Der kurz vor dem Abschluss stehende Umbau der St. Hedwigs Kathedrale in Berlin-Mitte scheidet die Geister. Neben einer notwendigen Sanierung des Kirchenbaus wurde in den vergangenen Jahren auch der vom Architekten Hans Schwippert gebaute, berühmte Innenraum vollkommen neu strukturiert. Am Sonntag wird die Wiedereröffnung mit einem Gottesdienst gefeiert.
© Foto Titelbild: IMAGO / epd
Text: Björn Leffler
Selten hat ein Kirchenbauprojekt in Berlin in den vergangenen Jahrzehnten so viel Wirbel verursacht wie der nun fast abgeschlossene Umbau der katholischen St. Hedwigs Kathedrale am Bebelplatz in Berlin-Mitte. Am ehesten wäre hier vielleicht noch die ebenfalls intensiv diskutierte, geplante Errichtung des „House of One“ am Petriplatz zu nennen.
In Potsdam wurde um die Wiedererrichtung der Garnisonkirche gleichermaßen unerbittlich gestritten, allerdings sind hier die Projektvorzeichen vollkommen andere, da es sich um einen kompletten Wiederaufbau eines nicht mehr vorhandenen Kirchengebäudes handelt.
St. Hedwigs Kathedrale: Beschädigung im Zweiten Weltkrieg und Wiederaufbau
Die St. Hedwigs Kathedrale jedoch, ebenso wie die Potsdamer Garnisonkirche im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, hat die Jahre der Zerstörung überlebt und wurde in den Jahrzehnten nach dem Krieg wieder aufgebaut.
Die St. Hedwigs Kathedrale ist die Bischofskirche des Erzbistums Berlin und die Pfarrkirche der Domgemeinde St. Hedwig. Sie wurde in den Jahren 1747–1887 nach Plänen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff im Stil des Friderizianischen Rokoko als Teil des sogenannten „Forum Fridericianum“ am Anfang des Boulevards Unter den Linden erbaut.
Berlin-Mitte: Architekt Hans Schwippert verantwortete den Wiederaufbau der Kirche
Nach schweren Bombentreffern brannte die Kirche im Zweiten Weltkrieg aus, wurde anschließend jedoch von 1952 bis 1963 nach Plänen des westdeutschen Architekten Hans Schwippert im Stil der Nachkriegsmoderne wiederhergestellt. Allein dieser Umstand war bemerkenswert, da sich die Kirche auf Ost-Berliner Gebiet befand.
Bemerkenswert war vor allem jedoch das, was der aus Remscheid stammende Architekt im Inneren des Gotteshauses schuf. Er errichtete einen Kirchenraum, der die Besucherinnen und Besucher herausforderte und bereits damals zu Diskussionen anregte. Grund dafür war die außergewöhnliche Raumaufteilung.
1952 bis 1963: Ober- und Unterkirche wurden zu einem Raum
Schwippert durchbrach den Boden in der Mitte mit einer runden Öffnung, wodurch Ober- und Unterkirche fast zu einem Raum wurden. Wer die Kirche betrat, blickte durch die großzügige Öffnung gleichzeitig auch in die Krypta. Dort wurzelte der Altar als Stele, die durch beide Räume ragte, als verbindendes Element zwischen Unter- und Oberkirche.
Als Schwippert den Raum baute, Anfang der 1960er Jahre, diskutierten Katholiken in aller Welt über notwendige Liturgie-Reformen. Das Zweite Vatikanische Konzil beschloss 1963 dann auch Änderungen in der Liturgie, die im neuen Innenraum der St. Hedwigs Kathedrale quasi schon vorweggenommen waren: Das Gottesdienstgeschehen rückte näher an die Gemeinde heran, die sich um den Altar versammeln sollte. Schnell galt der neu konzipierte Innenraum der St. Hedwigs Kathedrale als einzigartig.
Kritik am Innenraum wurde in den vergangenen Jahren immer lauter
In der Gemeinde jedoch mehrten sich seit Beginn der 2000er Jahre die Stimmen, die sich mit der Architektur des Innenraums unzufrieden zeigten. Der Prediger würde über die Öffnung hinweg predigen, zudem sei die Akustik nicht optimal. Die Gemeindemitglieder würden sich gegenseitig ansehen, anstatt zum Pfarrer zu schauen. Die Öffnung im Boden wurde als „Teilung“ der Gemeinde wahrgenommen und führte zu Platzproblemen.
Im November 2013 schrieb das Erzbistum Berlin dann einen Architektenwettbewerb zur Neugestaltung des Innenraumes und des baulichen Umfelds aus. Insgesamt 169 Wettbewerbsbeiträge wurden eingereicht. Am 30. Juni 2014 entschied sich das Preisgericht für einen Entwurf des Architekturbüros Sichau & Walter Architekten. Der Kirchenbau wurde dann ab 2018 für die Öffentlichkeit geschlossen.
Der neue Entwurf sieht eine Schließung der Öffnung im Innenraum vor
Der Entwurf sieht eine Schließung der Öffnung zur Unterkirche vor, durch die eine „Normalzentralität“ erreicht werden solle, die den liturgischen Anforderungen und der Tradition des Gebäudes nach Ansicht der damals verantwortlichen Jury gleichermaßen gerecht werde. Dies wurde baulich in den vergangenen Jahren entsprechend so umgesetzt.
Der Altar befindet sich also zukünftig nach dem Entwurf von Sichau & Walter geometrisch in der Mitte des Kirchenraums. Die Gemeinde feiert im Kreis um den Altar Gottesdienst, die Bänke werden in konzentrischen kreisen angeordnet.
Beginn des Umbaus Ende Mai 2020 – trotz zahlreicher Proteste
Der Umbau am Gebäude begann Ende Mai 2020. Gegen den siegreichen Entwurf wurden zahlreiche, kritische Einwände formuliert. Mehrere Urheberrechtsklagen von Künstlern oder deren Rechtsnachfolgern gegen das Erzbistum Berlin wurden erhoben, im Juli 2020 allerdings vom Landgericht Berlin abgewiesen.
Neben mehreren offenen Briefen von Architektengruppen und öffentlichkeitswirksamen Aktionen der „Initiative Freunde der Hedwigskathedrale“ gab es auf dem Bebelplatz sogar eine Demonstration gegen den Umbau des Innenraums. Letztlich ohne Erfolg. Im Oktober 2020 wurde der Hochaltar abgebrochen und mit dem Neubau des Innenraums begonnen.
St. Hedwigs Kathedrale: Wiedereröffnung der Kirche am Sonntag mit einem Gottesdienst
Am kommenden Sonntag soll der aufwendige Umbau nun mit einem Gottesdienst offiziell abgeschlossen werden, derzeit laufen in der Kathedrale die letzten Arbeiten. In der Raummitte befindet sich ein halbkugelförmiger, modern gestalteter Altar, der aus 1.000 gespendeten Steinen besteht.
Das Projekt wurde den Angaben zufolge im vorgesehenen Budget realisiert und kostet 44,2 Millionen Euro. Während der Umbau der Kathedrale kurz vor dem Abschluss steht, wird rund um das Kirchengebäude aber weiterhin kräftig gebaut. Denn direkt nebenan entsteht derzeit ein Neubau, der zukünftig vom katholischen Erzbistum genutzt werden soll.
Das Gebäude trägt den Namen Bernhard-Lichtenberg-Haus und erinnert damit an den Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg, der während der nationalsozialistischen Diktatur öffentlich für die Verfolgten eintrat. Er wird in der römisch-katholischen Kirche als Märtyrer und Seliger verehrt und wird in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem zu den “Gerechten unter den Völkern” gezählt.
Bebelplatz in Berlin-Mitte: Neubau des Bernhard-Lichtenberg-Hauses
Bei dem Projekt handelt es sich um die Sanierung eines bereits bestehenden Baus und den Neubau eines direkt angrenzenden Gebäudes. Das bisherige Bernhard-Lichtenberg-Haus setzte sich nämlich aus zwei Gebäuden zusammen: Einerseits aus dem denkmalgeschützten, neoklassizistischen Altbau von 1914, der im Inneren nur behutsam umgestaltet werden soll, und einem im rechten Winkel westlich anschließenden Trakt aus den 1970er-Jahren, der an der Hedwigskirchengasse zwischen der Französischen Straße und dem Bebelplatz lag und mittlerweile abgerissen wurde.
Das Gebäude aus den 1970er Jahren soll nun durch einen modernen Neubau ersetzt werden, der nach den Plänen des Architekturbüros Max Dudler entstehen wird. Das Büro hatte sich in einem europaweiten Wettbewerb bereits im Januar 2020 mit seinem Entwurf durchgesetzt.
Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier:
Quellen: Nightnurse Images, Sichau & Walter Architekten, Architektur Urbanistik Berlin, Wikipedia, Max Dudler Architekten