Illegale Grundrissänderungen im Milieuschutzgebiet? In Berlin kein Einzelfall. Im Samariterviertel hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg nun den Rückbau einer überbelegten Wohnung durchgesetzt. Der Fall verweist auf ein zentrales Instrument der Stadtentwicklungspolitik – den Milieuschutz.

In sozialen Erhaltungsgebieten soll die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung erhalten bleiben. Bauliche oder eigentumsrechtliche Veränderungen sind daher genehmigungspflichtig. Im Samariterviertel veranlasste der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg den Rückbau einer Wohnung, die ohne Genehmigung umgebaut worden war. / © Foto: Wikimedia Commons, Angela M. Arnold (=44penguins), CC BY-SA 3.0

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Im Samariterviertel in Friedrichshain-Kreuzberg hat das Bezirksamt den Rückbau einer illegal umgebauten Wohnung durchgesetzt. In einer 3-Zimmer-Wohnung am Frankfurter Tor hatte ein Gastronom ohne Genehmigung mehrere zusätzliche Wände und ein zweites Bad eingebaut. Die entstandenen fünf Kleinstzimmer nutzte er, um Mitarbeiter auf engstem Raum unterzubringen.

Nach einer Anzeige schritt das Amt ein und veranlasste die Rückführung der Wohnung in den ursprünglichen Zustand. Baustadtrat Florian Schmidt betonte, dass ohne Kontrolle und Ahndung das soziale Erhaltungsrecht zunehmend ausgehöhlt würde. Solche Verfahren seien personalintensiv und langwierig, aber notwendig, um Missbrauch zu verhindern.

Über 70 Milieuschutzgebiete sichern Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in Berlin

Berlin verfügt mittlerweile über mehr als 70 Milieuschutzgebiete. Sie basieren auf Paragraph 172 Baugesetzbuch und dienen dem Erhalt der angestammten Bevölkerungsstruktur in bestimmten Wohnquartieren. Ziel ist es, städtebauliche Entwicklungen zu verhindern, die zur Verdrängung einkommensschwächerer Haushalte führen würden.

Im Unterschied zum klassischen Mieterschutz richtet sich der Milieuschutz nicht an Einzelpersonen, sondern an das Wohngebiet als soziales Ganzes. Bauliche Änderungen wie Grundrissänderungen, Zusammenlegungen oder der Einbau eines zweiten Bades unterliegen in diesen Gebieten einem Genehmigungsvorbehalt. In der Praxis werden solche Anträge laut Berliner Mieterverein in der Regel abgelehnt.

Illegale Wohnungsteilungen verschärfen Verdrängung und Wohnungsmangel in innerstädtischen Kiezen

Immer häufiger beobachten Bezirke, dass Wohnungen ohne Genehmigung in kleinere Einheiten aufgeteilt werden. Diese werden dann etwa als WG-Zimmer oder an Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten teuer vermietet. Besonders in zentralen Lagen wie Kreuzberg, Neukölln oder Wedding verschärft sich der Druck auf den Wohnungsmarkt durch solche Maßnahmen.

Laut Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg richtet sich dieses Vorgehen oft an Zielgruppen mit geringer Wohnraumauswahl, etwa ausländische Arbeitskräfte oder Studierende. Die daraus entstehende Wohnverknappung trifft vor allem Familien mit niedrigem Einkommen, für die passende Wohnungen fehlen.

Verdrängung verhindern: Wie Spandau mit Gutachten über Milieuschutz entscheidet

Nicht nur die Innenstadtbezirke setzen auf Milieuschutz. Auch in peripheren Lagen wie Spandau steigt der Aufwertungsdruck. Seit 2020 existieren dort zwei Milieuschutzgebiete, weitere vier sind in Vorbereitung. Die Bezirksverordnetenversammlungen entscheiden auf Basis von Gutachten über den Erlass entsprechender Verordnungen.

Im Rahmen der Verfahren werden soziale und bauliche Kriterien geprüft, etwa Mietstruktur, Sanierungsdruck oder Bevölkerungsfluktuation. Wird ein Gebiet als gefährdet eingestuft, kann der Bezirk über Rückbau, bauliche Änderungen oder Nutzungsänderungen entscheiden. Ziel ist es, soziale Durchmischung zu erhalten und Verdrängung zu verhindern.

Von der Gesetzesnovelle zur Praxis: Wie sich der Milieuschutz in Berlin entwickelte

Trotz der rechtlichen Möglichkeiten bleibt die Durchsetzung des Milieuschutzes eine Herausforderung. Baustadtrat Schmidt forderte deshalb eine bessere personelle Ausstattung der Erhaltungsgruppen. Nur so könne die Einhaltung der Vorschriften dauerhaft sichergestellt werden.

Der Milieuschutz wurde 1976 als Teil des Bundesbaugesetzes eingeführt, blieb jedoch lange ein wenig genutztes Instrument. Erst ab den 1980er Jahren setzten Städte wie im Ruhrgebiet gezielt soziale Erhaltungssatzungen ein, um Verdrängung etwa in alten Werksiedlungen zu verhindern. In Berlin entstand das erste Milieuschutzgebiet 1991 im Stephankiez, als Reaktion auf den erwarteten Aufwertungsdruck nach dem Mauerfall. Die Umsetzung war jedoch umkämpft – Bezirke wie Kreuzberg oder Friedrichshain mussten sich gegen die Senatsverwaltung durchsetzen. Heute gelten Milieuschutz und Quartiersmanagement vielerorts als ergänzende Maßnahmen zur Stabilisierung sozialer Strukturen.

Quellen: Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, Bezirksamt Spandau