Der Fußgängertunnel am ICC, der unter dem Messedamm verläuft, gehört zu den unwirtlichsten Orten im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Was jahrzehntelang verfiel, soll jetzt aber zum Testfall urbaner Neuinterpretation werden. Der Bezirk möchte das Areal für Sportvereine öffnen, der Senat favorisiert eine Lösung, bei der die Unterführung nur an wenigen Tagen im Jahr geöffnet werden soll.

Vom „Tunnel des Grauens“ zum Ort der Begegnung? Der Fußgängertunnel unter dem Messedamm wird nicht stillgelegt, sondern soll in Teilen reaktiviert und kulturell wie sportlich neu belebt werden. / © Foto: Wikimedia Commons

© Visualisierungen: Lindner Planungsbüro, Die Palme, Beyond Future one GmbH
© Fotos: Wikimedia Commons

 

Über die mögliche, zukünftige Gestaltung des ICC in Berlin-Charlottenburg haben wir in der Vergangenheit bereits des Öfteren berichtet. Nachdem die erste Bewerbungsphase im März endete, hat die Senatsverwaltung für Wirtschaft das laufende Konzeptverfahren verlängert. Nun startet eine zweite Einreichrunde, in der Interessierte ihre Teilnahmeanträge bis zum 29. Juli 2025 über die Vergabeplattform des Landes einreichen können.

Begründet wurde die Verlängerung mit der Nachbesserung der Teilnahmekriterien. Die Wirtschaftsverwaltung kündigte neue Eignungskriterien und Mindestanforderungen an. Unter anderem soll die geforderte finanzielle Leistungsfähigkeit angepasst werden – möglicherweise auch, um Bewerbergemeinschaften besser zu ermöglichen. Ein Sprecher der Verwaltung wies jedoch gegenüber dem rbb darauf hin, dass Bewerbungen eingegangen seien.

ICC: Die 1975 eröffnete Unterführung „Passerelle“ ist in miserablem Zustand

Doch auch im Umfeld des riesigen, denkmalgeschützten Kongressgebäudes am Messedamm gibt es Bereiche, die in ihrer derzeitigen Form längst aus der Zeit gefallen scheinen. Einer davon ist die sogenannte „Passerelle“, eine Fußgängerunterführung die in unmittelbarer Nähe zum ICC verläuft.

Die „Passerelle“ liegt unter dem Kreuzungsbereich Messedamm / Neue Kantstraße und hat insgesamt sechs Ausgänge mit zwölf Rolltreppen und zwei Aufzügen. Zusätzlich wurde ein direkter Zugang zum Untergeschoss des ICC erbaut.

Die Unterführung hat eine wichtige Funktion, wird aber baulich vernachlässigt

Beim Bau des Fußgängertunnels, der 1975 fertiggestellt worden ist, wurde auch ein 40 Meter langer U-Bahn-Tunnel der damals geplanten Verlängerung vom U-Bahnhof Uhlandstraße zum U-Bahnhof Theodor-Heuss-Platz gebaut, der heute als Lagerraum dient. Weiterhin ist eine seit Jahren stillgelegte, unterirdische Toiletten-Anlage vorhanden.

Seit vielen Jahren gilt die Unterführung als unwirtlicher Ort, den man nur durchquert, wenn man keine anderen Optionen hat. Für viele Gäste der Hauptstadt – vor allem jene, die am nahegelegenen ZOB ankommen – ist es jedoch häufig das erste, was sie von Berlin sehen. Ein guter erster Eindruck sieht jedoch anders aus.

Aus dem „Unort“ soll ein attraktiver, unterirdischer Stadtraum werden

Eine Gruppe von Berliner Architekten und Raumgestaltern wollte diesen Zustand unlängst verändern und die „Passerelle“ umgestalten. Hinter der Idee standen neben dem Architekten Mario Lindner das Unternehmen Die Palme (mit dem Fokus auf Innen- und Außenbegrünung) sowie die Beyond Future one GmbH (spezialisiert auf Medienproduktion und Raumgestaltung).

Gemeinsam wollten sie aus dem „Unort“ unter dem Messedamm einen attraktiven Aufenthalts- und Durchgangsort schaffen und dem Ort damit neue Dynamik verleihen. Das wäre aus Sicht des Projektteams auch bitter nötig, denn die unterirdische Verbindung zwischen Stadt und Messe sollte eigentlich eine große Strahlkraft ausüben, bietet derzeit aber eher eine Negativwirkung für die Messe Berlin.

Das Gestaltungskonzept der drei Berliner Unternehmen wollte einen stark begrünten Ruhepol unterhalb des Verkehrslärms schaffen. Dabei sollen digitale Elemente wie LED-Bildschirme mit Naturpflanzungen kombiniert werden, um die Aufenthaltsqualität deutlich zu erhöhen.

ICC-Unterführung: Beleuchtung und Begrünung sollten den unwirtlichen Platz deutlich aufwerten

Der aktuelle, öffentliche Schattenraum würde damit durch ein Sicherheitssystem wieder sicher für Passantinnen gemacht und zudem besser vor Vandalismus geschützt werden. Die besondere Ästhetik des Denkmals sollte dabei bewusst aufgegriffen und in die zukünftige Gestaltung eingebunden werden.

Die vorhandene Beleuchtung sollte mit UV-Lichtern sowie einem Luftbefeuchtungssystem ergänzt werden, was auch das Wachsen der geplanten Pflanzen ermöglichen soll. Die Feuchtigkeit im Innenraum soll durch die vorhandene Gebäudelüftung reguliert werden, sodass keinerlei Schäden an der Substanz entstehen können.

Berlins Verkehrsverwaltung möchte die berühmt-berüchtigte Unterführung langfristig erhalten

Der Berliner Senat und der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf jedoch haben diesen kreativen Ansatz nicht weiterverfolgt und haben nun ganz neue Ideen für die Unterführung – wieder einmal. Nach mehreren Kehrtwenden in den vergangenen Jahren kündigte die Berliner Verkehrsverwaltung nun an, die Passage aus den 1970er-Jahren langfristig zu erhalten – allerdings mit eingeschränkter Nutzung.

Künftig soll der Tunnel nur noch bei Großveranstaltungen wie der Grünen Woche, der ITB oder der IFA geöffnet werden. Dies begründete ein Sprecher der Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) mit der verkehrlichen Leistungsfähigkeit der Anlage, wie Der Tagesspiegel berichtet.

Verkehrsknotenpunkt Messedamm: Umbau ohne Termin, sportliche Pläne des Bezirks

Ein dauerhafter Rückbau des Tunnels ist frühestens nach einem grundlegenden Umbau der Kreuzung Messedamm/Masurenallee/Neue Kantstraße möglich, heißt es seitens des Berliner Senats. Derzeit fehlen dort ebenerdige Fußgängerüberwege – ein Erbe der autogerechten Stadtplanung. Zwar wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, doch es existieren weder Zeitplan noch Finanzierung.

Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf verfolgt parallel konkrete Pläne zur Zwischennutzung. Stadtrat Oliver Schruoffeneger (Die Grünen) kündigte an, Fördermittel für ein Sportprojekt im Tunnel zu beantragen. Geplant sind Umkleiden, sanitäre Anlagen und die Reparatur des Fahrstuhls – geschätzte Kosten: drei bis vier Millionen Euro. Durch die regelmäßige Nutzung etwa für Fechten, Tischtennis oder Boxen soll der Ort aufgewertet und soziale Problemlagen entschärft werden.

Messegelände: Seit der ICC-Schließung 2014 ist die Tunnel-Unterführung weitgehend ungenutzt

Seit der ICC-Schließung 2014 ist der Tunnel weitgehend ungenutzt, verwahrlost und wurde mehrfach als Filmkulisse genutzt. Ein geplanter Rückbau scheiterte 2018 am Denkmalschutz, der das ICC samt Unterführung unter Schutz stellte. Das Nutzungskonzept des Bezirks schlug vor, Skater als belebende Akteure zu integrieren – ein Vorschlag, den die Verkehrsverwaltung mit Blick auf mögliche Schäden an der Originalverkleidung ablehnte.

2024 veranstaltete der Bezirk erste kulturelle Events im Tunnel, um dem Ort neues Leben einzuhauchen. Die Diskussion um den Messedammtunnel steht wohl sinnbildlich für den Umgang mit Berlins infrastrukturellem Erbe zwischen Pragmatismus, Denkmalschutz und städtebaulichem Anspruch. Eine wirklich tragfähige Lösung ist am ICC bislang jedenfalls nicht herausgekommen.

 

Ein kreativer Ansatz zur Umgestaltung der ICC-Unterführung, der letztlich nicht weiterverfolgt wurde. / © Visualisierung: Lindner Planungsbüro, Die Palme, Beyond Future one GmbH

Quellen: Lindner Planungsbüro, Die Palme, Beyond Future one GmbH, Der Tagesspiegel, Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe

Tags (Schlagwörter) zu diesem Beitrag

3 Kommentare

  1. Böhme 1. Juni 2025 at 05:57 - Reply

    Der desolate, katastrophale Zustand der Passerelle ist unstreitig und allgemein bekannt. Nur: Bevor man sich der Gestaltung dieser zuwendet, sollte man sich mal eher dem Schicksal der Fußgänger oberhalb der Passerelle widmen. Fußgänger können die Kreuzung oberhalb der Passerelle nicht oberirdisch überschreiten, weil nirgends Überwege mit entsprechenden Fußgängerampeln vorgesehen sind. Gerade auch Touristen stehen hilflos vor der Kreuzung, sie wagen es (verständlicherweise) nicht, sich in den Untergrund zu begeben und suchen verzweifelt, oberirdisch die Kreuzung zu überwinden. Aaba in Balin, ditte braucht allet Zeit! Da muss man, wenn man überhaupt das Problem erkennt, erst mal mindestens zwanzig Jahre planen – um dann zu staunen, dass die vor zwanzig Jahren angesetzten Baukosten nicht mehr auskömmlich sind. Man ist über das Dauerversagen der gesamten Verwaltung in dieser Stadt, aber vor allem auch der Bezirksregierungen und des Senats nur fassungslos!

    • Max 2. Juni 2025 at 13:09 - Reply

      Das wäre ja ein Grund sie offenzulassen und nicht aus Ideenmangel zu schliessen.

  2. Max 1. Juni 2025 at 07:48 - Reply

    Wir müssen so langsam zu der Erkenntnis kommen dass die Berliner Verwaltung mit so ziemlich allem überfordert ist.

    Hier könnte man die Bewirtschaftung einem Wirtschaftsverein übertragen, der die Kontrolle übernimmt. Er muss aber Garantien abgeben dass für Sauberkeit und Sicherheit gesorgt ist. Dann mehrere Läden etablieren, kulturelle Events machenetc. Oder man könnte, wenn man Trends folgt, die grösste Automatenverkaufsstelle Berlins machen, wo man alles rund um die Uhr bekommt. Viele Leute sorgen automatisch für Sicherheit.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..