Zwischen Größenwahn und geistiger Avantgarde: Das legendäre Romanische Café war Treffpunkt der kulturellen Elite im „Neuen Westen“. Heute erinnert eine Ausstellung an seine glanzvolle und tragische Geschichte.

Künstler, Rebellen, Denker – das Romanische Café war Bühne und Zufluchtsort zugleich. Eine multimediale Ausstellung erzählt heute seine Geschichte neu. / © Foto: Wikimedia Commons
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Die Stadt und der Bund haben seit dem Fall der Mauer und der folgenden Wiedervereinigung Deutschlands und Berlins viel auf die Beine gestellt, um Berlin als neue Hauptstadt des Landes zu „reparieren“ und neu zu gestalten, um den Anforderungen an die alte und neue Hauptstadt gerecht zu werden. Speziell das Zentrum der ehemaligen Reichshauptstadt war nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs und den vorherigen Bombardements der Alliierten dem Erdboden gleichgemacht.
Viele historische Gebäude waren nicht mehr vorhanden oder nur als Ruinen stehen geblieben, so etwa große Teile der Friedrichstraße mit Hotels, Einkaufspassagen und Revuetheatern, der Potsdamer Platz mit dem Haus Vaterland oder der Ende des 19. Jahrhunderts aufblühende Neue Westen, um das Areal Kurfürstendamm, Tauentzien, Budapester und Joachimsthaler Straße.
Nach dem Zweiten Weltkrieg: Das berühmte Romanische Café am Auguste-Viktoria-Platz war zerstört
Die Bombardierung des Auguste-Viktoria-Platzes am 23. August 1943 – dem heutigen Breitscheidplatz – mit der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und dem Romanischen Haus, in dem sich das berühmte Romanische Café befand, hatte nach Ende des Krieges zur Folge, dass die Gedächtniskirche und das Romanische Haus zerstört waren.
Die Gedächtniskirche ist nie wieder vollständig aufgebaut worden, dient in ihrem jetzigen Zustand als Gotteshaus und Mahnmal zugleich, hält somit die Erinnerungskultur an diese furchtbaren Zerstörungen aufrecht.
Im Jahr 1951 wurden die letzten Ruinenreste des Romanischen Hauses abgerissen
Im Jahr 1951 wurden die letzten Ruinenreste des Romanischen Hauses abgerissen, 1956 wurde die Firma „Romanisches Café“ aus dem Handelsregister gestrichen, und 1959 wurde das Grundstück komplett beräumt. Damit war das Kapitel Romanisches Café ein für alle Mal beendet und eine Berühmtheit der Berliner Kaffeehauskultur endgültig von der Bildfläche verschwunden.
In einer Pressemitteilung der Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Kristin Bauch, vom 22. Dezember 2023, wurde die Berliner Öffentlichkeit davon in Kenntnis gesetzt, dass am 5. und 6. Januar 2024 die Ausstellung zum Romanischen Café eröffnet werden sollte, eine auf einer Fläche von 130 Quadratmetern inszenierte Pop-up-Ausstellung mit Fotos, Texten, Filmausschnitten, Alltagsgegenständen und einer 3D-Simulation.
Heute gibt es im Europa Center eine Ausstellung zur Geschichte des Romanischen Cafés
Die Ausstellung führt in das Berlin der 1920er-Jahre und lässt erahnen, woher der Mythos und der davon abgeleitete Name stammen. Die Innenraumgestaltung des historischen Cafés war angelehnt an eine aufwendig gestaltete „neoromanische Innenarchitektur“, die auf manche Besucher eher dunkel und bedrückend wirkte.
Die Schaufenster der heutigen Ausstellung locken mit einem Charleston-Tanzkursvideo und einem Blick auf die Umgebung der Gedächtniskirche damals und heute. Auf dem ehemaligen Grundstück des Romanischen Hauses erfolgte im November 1963 die Grundsteinlegung für das heutige Europa-Center.
Historischer Rückblick: Die Anfänge des Romanischen Cafés
Begonnen hatte eigentlich alles mit dem Aufschwung des Neuen Berliner Westens Ende des 19. Jahrhunderts, so um die Jahre 1880 bis 1890, dessen Zentrum sich um das Gebiet des Kurfürstendamms, die Joachimstaler, Budapester Straße und den Tauentzien etabliert hatte.
Die Intellektuellen und Künstler verkehrten zuvor im Café des Westens, am Kurfürstendamm, Ecke Joachimsthaler Straße. Nach dem Niedergang dieses Cafés wechselte man dann notgedrungen die Location und wählte das „Romanische Café“ als ihre neue Heimstatt. In der Folgezeit sollte sich dort die „literarische Nachrichtenbörse“ der Reichshauptstadt entwickeln.
Der Name „Romanisches Café“ rührte vom neoromanischen Baustil des Gebäudes her
Der Name „Romanisches Café“ rührte vom neoromanischen Baustil des Gebäudes her, das 1901 errichtet wurde. Der Architekt war Franz Schwechten, der vorher bereits die gegenüberliegende Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche – 1891 bis 1895 auch im neoromanischen Stil – und den Anhalter Bahnhof gebaut hatte.
Im Jahr 1912 sollte Schwechten als Architekt eines am Potsdamer Platz gebauten Geschäftshauses wiederum in Erscheinung treten: mit dem Haus Potsdam, dem späteren berühmten „Haus Vaterland“. Aber bevor die Intellektuellenkreise notgedrungenerweise ins „Romanische Café“ umzogen, ist ein Blick zurück ins ehemalige „Café des Westens“ um die Jahrhundertwende angebracht.
Jahrhundertwende: Aus dem „Café des Westens“ wurde das „Café Größenwahn“
Hier trafen sich die Maler der Secession, die Expressionisten, Dadaisten – die Rebellen also – ebenso Verleger und Galeristen. Auch Max Reinhardt, Marc Chagall und Else Lasker-Schüler waren unter den Gästen, ebenso der damals berühmteste Kritiker seiner Zeit, Alfred Kerr, sowie weitere andere bekannte Persönlichkeiten, die sich als Vordenker eines modernen Zeitalters verstanden.
So wurde aus dem Café des Westens das „Café Größenwahn“. Und diese vielen Gäste, darunter auch nicht wenige mittellose „Künstler“, bevölkerten stundenlang das Café bei einer Tasse Kaffee und hofften darauf, dass ein finanziell besser gestellter Gast die Zeche übernehmen würde.
Der „Neue Westen“: Theater, Varietés, Kabaretts und Revuebühnen prägten das Bild
Dennoch lohnte sich für einige Gäste der Besuch im Café des Westens, denn das Café war ein Fixpunkt in den Irrungen und Wirrungen der damaligen Zeit. Im Areal um den Kurfürstendamm hatten sich im Strudel des aufstrebenden „Neuen Westens“ eine Vielzahl an Theatern, Varietés, Kabaretts und Revuebühnen angesiedelt.
Es ging also in vielerlei Hinsicht – neben dem Selbsterleben – auch darum, gesehen zu werden. Wer etwas werden wollte, in welcher künstlerischen Richtung auch immer, kam hierher und hoffte auf eine entsprechende Protektion von einem, der es schon geschafft hatte. In dem 2024 vom Verlag für Berlin-Brandenburg (vbb) veröffentlichten Buch „Das Romanische Café – im Berlin der 1920er Jahre“ (1) kann man diese „verkörperte Geschichte des zeitgenössischen Berliner Geisteslebens“ detailgetreu nachvollziehen.
Besonderheit einer Zeitepoche: Hyperinflation in der Weimarer Republik
Dies alles geschah in der relativ kurzen Epoche der Weimarer Republik. Der Historiker Sebastian Haffner beschreibt das am Beispiel der Hyperinflation 1923: „Kein Volk der Welt hat etwas erlebt, was dem deutschen ‚1923-Erlebnis‘ entspricht. Den Ersten Weltkrieg haben alle erlebt, die meisten auch Revolutionen, soziale Krisen, Streiks, Vermögensumschichtungen, Geldentwertungen. Aber keines die groteske Übersteigerung von alledem auf einmal, die 1923 in Deutschland stattfand. Keines diesen gigantischen karnevalistischen Totentanz, dieses nicht endende blutig-groteske Saturnalienfest, in dem nicht nur das Geld, in dem alle Werte entwertet wurden.“
Es war diese besondere Mischung, die diese Epoche auszeichnete: auf der einen Seite die Krisenstimmung und andererseits der Mut zum Aufbruch. Dies zeigte sich insbesondere in einer experimentierfreudigen Kunst und Literatur sowie einer ausschweifenden Amüsierlust.
Trotz Krisen und finanzieller Nöte: Ausschweifende Amüsierlust und Aufbruchstimmung
Obwohl die gerade überstandenen negativen Erfahrungen der Hyperinflation noch im Gedächtnis der Menschen hafteten, schenkte man dem Glanz des Neuen eine noch nie dagewesene Aufmerksamkeit, die zwar immer einen bittersüßen Beigeschmack besaß, die man aber akzeptierte in der Hoffnung auf die nächste Sensation.
Das Café des Westens hatte zu seiner Zeit somit die Rolle des gepflegten bürgerlichen Salons übernommen – als öffentlicher, rauer und antibürgerlicher Raum. Von der bürgerlichen Presse wurde die Gästeschar allerdings mit „Sumpf und Gesindel“ tituliert. Ob die bürgerliche Presse mit solchen Verfemungen dem Café des Westens den Garaus gemacht hat, bleibt Spekulation, aber Fakt ist, dass im näheren Umfeld des Cafés der Schwarzmarkt tobte.
1915: Umzug der Berliner Künstlerszene ins Romanische Café
Jedenfalls entschied sich die Künstlerszene im Jahr 1915 für den Umzug ins Romanische Café, angesiedelt im Erdgeschoss des im Jahr 1901 fertiggestellten „Neuen Romanischen Hauses“.
Dort befand sich zuerst die Café-Konditorei „Kaiserhof“, eine Art Filiale des berühmten „Hotels Kaiserhof“.
Das Berliner Adressbuch von 1902 nennt diesen Gastronomiebetrieb bereits „Romanisches Café“ – ein naheliegender Name angesichts der dort – auch im Umfeld – etablierten Architektur.
Zukünftig sollte das „Romanische Café“ für viele der Anlaufpunkt für ihre eigene Entwicklung werden.
Die weitere Geschichte des Romanischen Cafés werden wir in anschließenden Folgen beschreiben – Fortsetzung folgt…
Quellen: Buch „Das Romanische Café im Berlin der 1920er Jahre“ (verlag für berlin-brandenburg), Wikipedia, Berliner Zeitung, Landesdenkmalamt Berlin