Förderprogramme verpflichtend werden. Grüne Dächer wirken temperaturausgleichend, nehmen Regenwasser auf und schaffen kleine Biotope für Insekten und Vögel.
Doch auch hier stehen Aufwand und Nutzen in einem fragilen Verhältnis: Begrünte Dächer benötigen Pflege, technische Wartung und langfristige Finanzierung. Ohne entsprechendes Monitoring droht aus dem begrünten Versprechen eine ungepflegte Brache zu werden. Hier lauern Kosten, die viele Kommunen häufig noch scheuen.
Auch Straßenräume und öffentliche Gebiete werden längst neu gedacht – und grüner gestaltet
Neben Gebäuden wird aber auch die Gestaltung öffentlicher Räume neu gedacht. Breitere Baumscheiben, bepflanzte Mittelstreifen und mobile Grüninseln in Nebenstraßen gehören inzwischen zum Instrumentarium städtischer Klimaanpassung. So wurde es in Berlin etwa in der Ruhlsdorfer Straße in Friedrichshain-Kreuzberg umgesetzt.
Auch in Berlin-Mitte geht man mittlerweile ähnliche Wege: Um mit den Auswirkungen von Starkregenereignissen zukünftig effektiver umzugehen und um die lokale Wasserversorgung zu verbessern, will der Bezirk spezielle Sickergruben um geeignete Gullys errichten. Insgesamt 7.200 „grüne Gullys“ sollen so entstehen. Rund 14.000 Parkplätze im gesamten Bezirk könnten dadurch allerdings wegfallen.
Messbare Effekte: Begrünte Straßenräume sorgen für kühlere Umgebungstemperaturen
Der Effekt ist messbar: Begrünte Straßenräume sorgen für kühlere Umgebungstemperaturen, fördern Biodiversität und erhöhen die Aufenthaltsqualität. Doch vielerorts fehlen Fläche, Budget oder politischer Wille – dabei sind es gerade die kleinen Maßnahmen, die im Alltag wirken.
Die Umsetzung grüner Architektur scheitert daher nicht selten an strukturellen Hürden: Bauvorschriften, Eigentumsverhältnisse und unklare Zuständigkeiten verzögern oder verhindern lange geplante oder gut durchdachte Begrünungsprojekte. Die nötigen Fördermittel sind begrenzt, und der Aufwand für Pflege und Wartung schreckt viele Träger ab.
Berlin: Nur 10.000 Euro Fördergelder pro Bezirk für private Begrünungsprojekte
In Berlin etwa stellt ein Bezirk jährlich 10.000 Euro zur Verfügung, um private Begrünungsprojekte in Innenhöfen zu fördern – angesichts des Bedarfs erscheint diese Summe jedoch eher symbolisch. Es fehlt an einer verbindlichen Rahmensetzung, die Begrünung zur Regelform macht.
Wer Stadtgrün stärken will, muss also klare Prioritäten setzen. Dies beginnt bei verpflichtenden Begrünungskonzepten für Neubauten, reicht über gestalterisch integrierte Regenwasserbewirtschaftung bis hin zu regelmäßiger Pflege durch kommunale Grünflächenämter.
Einige private Investoren machen es derweil schon vor, wie etwa beim Gewerbeprojekt „AERA“ in Berlin-Charlottenburg zu sehen ist: Das kaskadenartige Bürogebäude mit Platz für bis zu 1.000 zukünftige Arbeitsplätze soll nach den Wünschen der Projektbeteiligten Modellcharakter für die “Büroimmobilie von morgen” haben.
Mierendorffinsel: Bauvorhaben „AERA“ enthält einen 2.200 Quadratmeter großen Dachgarten
Dabei ist nicht die schlanke, langgezogene Form des Gebäudes aufsehenerregend, sondern vor allem die Gestaltung des Dachgartens. Dieser erstreckt sich über insgesamt 2.200 Quadratmeter und bietet eine Art grüne Oase über den Dächern der Stadt.
Mit über 25 verschiedenen Pflanzenarten und Bäumen, die bis zu 12 Meter hoch werden sollen, bindet er jährlich etwa fünf Tonnen CO2, wie Bauwens stolz verkündet. Der Garten soll nicht nur als Rückzugs- und Erholungsraum für die Mieterinnen und Mieter dienen, sondern das Projekt „AERA“ auch zu einem Vorzeigeprojekt für nachhaltige Stadtentwicklung machen.
Hamburg: Klimaorientierter Umbau des denkmalgeschützten Flakbunkers in St. Pauli
Auch in Hamburg wurde ein aufsehenerregendes, ähnlich gelagertes Bauvorhaben umgesetzt. Im Jahr 2017 begann die umfassende Umgestaltung des denkmalgeschützten Flakbunkers im Stadtteil St. Pauli. Ziel war es, den Bunker um fünf pyramidenartige Geschosse aufzustocken und ihn durch eine Begrünung in ein nachhaltiges Zentrum für Kultur, Natur und Gemeinschaft zu verwandeln.
Mit einem Investitionsvolumen von rund 60 Millionen Euro wurde das Projekt von der Matzen Immobilien KG und Partnern umgesetzt. Das Herzstück des neuen Bunkers ist der öffentlich zugängliche Dachgarten, der sich über 10.000 Quadratmeter erstreckt.
Ein „Bergpfad“ schlängelt sich spiralförmig um die Fassade des Gebäudes und führt Besucherinnen und Besucher zur höchsten öffentlich zugänglichen Grünfläche Hamburgs. Dort soll sie nicht nur eine Naturoase, sondern auch ein atemberaubender Blick auf die Stadt erwarten – von der Elbphilharmonie bis zum Hafen.
Begrünung von Stadtraum: Deutsche Mittel- und Großstädte stehen erst am Anfang der Entwicklung
Es gibt sie also, die Leuchtturmprojekte. Berlin, Hamburg und andere deutsche Großstädte stehen dennoch erst am Anfang eines tiefgreifenden Umdenkens. Stadtbegrünung ist keine Frage der Optik, sondern des Überlebens urbaner Lebensräume im Klimawandel. Es braucht klare Regeln, stabile Finanzierung und stadtgesellschaftliche Akzeptanz, um aus Vision gebaute Wirklichkeit zu machen. Es ist auch die Aufgabe der Politik, dies den Menschen in den Städten zu vermitteln.
Trotz wachsendem Problembewusstsein fehlt es bislang also vielerorts an kohärenten politischen Rahmenbedingungen für eine systematische Stadtbegrünung, die aber immer wichtiger wird. Damit Stadtgrün mehr ist als punktuelle Initiative, muss es zum selbstverständlichen Bestandteil kommunaler Planung werden.

Sehr viel grüner: Auch das einstige, nun runderneuerte „SONY Center“ am Potsdamer Platz kommt sehr viel klimaorientierter daher – auch wenn die Begrünung hier wohl mehr symbolischen Charakter hat. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Das kaskadenartige Bürogebäude „AERA“ mit Platz für bis zu 1.000 zukünftige Arbeitsplätze soll nach den Wünschen der Projektbeteiligten Modellcharakter für die “Büroimmobilie von morgen” haben. Der riesige Dachgarten erstreckt sich über insgesamt 2.200 Quadratmeter und bietet eine Art grüne Oase über den Dächern der Stadt. / © Foto: Bauwens / Max Kissler

Der legendäre „AquaDom“ bleibt in Erinnerung, doch das Radisson Hotel in Berlin-Mitte setzt mit dem „Living Tree“ auf eine grüne Zukunft. Mit modernster Technik und einem einzigartigen Lichtkonzept entsteht eine völlig neue Art von Hotellobby. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
Quellen: architektur-online, Emschergenossenschaft / Lippeverband, berlin.de, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, Klimawissen e.V., klimareporter, Bauwens, Matzen Immobilien KG