Im Lichtenberger Weitlingkiez wollten Bezirkspolitik und Anwohnende den Durchgangsverkehr einschränken und die Aufenthaltsqualität verbessern. Doch die dafür nötige Machbarkeitsstudie fällt dem Sparkurs des Senats zum Opfer.

Weitlingkiez, Berlin-Lichtenberg: Eine geplante Machbarkeitsstudie zur Reduzierung des Durchgangsverkehrs wird aufgrund fehlender Finanzierung vorerst nicht umgesetzt. / © Foto: Wikimedia Commons, Global Fish, CC BY-SA 3.0

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Die Berliner Verkehrspolitik steht erneut in der Kritik, dieses Mal aus dem Bezirk Lichtenberg. Dort sollte im Weitlingkiez geprüft werden, wie sich der Durchgangsverkehr verringern und der öffentliche Raum lebenswerter gestalten lässt. Doch das Vorhaben, das auf eine breite Bürgerinitiative zurückgeht, droht nun zu scheitern. Eine Entscheidung des Senats wirft Fragen zum Umgang mit bezirklichen Initiativen und zur Rolle des Senats bei der Umsetzung der Verkehrswende auf.

Senat verweigert Finanzierung der Machbarkeitsstudie: Weitlingkiez bleibt vorerst verkehrsbelastet

Die Senatsverwaltung für Mobilität hat beschlossen, keine Mittel für eine Machbarkeitsstudie bereitzustellen, die prüfen sollte, wie der Durchgangsverkehr im Quartier reduziert werden kann. Die Studie war zentraler Bestandteil eines Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) aus dem Jahr 2022, der auf einen Einwohnerantrag mit 1.400 Unterschriften zurückging.

Bezirksstadträtin Filiz Keküllüoğlu (Grüne) äußerte sich deutlich kritisch gegenüber dem Vorgehen des Senats. Sie sieht darin eine Missachtung demokratischer Prozesse. Zwar sei eine Verkehrsberuhigung politisch gewünscht und vielfach gefordert, doch ohne die finanziellen Mittel könne der Bezirk dem Willen der Anwohnenden nicht gerecht werden. Dass solche Studien nun pauschal gestrichen würden, erschwere eine differenzierte und fachlich fundierte Verkehrsplanung auf Bezirksebene.

Kiezblocks als verkehrsberuhigende Maßnahme  in Berlin: Politischer Richtungswechsel bremst Projekte aus

Der Rückzug der Senatsverwaltung betrifft nicht nur Lichtenberg. Im gesamten Stadtgebiet wurden die Fördermittel für Kiezblock-Projekte eingestellt. Betroffen sind vor allem Bezirke, die bereits konkrete Planungen begonnen hatten. Als Grund nennt der Senat unter anderem mangelnde Berücksichtigung von Rettungswegen, Lieferverkehren und möglichen Ausweichbewegungen auf angrenzende Straßen.

Gleichzeitig wächst die Kritik an dieser neuen Linie. In Mitte etwa wurde eine geplante Bürgerbeteiligung zur Kiezblock-Entwicklung kurzfristig beendet. Auch der dortige Stadtrat sprach von einem Vertrauensbruch gegenüber Bezirken und Initiativen. Der Konflikt zeigt, dass die Verkehrswende in Berlin längst nicht nur technisch, sondern vor allem politisch umkämpft ist.

Blick nach Barcelona: Superblocks als Vorbilder für Kiezblöcke zur Verkehrsberuhigung in Berlin?

Während Berlin seine Experimente mit verkehrsberuhigten Quartieren ausbremst, verweisen Befürworter auf internationale Vorbilder. In Barcelona entstanden ab 2016 sogenannte Superblocks: Quartiere, in denen Autos nur noch langsam fahren dürfen, Kreuzungen begrünt wurden und Fuß- sowie Radverkehr Vorrang genießen. Die Ergebnisse sind gemischt – Umfragen zeigen hohe Zustimmung im direkten Umfeld, aber auch Kritik von Gewerbetreibenden und Bewohnern benachbarter Hauptstraßen.

Eine solche Strategie fehlt Berlin bislang. Hier existieren zwar über 70 Kiezblock-Initiativen, doch ohne zentrale Koordination bleibt es bei vereinzelten Projekten. Der abrupte Förderstopp lässt erkennen, dass der politische Wille zur Umsetzung auf Landesebene derzeit fehlt – ein Umstand, den nicht nur Umweltverbände als Rückschritt bewerten.

Die Schulwegsicherheit in Lichtenberg ist weiterhin ein großes Thema im Weitlingkiez: Einzelmaßnahme bleibt bestehen

Trotz des Rückzugs beim Kiezblock bleibt ein Teilprojekt im Weitlingkiez bestehen. Zur Verbesserung der Schulwegsicherheit wird ein Abschnitt der Wönnichstraße, direkt vor der Robinson-Grundschule, für den Autoverkehr gesperrt. Kinder sollen sich dort künftig sicherer bewegen können. Die Maßnahme wird vom Bezirksamt vorbereitet, nachdem sie ebenfalls durch einen BVV-Beschluss gefordert wurde.

Diese punktuelle Veränderung kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das übergeordnete Ziel – eine ganzheitliche Verkehrsberuhigung im Quartier – vorerst nicht umgesetzt wird. Ohne Finanzierungsmöglichkeiten fehlen dem Bezirk die Werkzeuge, um den im Einwohnerantrag formulierten Wünschen nachzukommen.

Zwischen Wende und Stillstand: Was bedeutet die Verweigerung der Finanzierung für Berlin?

Der Fall Weitlingkiez wirft eine grundsätzliche Frage auf: Wie kann eine Stadt Verkehrsberuhigung umsetzen, wenn der politische Rückhalt auf Landesebene fehlt? Der Senat betont zwar die Notwendigkeit durchdachter Konzepte, zieht sich aber aus der finanziellen Verantwortung zurück. Bezirke stehen damit unter Druck, denn ohne Studien lassen sich kaum fundierte Maßnahmen entwickeln.

Die Debatte über die Zukunft der Kiezblocks wird in Berlin also weitergehen – zwischen der Forderung nach lebenswerteren Straßen und dem Vorwurf, wichtige Interessen wie Mobilität, Wirtschaft und Notfallversorgung zu vernachlässigen.

Quellen: Bezirksamt Lichtenberg, Tagesspiegel, Kiez Blocks/ Changing Cities e.V.

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