Der Kurfürstendamm gilt als prominentes Beispiel für die fehlende Umsetzung der Mobilitätswende in Berlin. Dabei zeigen andere Hauptstraßen im Stadtgebiet, dass veränderte Spuraufteilungen, sichere Radwege und neue Lieferzonen sehr wohl realisierbar sind.

Der Kurfürstendamm ist eine der bekanntesten Straßen Berlins und zugleich ein gefährlicher Ort für Radfahrer. Trotz Platz im Überfluss fehlt bis heute ein durchgehender Radweg – warum eigentlich? / © Foto: IMAGO, Collage: ENTWICKLUNGSSTADT

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Trotz seiner großzügigen Breite von mehr als 50 Metern ist auf dem Kurfürstendamm in Charlottenburg-Wilmersdorf kein durchgehender Radweg vorgesehen. Stattdessen teilen sich Radfahrende die Fahrbahn mit Bussen, Taxis und Autos. Die Senatsverwaltung begründet dies mit Lieferverkehr und baulichen Einschränkungen – doch der Verweis auf fehlenden Raum überzeugt kaum.

Denn: In anderen Berliner Bezirken wurden bereits umfassende Umgestaltungen realisiert, die zeigen, wie der Straßenraum zugunsten des Rad- und Lieferverkehrs sinnvoll aufgeteilt werden kann.

Lieferzonen vor Verkehrswende: Warum am Kurfürstendamm weiter kein Platz für Radwege ist

Die Senatsverwaltung verweist auf den hohen Lieferbedarf entlang des Kurfürstendamms und lehnt durchgehende Radwege ab. Immerhin werde derzeit aber darüber nachgedacht, auf einem kurzen Teilstück an der Rankestraße einen Radweg einzurichten, weil die dortige Abbiegespur nicht mehr benötigt werde. Zudem wäre es möglich, einzelne Ladezonen zu kennzeichnen und die Busspur an diesen Stellen zu verbreitern.

Der Mittelstreifen komme laut Senat jedoch nicht infrage, da seine Umgestaltung umfangreiche bauliche Eingriffe und womöglich Baumfällungen erfordern würde – ein Gesamtkonzept fehlt. Auf Bezirksebene ist ebenfalls kein Strategiewechsel in Sicht. Die Verwaltung in Charlottenburg-Wilmersdorf setzt derzeit andere Prioritäten. Frühere Ankündigungen eines übergreifenden Verkehrskonzepts für die City West haben sich bislang nicht in konkrete Maßnahmen übersetzt.

Hauptstraße in Schöneberg zeigt, wie sichere Infrastruktur entstehen kann

Die Hauptstraße in Schöneberg wurde umgestaltet: Der Autoverkehr nutzt nur noch eine Spur pro Richtung, während auf beiden Straßenseiten bereits geschützte Radwege mit jeweils 2,25 Metern Breite entstanden sind. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Im Gegensatz zum Kurfürstendamm wurde die Hauptstraße in Schöneberg bereits grundlegend umgestaltet. Auf einem 700 Meter langen Abschnitt zwischen Kleistpark und Dominicusstraße sind auf beiden Seiten geschützte Radwege entstanden. Die Busspur verläuft nun in Mittellage, während dem motorisierten Individualverkehr nur noch je eine Spur pro Richtung zur Verfügung steht.

Mit dem Umbau haben Bezirk und InfraVelo klare Strukturen für Radverkehr, Lieferzonen, Fußwege und ÖPNV geschaffen. Zusätzliche Abbiegespuren, neu aufgestellte Fahrradbügel sowie ein erneuerter Straßenbelag ergänzen das Gesamtbild. Die Maßnahme zeigt, dass eine sichere und ausgewogene Verkehrsführung auch unter beengten Bedingungen realisierbar ist.

Schönhauser Allee umgestaltet: Sicherer Radverkehr und neue Ladezonen auf 720 Metern

Auf der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg verlaufen beidseitig farblich markierte und baulich geschützte Radwege. Sie trennen den Radverkehr sichtbar vom Autoverkehr und schaffen mehr Platz auf dem Gehweg. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Auf der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg ist der Umbau für mehr Radverkehr ebenfalls umgesetzt. Die östliche Straßenseite zwischen Gleimstraße und Eberswalder Straße wurde vollständig umgestaltet: Ein geschützter Radstreifen sorgt für mehr Sicherheit, während klar gekennzeichnete Ladezonen den Lieferverkehr regeln.

Der Gehweg wurde entlastet, indem der Radverkehr auf die Fahrbahn verlagert und durch bauliche Elemente vom Autoverkehr getrennt wurde. Auch die westliche Straßenseite erhielt eine vergleichbare Radspur, deren Fertigstellung im Frühjahr 2024 erfolgt ist. Insgesamt entstand auf einer Strecke von 720 Metern eine durchgängige Radverkehrsanlage in beide Fahrtrichtungen.

Tempelhofer Damm neu geordnet: Geschützter Radweg und sichere Querungen auf ganzer Länge realisiert

Am Tempelhofer Damm verlaufen jetzt beidseitig geschützte Radwege, die durch Poller vom Autoverkehr getrennt sind und mehr Sicherheit im Alltag bieten. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Am Tempelhofer Damm wurde inzwischen ein geschützter Radweg realisiert. Zwischen dem U-Bahnhof Alt-Tempelhof und der Ullsteinstraße verläuft auf beiden Straßenseiten ein baulich gesicherter Radstreifen, der durch Poller vom motorisierten Verkehr getrennt ist. Die Maßnahme wurde nach jahrelanger Planung, politischem Druck und intensiver Bürgerbeteiligung umgesetzt.

Im Zuge des Projekts wurde auch die Fahrbahndecke saniert und Querungsstellen barrierefrei gestaltet. Der neue Radweg entschärft eine zuvor unübersichtliche und gefährliche Verkehrssituation. Für den Fußverkehr brachte der Umbau ebenfalls Verbesserungen – der Tempelhofer Damm erhielt so ein deutlich sichereres und nutzerfreundlicheres Gesamtbild.

Müllerstraße im Wedding: Nach zwölf Jahren sind geschützter Radwege entstanden

Der Lückenschluss an Müller- und Chausseestraße wurde vom Bezirksamt Mitte gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Mobilität realisiert. Die rund 680.000 Euro teuren Maßnahmen in den Jahren 2022 und 2023 wurden überwiegend durch Bundesmittel gefördert. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Am 8. September 2023 wurde der erste geschützte Radweg auf der Müllerstraße im Wedding offiziell eröffnet. Auf einem 650 Meter langen Abschnitt zwischen dem S-Bahnhof Wedding und der Kreuzung Luxemburger Straße / Schulstraße verlaufen nun beidseitig durch Poller gesicherte Radstreifen. Die neue Verkehrsführung ersetzt ehemalige Parkflächen und trennt Rad- und Autoverkehr klar voneinander.

Ergänzend wurden neue Lieferzonen eingerichtet, um die angrenzenden Gewerbebetriebe zu entlasten. Die Müllerstraße galt lange als gefährlich für Radfahrende – dicht befahren, oft zugeparkt und ohne sichere Infrastruktur. Mit dem neuen Abschnitt ist ein wichtiger Lückenschluss gelungen, der den Wedding nun besser mit Alt-Mitte verbindet.

Geplante Ausbauten: Neue Radwege für Torstraße und Grunewaldstraße

Auf einem rund 1,5 Kilometer langen Abschnitt der Torstraße sollen künftig beidseitig 2,30 Meter breite, geschützte Radfahrstreifen entstehen – zwischen Chausseestraße und Rosenthaler Platz ist der Umbau ab 2026 geplant. / © Visualisierung: Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verkehr und Klimaschutz

Während am Kurfürstendamm bisher kaum Fortschritte bei der Einrichtung sicherer Radwege erkennbar sind, zeigen andere Orte in der Stadt, dass Veränderung möglich ist – nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch mit Blick auf kommende Projekte. In Berlin-Mitte und Schöneberg stehen bereits die nächsten Umgestaltungen bevor, die das Radwegenetz weiter ausbauen und die Infrastruktur deutlich verbessern sollen.

So plant der Berliner Senat ab 2026 den Umbau der Torstraße in zwei Bauabschnitten. Vorgesehen sind beidseitige Radfahrstreifen, barrierefreie Bushaltestellen und neue Lieferzonen – bei gleichzeitiger Reduktion der Parkplätze. Auch wenn zwei Autospuren pro Richtung erhalten bleiben, wird die Verkehrsfläche neu verteilt.

In Schöneberg schreiten die Arbeiten an der Grunewaldstraße bereits voran: Auf 1,6 Kilometern entstehen geschützte Radwege, neue Querungshilfen und Ladezonen. Bis Herbst 2025 soll der Umbau abgeschlossen sein. Beide Projekte zeigen, dass sichere Radinfrastruktur auch unter schwierigen Bedingungen realisierbar ist – wenn der politische Wille vorhanden ist.

Quellen: Infravelo, Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, Architektur Urbanistik Berlin, Weddingweiser, Tagesspiegel, Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verkehr und Klimaschutz, Berliner Woche, Bezirksamt Pankow