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Die HafenCity in Hamburg will Vorreiterin für urbane Zukunft sein, doch bei Nachhaltigkeit, Verkehr und sozialer Vielfalt gibt es noch viele Baustellen. Fachleute fordern mehr ökologische Substanz statt schöner Fassaden. Ist das Modellquartier der Zukunft schon veraltet?

So grün hätte es sein können: Die HafenCity steht beispielhaft für Chancen und Defizite moderner Stadtentwicklung. Vor allem bei Ökologie und sozialer Durchmischung gerät das Projekt zunehmend in die Kritik. / © Foto: Wikimedia Commons (mit KI bearbeitet durch die ENTWICKLUNGSSTADT Redaktion)

© Fotos: Wikimedia Commons (mit KI bearbeitet durch die ENTWICKLUNGSSTADT Redaktion)

 

Die HafenCity in Hamburg steht exemplarisch für einen großangelegten urbanen Wandel. Auf einer Fläche von 157 Hektar entsteht seit über zwei Jahrzehnten ein neues Stadtquartier mit internationaler Strahlkraft. Moderne Architektur, urbane Nutzungsmischung und ein innovativer Hochwasserschutz sollen die HafenCity zu einem Modell für die europäische Stadtentwicklung machen.

Doch die Realität fällt komplexer aus. Während die HafenCity städtebaulich vielfach als gelungen bewertet wird, wächst die Kritik an zentralen Aspekten des Quartiers. Insbesondere bei Fragen der Nachhaltigkeit, sozialen Durchmischung und ökologischen Verträglichkeit werfen unabhängige Studien und Fachleute der Stadt Hamburg Versäumnisse vor.

Hamburgs HafenCity: Nachhaltigkeit als Anspruch – und als Streitpunkt

Bereits 2010 stellte der Zukunftsrat Hamburg in einer umfassenden Analyse fest, dass die HafenCity ihrem eigenen Anspruch, ein ökologisch und sozial nachhaltiges Quartier zu sein, nur eingeschränkt gerecht werde. Zwar erfülle das Areal in Teilen die Kriterien effizienter Flächennutzung und verfüge über Umweltzertifikate für Neubauten, doch in anderen Bereichen zeigten sich deutliche Defizite. So fehle es laut Studie insbesondere an natürlichen Grünflächen und einem durchdachten, emissionsarmen Verkehrskonzept.

Die hohe Bodenversiegelung, die trotz einzelner Parks wie dem Lohsepark weiterhin vorherrscht, wird dabei ebenso kritisch betrachtet wie die starke Präsenz des motorisierten Individualverkehrs. Zwar wurde eine U-Bahn-Anbindung realisiert, doch die Quartiere seien nach wie vor stark auf das Auto ausgerichtet. Der Zukunftsrat bezeichnete dies als widersprüchlich zu den Zielen des Klimaschutzes.

Hamburg Sustainability Week: Neue Ansätze durch „blau-grüne Infrastruktur“

Im Juni 2025 wurde im Rahmen der Hamburg Sustainability Week erneut über die ökologischen Herausforderungen der HafenCity diskutiert. Die Veranstaltung stand unter dem Titel „Grüne Metropole am Wasser“ und legte einen Schwerpunkt auf die Verknüpfung von Wasser- und Grünflächen zu einer sogenannten „blau-grünen Infrastruktur“. Ziel sei es, klimaresiliente Strukturen zu schaffen, die Lebensqualität und Nachhaltigkeit gleichermaßen fördern.

Vertreterinnen und Vertreter der HafenCity Hamburg GmbH betonten, dass neue Projekte stärker auf natürliche Kühlung, Entsiegelung und Biodiversität ausgerichtet seien. So sollen unter anderem bepflanzte Fassaden, Regenwassermanagement und multifunktionale Freiräume in kommenden Bauabschnitten umgesetzt werden. Kritische Beobachtende begrüßten die Richtung, forderten jedoch verbindliche Standards und umfassendere Konzepte.

Flächenversiegelung und Mikroklima: Eine offene Rechnung im Hamburger Hafenquartier

Vor allem im Hinblick auf den Klimawandel wird die Kritik an der Bebauungsdichte lauter. Die dichte Versiegelung führt zu einer starken Erwärmung im Sommer und mindert die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum. Auch wenn mit Promenaden und Wasserflächen punktuell aufgelockert wird, vermissen viele Anwohnende eine durchgängige Begrünung und schattenspendende Vegetation.

Die geplante Entwicklung weiterer Bauabschnitte, etwa im Elbbrückenquartier, verstärkt diese Sorge. So seien die Flächen zwischen den großvolumigen Neubauten oftmals funktional, aber nicht naturnah gestaltet. Die Integration von Biodiversität und die Förderung ökologischer Ausgleichsräume geraten damit zunehmend in den Blick von Stadtplanungs-Expertinnen und Umweltverbänden.

Verkehrskonzept unter Beobachtung: Autoorientiert trotz moderner Ansätze

Ein weiteres Spannungsfeld bildet die Verkehrsinfrastruktur. Die offizielle Strategie der „Stadt der kurzen Wege“ steht im Widerspruch zur weiterhin hohen Zahl an Tiefgaragen und Stellplätzen pro Wohneinheit. Laut einer Analyse des Zukunftsrats liegt die Fahrzeugdichte in der HafenCity weit über dem Hamburger Durchschnitt.

Selbst die Integration der neuen U-Bahnlinie U4 wird von manchen als wenig nachhaltig eingestuft. Kritisiert wird vor allem der hohe Aufwand an Energie und Ressourcen bei deren Bau. Alternativen wie der Ausbau bestehender Buslinien seien ökologisch sinnvoller gewesen, so das Fazit der Studie.

HafenCity in Hamburg: Soziale Exklusivität statt urbaner Vielfalt?

Neben ökologischen Aspekten wird auch die soziale Struktur der HafenCity immer wieder diskutiert. Trotz einer Quote von rund 25 Prozent gefördertem Wohnraum gilt der Stadtteil als teuer und exklusiv. Die durchschnittliche Wohnfläche pro Person liegt deutlich über dem städtischen Mittel, was auf eine geringe soziale Durchmischung hindeutet.

Der „Zoo-Effekt“ – also das Gefühl, die HafenCity sei ein abgekoppeltes Viertel für Besserverdienende – wird regelmäßig in der öffentlichen Debatte thematisiert. Zwar wurden auch genossenschaftliche Wohnformen und Baugemeinschaften realisiert, doch bleibt der Zugang für einkommensschwächere Gruppen erschwert. Kritische Stimmen warnen daher vor einer langfristigen Entmischung der Stadtgesellschaft.

Städtebauliches Projekt HafenCity: Modellprojekt mit Verbesserungspotenzial

Die HafenCity bleibt ein ambitioniertes Projekt, das städtebaulich Maßstäbe gesetzt hat. Ihre Rolle als Modellquartier für nachhaltige Stadtentwicklung ist jedoch ambivalent. Während die Planungen viele innovative Ansätze enthalten, fehlt es in der Umsetzung an Konsequenz und Transparenz. Umwelt- und Sozialaspekte sind zwar Teil des offiziellen Narrativs, werden jedoch nicht durchgängig eingelöst.

Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die kritisierten Aspekte im Rahmen weiterer Entwicklungen adressiert und korrigiert werden. Eine nachhaltige Stadt der Zukunft braucht nicht nur architektonische Highlights, sondern auch ökologisch tragfähige und sozial gerechte Strukturen.

Wurde eines der größten Hamburger Stadtentwicklungsprojekte der vergangenen Jahrzehnte zu wenig grün und zu autoorientiert geplant? Laut einer Analyse des Zukunftsrats liegt die Fahrzeugdichte in der HafenCity weit über dem Hamburger Durchschnitt. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

© Foto: IMAGO

Quellen: Spiegel Online, Deutsche Welle, Zukunftsrat Hamburg, Hamburg Sustainability Week 2025 (hafencity.com), digitalsustainable.world

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