Das Karstadt-Kaufhaus am Hermannplatz war einst das modernste Warenhaus Europas und ein Wahrzeichen der Weimarer Republik. Jahrzehntelang prägte es das Stadtbild an der Grenze von Kreuzberg und Neukölln. Heute steht das Gebäude vor einer ungewissen Zukunft: Die Insolvenz des Immobilienkonzerns Signa hat sämtliche Pläne für einen großangelegten Umbau gestoppt. Doch was bedeutet das für den traditionsreichen Standort?
© Visualisierungen: Signa Real Estate
Als Karstadt am Hermannplatz 1929 seine Türen öffnete, setzte es neue Maßstäbe im Einzelhandel und in der Architektur. Der Entwurf von Philipp Schaefer vereinte Elemente des Expressionismus, der Neugotik und des Art déco. Mit seinen beiden 56 Meter hohen Türmen, einer beleuchteten Fassade und einer direkten U-Bahn-Anbindung galt das sechsgeschossige Gebäude als das modernste Kaufhaus Europas.
Neben der beeindruckenden Gestaltung sorgten technische Innovationen für Aufmerksamkeit: Rolltreppen, 20 Aufzüge und eine direkte Anbindung an die U-Bahn machten das Kaufhaus zu einem Symbol der Modernität. Besonders beliebt war die Dachterrasse mit einem 4.000 Quadratmeter großen Restaurant, das für erschwingliche Preise und eine eindrucksvolle Aussicht bekannt war. Karstadt am Hermannplatz wurde mit der Zeit ein gesellschaftlicher Treffpunkt und eine Sehenswürdigkeit.
Karstadt am Hermannplatz: Krieg und Zerstörung brachten das Ende des Originalbaus
Mit dem Zweiten Weltkrieg endete die Blütezeit des Kaufhauses abrupt. Erste Artillerietreffer der Roten Armee forderten im April 1945 zahlreiche Opfer unter den wartenden Menschen vor dem Gebäude. Wenige Tage später, am 25. April, ließ die SS das Kaufhaus gezielt sprengen – angeblich, um die im Keller gelagerten Lebensmittelvorräte nicht den sowjetischen Truppen zu überlassen.
Von dem einstigen Monument blieb nur ein kleiner Gebäudeteil an der Hasenheide erhalten. Die Ruinen prägten jahrelang das Bild des Hermannplatzes. 1951 eröffnete Karstadt am Hermannplatz erneut – jedoch in stark vereinfachter Form. Der Nachkriegsbau unterschied sich deutlich vom einstigen Prachtbau. Während das Vorkriegsgebäude noch eine Nutzfläche von 72.000 Quadratmetern hatte, wurde der Neubau zunächst auf 5.000 Quadratmeter. beschränkt.
Nach dem Krieg: Wiederaufbau und Wandel des Karstadt-Kaufhauses
Im Laufe der Zeit wurden die Verkaufsflächen kontinuierlich erweitert und die Architektur passte sich dem jeweiligen Zeitgeist an: Betonfassaden in den 1960er-Jahren, eine großflächige Erweiterung mit Parkdecks 1976, schließlich eine Umgestaltung der oberen Etagen um das Jahr 2000. Das Kaufhaus blieb ein wichtiger Handelsstandort, doch sein einstiger Glanz war verblasst.
Heute sind lediglich noch drei Fensterachsen an der Hasenheide mit der originalen Muschelkalkverkleidung erhalten. Sie stehen unter Denkmalschutz und sind eines der letzten sichtbaren Zeugnisse des ursprünglichen Kaufhauspalasts. Das einstige Wahrzeichen wurde im Laufe der Jahrzehnte zu einem funktionalen Kaufhaus ohne architektonische Besonderheiten.
Karstadt-Standort am Hermannplatz: Der umstrittene Wiederaufbau-Plan von Signa
2019 sorgte der damalige Eigentümer, die österreichische Signa Holding, mit ambitionierten Plänen für Aufsehen. Karstadt am Hermannplatz sollte wieder zu einem Wahrzeichen werden. Geplant war eine Rekonstruktion der historischen Fassade samt Türmen, allerdings in modernisierter Form. Die Verkaufsfläche sollte auf 126.000 Quadratmeter erweitert werden, wobei der Einzelhandel zurücktreten sollte und ein Großteil der Fläche für Büros, Wohnungen und Gastronomie vorgesehen war.
Die Pläne stießen jedoch auf gemischte Reaktionen. Während einige den Wiederaufbau als Chance für den Standort sahen, gab es auch starke Kritik. Stadtentwicklungspolitische Initiativen und Anwohnende befürchteten steigende Mieten und eine Verdrängung lokaler Strukturen. Zudem wurde bemängelt, dass die äußere Form des Gebäudes zwar an die Vergangenheit erinnern sollte, die innere Nutzung jedoch nicht mehr der eines Kaufhauses entsprechen würde.
Insolvenz von Signa und Planungsstillstand: Die aktuelle Situation
Dabei sind die ambitionierten Pläne der Signa Holding inzwischen Makulatur. Denn im November 2023 meldete das Unternehmen Insolvenz an – der größte Unternehmensbankrott in der Geschichte Österreichs. Die Warenhauskette Galeria, zu der auch das Kaufhaus am Hermannplatz gehört, wurde im August 2024 an neue Eigentümer verkauft. Das Gebäude selbst aber verbleibt in der Insolvenzmasse, was bedeutet: Die Zukunft des Standorts ist völlig unklar.
Der Berliner Senat stoppte daraufhin sämtliche Bauplanungen. Im Dezember 2023 berichteten wir darüber, dass alle Verfahren vorerst ausgesetzt wurden. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg forderte sogar die Rückgabe der Planungshoheit, um eine alternative Entwicklung des Hermannplatzes zu ermöglichen. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey stellte zudem klar, dass einem insolventen Unternehmen kein Baurecht gewährt werden könne.
Erste Schließungen im Karstadt-Gebäude und soziale Auswirkungen
Während über die langfristige Nutzung noch diskutiert wird, sind erste Veränderungen bereits spürbar. Im Januar 2025 schloss das traditionsreiche Restaurant im Obergeschoss – für viele Stammkundinnen und Stammkunden ein schwerer Verlust. Auch im Untergeschoss gibt es Umstrukturierungen: Der Discounter Lidl zog in eine Fläche des Kaufhauses ein, während andere Händler und gastronomische Angebote vor einer ungewissen Zukunft stehen.
Für viele Anwohnende und langjährige Besucherinnen und Besucher ist das Kaufhaus am Hermannplatz jedoch mehr als ein Einkaufsort, es stellt einen sozialen Treffpunkt dar. Der drohende Verlust dieser Strukturen zeigt, dass es bei der Zukunft des Kaufhauses um weit mehr als nur Immobilienpolitik geht – es geht um den Charakter eines gesamten Stadtviertels und den Verlust eines zentralen Anlaufpunkts für die Nachbarschaft.
Politische Perspektiven und mögliche Zukunftsszenarien: Überführung des Gebäudes in die öffentliche Hand?
Die Insolvenz von Signa hat eine neue stadtpolitische Debatte angestoßen: Sollte das Gebäude in öffentliches Eigentum überführt werden? Diese Forderung wurde zuletzt von der Linken ins Spiel gebracht. Auch eine umfassende städtische Machbarkeitsstudie zur Entwicklung des Hermannplatzes steht zur Diskussion, um alternative Konzepte für den Standort zu prüfen.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hat auf Nachfrage bekräftigt, dass das Land Berlin erst dann Gespräche mit den neuen Eigentümervertretungen führen und mögliche gemeinsame Entwicklungsziele für das Karstadt-Areal am Hermannplatz prüfen will, wenn die Insolvenzverwaltung die Eigentumsfrage geklärt hat.
Ob und wann neue Investoren gefunden werden, bleibt indes offen. Die Herausforderungen sind groß: Die Kombination aus Denkmalschutz, wirtschaftlichen Interessen und sozialen Aspekten macht den Standort am Hermannplatz zu einem der umstrittensten Immobilienprojekte Berlins.
Karstadt am Hermannplatz: Ein Wahrzeichen ohne klare Zukunft?
Das Karstadt-Kaufhaus am Hermannplatz hat eine bewegte Geschichte hinter sich: Von der Ikone der Moderne über die Zerstörung im Krieg bis hin zum schrittweisen Wiederaufbau. Die jüngsten Entwicklungen zeigen, dass das Gebäude bis heute im Mittelpunkt stadtpolitischer Diskussionen steht.
Doch die entscheidende Frage ist nun, wie der Standort sinnvoll weiterentwickelt werden kann – und ob er weiterhin eine zentrale Rolle im Stadtleben Kreuzbergs und Neuköllns spielen kann. Eines aber ist sicher: Die Geschichte des Karstadt am Hermannplatz ist noch lange nicht zu Ende geschrieben.

Das historische Vorbild: Aufnahme des 1945 zerstörten Karstadt-Gebäudes am Hermannplatz aus dem Jahr 1936, als die Nationalsozialisten in Berlin die Olympischen Sommerspiele für ihre Propaganda nutzten. / © Foto: Wikimedia Commons

Technische Innovationen machten das Kaufhaus zum Symbol der Modernität: Rolltreppen, 20 Aufzüge und die direkte U-Bahn-Anbindung sorgten für Aufsehen. Besonders beliebt war die Dachterrasse mit einem 4.000 Quadratmeter großen Restaurant, das mit erschwinglichen Preisen und beeindruckender Aussicht lockte. Karstadt am Hermannplatz wurde so zum gesellschaftlichen Treffpunkt und einer echten Sehenswürdigkeit. / © Foto: Wikimedia Commons
Rat
Quellen: Stadtmuseum Berlin, Der Tagesspiegel, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg
Es würde mich freuen, wenn das Haus wieder in der Architektur von 1929 erstehen würde. Das würde den Platz und die Aufenthaltsqualität verbessern. Leider vernachlässigt der Bezirk den Standort.
Ich fände es auch schön wenn der Entwurf realisiert würde aber die Aufenthaltsqualität hat aus meiner Sicht viel mehr mit dem Straßenverkehr und mit der sozialen Struktur zu tun. Ein schöneres Gebäude allein wird den Platz nicht retten.