Nach fast 20 Jahren Planung wird heute in Potsdam eine neue Synagoge eröffnet, Bundespräsident Frank Walter Steinmeier gastiert als Redner des feierlichen Festakts. Die 1903 eröffnete, alte Potsdamer Synagoge war nach schweren Kriegsschäden 1957 abgerissen und nicht wieder aufgebaut worden. Im Neubau sind auch Flächen für kulturelle Veranstaltungen entstanden.

Gemeindesaal aus Eichenholz: Der Neubau der Synagoge in Potsdam muss höchsten Sicherheitsanforderungen entsprechen, wirkt aber dennoch elegant und leicht. / © Foto: IMAGO / epd

© Fotos: IMAGO / epd
Text: Björn Leffler

 

Dass man für die Realisierung religiös orientierter Projekte mitunter einen langen Atem braucht, haben in Berlin bereits mehrere Projekte bewiesen, darunter etwa das seit langem geplante “House of One” am Petriplatz in Berlins historischem Zentrum.

Nach aktuellem Stand soll das Berliner Bauvorhaben bis 2028 abgeschlossen werden – wenn alles gut läuft. Auch in der benachbarten Brandenburger Landeshauptstadt Potsdam wurde ein ähnlich orientiertes Projekt umgesetzt – und hat ebenfalls eine Planungszeit von rund 20 Jahren in Anspruch genommen.

Potsdam: 20 Jahre Planungszeit für neue Synagoge

Im Gegensatz zum “House of One”, in dem künftig drei große Weltreligionen unter einem Dach untergebracht werden sollen, ist in Potsdam ein Neubau für “nur” eine Konfession entstanden, nämlich ein neues Synagogen-Zentrum für die jüdische Gemeinde.

Bislang nämlich war Potsdam die einzige Landeshauptstadt Deutschlands ohne ein Religionshaus für jüdische Gläubige. Mit dem heutigen Tag wird sich dies ändern, denn die Eröffnung des Neubaus an der Schloßstraße 8 macht künftig einen zentralen Ort für Gottesdienste und Gemeindearbeit zugänglich.

Bereits 2005 wurde der Neubau einer Synagoge beschlossen

Der Weg dorthin war mühsam und steinig, führte aber letztlich doch noch zum Erfolg. Bereits im Jahr 2005 vereinbarten das Land Brandenburg und der jüdische Landesverband den Bau eines Synagogenzentrums in Potsdam.

Das Land Brandenburg würde zahlen, der Landesverband die Bauweise bestimmen – so die Vereinbarung. 2008 gewann der Entwurf des Berliner Architekten Jost Haberland den Wettbewerb, doch bald folgten Streitigkeiten in der größten jüdischen Gemeinde, was 2011 zur Bildung einer neuen Gemeinde führte, die den Entwurf ablehnte.

Streitigkeiten zwischen den jüdischen Gemeinden verzögerten das Projekt

Der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) legte das Projekt schließlich auf Eis. Erst acht Jahre später wurde die Planung wieder aufgenommen und konnte beginnen, nachdem die ZWST (Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V.) als verlässlicher Ansprechpartner fungierte, die Interessen der Gemeinden moderierte, Kompromisse fand und den Entwurf überarbeitete.

Die mittlerweile fertiggestellte Fassade aus hellen Brandenburger Klinkersteinen wirkt modern und offen, erinnert aber mit hohen Spitzbogenfenstern durchaus auch an orientalische Bauten.

Helle Brandenburger Klinkersteine und Eichenholz dominieren den Neubau

Der Synagogenraum mit Frauenempore ist vollständig aus Eichenholz gestaltet worden. Trotz höchster Sicherheitsstandards sind Kameras und strenge Zugangskontrollen unauffällig im Gebäude untergebracht worden.

Im Keller gibt es ein rituelles Tauchbad (“Mikwe”) mit Regenwasser von der Dachterrasse. Ein Schabbatfahrstuhl hält automatisch in allen Etagen, um strenggläubigen Menschen das Bedienen technischer Geräte zu ersparen. Es gibt darüber hinaus Büros und Versammlungsräume für religiöse, soziale und kulturelle Veranstaltungen.

Nicht nur Synagoge, sondern auch Zentrum für kulturelle Veranstaltungen

Der in Potsdam entstandene Neubau ist also keine reine Synagoge, sondern ein religiöses und kulturelles Zentrum, welches viele verschiedene Anforderungen der künftigen Nutzerinnen und Nutzer erfüllen soll.

Die rituelle Zeremonie wird von Rabbiner Avichai Apel, Vorsitzender der orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland, geleitet, wie die ZWST vorab mitteilte. Der jüdische Sozialverband ist Träger des Zentrums.

Steinmeier und Baerbock bei der Eröffnungszeremonie zu Gast

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) wird eine Festansprache halten, auch Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) wird als Gast erwartet, denn sie selbst lebt in Potsdam. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte seine geplante Teilnahme hingegen kurzfristig absagen müssen.

Vier jüdische Gemeinden aus Potsdam mit etwa 750 Mitgliedern werden künftig das neue Synagogenzentrum nutzen und dort abwechselnd den Schabbat und jüdische Festtage feiern. Zudem wird es religiöse und soziale Angebote für Kinder, Jugendliche und Senioren geben, sowie kulturelle Veranstaltungen, die allen Potsdamern offenstehen, wie der RBB berichtet.

Juden in Potsdam: Wechselvolle Geschichte der religiösen Gemeinde

Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Potsdam war, wie in vielen anderen deutschen Städten auch, besonders wechselhaft: Die Alte Synagoge in Potsdam, nach Entwürfen des Architekten Otto Kerwien erbaut, wurde am 17. Juni 1903 eingeweiht.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde sie zerstört, bereits während der Novemberpogrome 1938 war sie durch die Nationalsozialisten stark beschädigt worden. Ende der 1950er Jahre wurden die Ruinen abgerissen und die Fläche mit Wohnhäusern neu bebaut.

Abriss nach dem Krieg: Eine neue Synagoge wurde nicht gebaut

Eine neue Synagoge wurde hingegen nicht errichtet. Um 1925 hatte die jüdische Gemeinde rund 600 Mitglieder, nach dem Krieg jedoch gab es in Potsdam für viele Jahre überhaupt keine jüdische Gemeinde, die sich für einen Synagogen-Neubau stark machen konnte.

Dies veränderte sich erst in den Jahrzehnten nach der Teilung Deutschlands, als neues jüdisches Leben in Potsdam entstand, auch durch die Migration aus osteuropäischen Ländern während der DDR-Zeit und nach dem Mauerfall. Heute leben in Potsdam rund 800 Menschen mit jüdischem Hintergrund, die jüdische Gemeinde zählt etwa 395 Mitglieder.

 

Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier: 

© Foto: IMAGO / epd

© Open Street Map

Quellen: RBB, Tagesschau, IMAGO, Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V., Wikipedia

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