Nach jahrelanger Verzögerung hat das Land Berlin die milliardenschwere Ausschreibung für den Betrieb und die Ausstattung großer Teile des S-Bahnnetzes vorangebracht. Der Hauptausschuss gab 15 Milliarden Euro frei. Doch wer den Zuschlag erhält, und ob neue Klagen folgen, bleibt offen.

Die Entscheidung zur S-Bahn-Vergabe steht kurz bevor. Zuerst wird der unterlegene Bieter informiert, dann folgt der Zuschlag. Der Betriebsstart ist für 2031 geplant, doch Klagen könnten den Zeitplan verzögern. / © Foto: Depositphotos.com

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Nach über einem Jahrzehnt juristischer Auseinandersetzungen und Terminverschiebungen hat das Land Berlin einen entscheidenden Schritt bei der Neuvergabe von großen Teilen des S-Bahnnetzes getan. Der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses hat am 2. Juli 2025 die Entsperrung von 15 Milliarden Euro beschlossen, damit ist die Vergabeentscheidung nun finanziell abgesichert.

Laut der Senatsverkehrsverwaltung soll der Zuschlag für den Betrieb der Teilnetze Stadtbahn und Nord-Süd (SBSNS-II) sowie für Bau und Wartung von mindestens 1.400 neuen S-Bahn-Wagen zeitnah erfolgen. Wer den Auftrag erhält, ist bislang nicht offiziell bekannt. Im Rennen sind das Konsortium aus Deutscher Bahn, Siemens und Stadler, sowie der französische Konzern Alstom, der sich nur auf den Fahrzeugbau und die Wartung beworben hat, wie der Tagesspiegel mitteilt.

Kritik am Verfahren: Alstom sieht Wettbewerbsverzerrung zugunsten der Deutschen Bahn

Die Konstruktion der Ausschreibung galt von Beginn an als komplex. Während Alstom ausschließlich Züge bauen und warten möchte, tritt das DB-Konsortium als Komplettanbieter für Betrieb, Beschaffung und Instandhaltung auf. Alstom hatte diese Konstellation wiederholt kritisiert und juristisch angefochten, zuletzt jedoch weitgehend erfolglos.

Bereits die Vorgängervergabe für die Ringbahn 2015 war umstritten. Damals erhielt die Deutsche Bahn den Zuschlag zu sehr hohen Preisen. Auch diesmal wurde die Struktur des Verfahrens von Wettbewerbern als „Scheinwettbewerb“ kritisiert. Eine Entscheidung über den finalen Zuschlag wird im dritten Quartal 2025 erwartet.

Geplanter Betriebsstart ab 2031, doch Verzögerungen bleiben wahrscheinlich

Die neue Betriebsgesellschaft soll ab 2031 sukzessive auf den Linien der Stadtbahn (u. a. S3, S5, S7, S9) und der Nord-Süd-Strecke (S1, S2, S25, S85) übernehmen. Die Verträge umfassen den Betrieb über 15 Jahre sowie die Wartung der Fahrzeuge über 30 Jahre. Die Züge selbst werden Eigentum des Landes Berlin sein.

Doch ob der Zeitplan einzuhalten ist, bleibt fraglich. Die Komplexität des Verfahrens, mögliche Folgeklagen und technische Herausforderungen, etwa durch die geplante Umstellung auf 1.500 Volt Spannung, könnten zu weiteren Verzögerungen führen. Eine Untersuchung zur Lebensdauer älterer Wagen läuft laut Neues Deutschland derzeit noch.

Politische Vorentscheidung schwächt Wettbewerb im Ausschreibungsverfahren

Die 2023 gebildete schwarz-rote Koalition hatte sich früh auf eine einheitliche Lösung festgelegt. CDU und SPD erklärten im Koalitionsvertrag, dass sie den „S-Bahn-Betrieb aus einer Hand“ bevorzugen. Damit rückte das Modell einer Trennung von Fahrzeugbereitstellung und Betrieb, wie es die Grünen ursprünglich favorisiert hatten, in den Hintergrund.

Für Alstom, das ohne festen Betriebspartner in das Verfahren ging, bedeutet diese politische Weichenstellung einen klaren Nachteil. Sollte der Zuschlag wie erwartet an das DB-Konsortium gehen, sind weitere Klagen möglich, mit entsprechenden Folgen für den Zeitplan.

Vergabe mit Signalwirkung: Zukunft des Berliner S-Bahnverkehrs wird mitentschieden

Mit der anstehenden Vergabe wird nicht nur über den Betrieb der S-Bahn entschieden, sondern auch über die künftige Qualität und Stabilität des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin. Insbesondere der Ersatz alter Wagen, die bis 2032 ausgemustert werden müssen, ist dringend nötig. Der Auftrag umfasst daher auch zentrale Investitionen in die Infrastruktur.

Zugleich bleibt das Verfahren ein Lehrstück für die Herausforderungen komplexer, öffentlich finanzierter Ausschreibungen. Trotz Transparenzvorgaben und Wettbewerbsregeln sind politische Einflussnahme, juristische Unsicherheiten und strategische Interessen der Unternehmen untrennbar miteinander verknüpft.

Quellen: Tagesspiegel, Neues Deutschland, Süddeutsche Zeitung, VBB