Das historische Werkhof-Areal an der Lehrter Straße in Berlin-Moabit erzählt von Berlins architektonischem Wandel: einst Militärbauten aus dem 19. Jahrhundert, heute ein Ort für Gewerbe, Kreativität und Innovation. Vor allem die aus Edelstahl gestaltete Fassade eines Neubaus an der Kruppstraße, welcher zum Gelände gehört, steht in starkem Kontrast zu den Klinkerfassaden der Bestandsbauten.
© Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN
Text: Björn Leffler
Die Lehrter Straße in Berlin-Moabit erzählt eine spannende Geschichte der Architektur des 19. Jahrhunderts. Geprägt von der industriellen und militärischen Entwicklung dieser Epoche, entstand hier ein Ensemble aus Backsteinbauten, das ursprünglich für das preußische Militär konzipiert wurde. Die massiven Gebäude aus rotem Klinker zeugen von der typischen Bauweise der Gründerzeit, bei der Funktionalität und repräsentative Gestaltung miteinander verbunden wurden.
Charakteristisch für die Bauten sind die sorgfältig gegliederten Fassaden, deren Gesimse und Rundbögen die Strenge der militärischen Nutzung durch filigrane Details auflockern. Diese architektonische Handschrift sollte Macht und Stabilität demonstrieren, aber auch die Ästhetik der Industrialisierung widerspiegeln. Noch heute lassen sich viele Gebäude aus dieser Epoche an der Lehrter Straße beobachten.
Lehrter Straße in Berlin-Moabit: Geprägt von der Architektur des 19. Jahrhunderts
Nach dem Ende der ursprünglichen Nutzung im Zweiten Weltkrieg wurden viele dieser Gebäude zweckentfremdet, bis das Areal nach der Wiedervereinigung Berlins eine neue Bestimmung fand. Heute dienen die historischen Bauwerke als Kulisse für kreative Nutzungen und moderne Erweiterungen, die die denkmalgeschützte Substanz behutsam ergänzen. Ein Beispiel für eine solche Umnutzung der historischen Gebäude ist das einstige Werkhofareal.
Seit dem Mauerfall hat sich das Areal schrittweise zu einem Kreativquartier entwickelt, das durch Erweiterungen und Neubauten kontinuierlich ergänzt wurde. Im Zentrum des Areals steht Haus 2, eine ehemalige Uniformschneiderei, die 2009 saniert und erweitert wurde. Heute beherbergt das Gebäude die Büroräume und Studios des Architekturbüros Sauerbruch Hutton. Das Büro hat auch die Revitalisierung und Erweiterung des Areals zu verantworten, die zwischen 1998 und 2017 schrittweise umgesetzt wurde.
Ehemaliger Werkhof an der Lehrter Straße: Symbiose aus Historie und Moderne
Der größte erhaltene Einzelbau des Ensembles verbindet historische Substanz mit moderner Architektur. Die denkmalgeschützte Backsteinfassade wurde behutsam in die Sanierung einbezogen, während der aufgestockte Teil durch Farbe und Material bewusst kontrastiert. Im Inneren entstanden offene und flexible Büroflächen, die trotz ihres zeitgemäßen Designs die industrielle Ästhetik bewahren.
Parallel zur Sanierung von Haus 2 wurde auf dem Dach ein Atelier und eine Wohnung für die Künstlerin Karin Sander geschaffen. Der zweigeschossige Aufbau bietet ein abwechslungsreiches Raumgefüge, das Rückzugsorte und großzügige Atelierbereiche miteinander kombiniert. Diese architektonische Lösung sollte eine harmonische Verbindung zwischen Arbeits- und Lebensraum schaffen.
Modern gestaltete Neubauten für individuelles Wohnen und Arbeiten im Norden des Berliner Hauptbahnhofs
Am Eingang des Areals entstand 2015 mit Haus 9 ein Neubau für eine Baugruppe. Das Gebäude reflektiert die baurechtlichen Möglichkeiten des Grundstücks und nimmt gestalterische Elemente seiner historischen Nachbarn auf, darunter hohe Decken und großzügige Fenster. Die Innenräume variieren von Etage zu Etage und spiegeln die unterschiedlichen Vorstellungen der Baugruppenmitglieder wider, die hier Wohnen und Arbeiten verbinden.
Die jüngste Ergänzung des Areals erfolgte bis 2017 mit dem bemerkenswerten Haus 6, einem Wohn- und Ateliergebäude. Das viergeschossige Gebäude liegt zwischen einem historischen Backsteinbau und einem Sichtbeton-Atelier der Architekten Augustin und Frank, das für die Künstlerin Katharina Grosse entworfen wurde.
Eine Fassade aus Edelstahl dominiert das Werkhof-Areal an der Kruppstraße
Dieses Gebäude soll durch seine Höhe und Dachform zwischen den Nachbargebäuden „vermitteln“, während seine ungewöhnliche Edelstahlfassade die Umgebung ungleichmäßig reflektiert und das Gebäude optisch beinahe auflöst – je nachdem, von wo aus man das Haus sieht oder in welchen Farben die Umgebung erscheint.
Das Werkhofareal zeigt sich heute, rund sechs Jahre nach dem Abschluss der Transformation des Geländes, als lebendiges Stück Stadt, das sich noch immer in einem kontinuierlichen Wandel zu befinden scheint. Mit seinen vielfältigen Nutzungen und seiner architektonischen Entwicklung besitzt das Gelände das Potenzial, auch in Zukunft mit seinen Bewohnern zu wachsen und sich den Anforderungen einer sich wandelnden Stadt anzupassen.
Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier:
Quellen: Sauerbruch Hutton Gesellschaft von Architekten mbH, Deutsches Architektur Forum