Mit der Ausstellung „Charlottenburg re:inspected“ rückt der Fotograf David Kregenow den sozialen Wohnungsbau der Nachkriegszeit in den Fokus. In der Papierhalle des Wasmuth Verlags zeigt er ab dem 19. Juni 2025 eine fotografische Bestandsaufnahme von Gebäuden, die zwischen 1950 und 1966 im Rahmen des Wiederaufbaus in Charlottenburg entstanden sind.

Das Foto von David Kregenow zeigt eine Wohnhauszeile in Charlottenburg, die exemplarisch für den sozialen Wohnungsbau der Nachkriegszeit steht. Klare Linien, funktionale Fassadengliederung und zurückhaltende Balkone prägen das Erscheinungsbild und doch öffnen sich im Erdgeschoss großzügig verglaste Ladenflächen zur Straße. Die Aufnahme verdeutlicht, wie pragmatisches Bauen und urbane Nutzung miteinander verbunden wurden. / © Foto: David Kregenow, 2025

© Fotos: David Kregenow, 2025

 

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lag Berlin in Trümmern. In Charlottenburg waren von rund 8.000 Wohnhäusern nur noch 600 unbeschädigt. Um der massiven Wohnungsnot zu begegnen, startete das Land Berlin ab 1950 ein umfangreiches Wohnungsbauprogramm. Mit finanzieller Unterstützung durch den Marshallplan und Bundesmittel wurden gezielt Sozialwohnungen gefördert.

Im Zuge des sogenannten Wirtschaftswunders entstanden innerhalb kurzer Zeit tausende neue Wohnungen. Die Neubauten sollten nicht nur bezahlbaren Wohnraum schaffen, sondern auch moderne Lebensverhältnisse sichern. Der soziale Wohnungsbau wurde zur tragenden Säule des städtischen Wiederaufbaus.

Fotografische Bestandsaufnahme des Wiederaufbaus im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf

Der Berliner Fotograf David Kregenow verfolgt das Ziel, sämtliche noch erhaltenen Bauten aus der Wiederaufbauzeit im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf systematisch zu dokumentieren. Im Rahmen seines langfristig angelegten Projekts hat er bereits rund 1.100 der insgesamt etwa 1.400 existierenden Gebäude fotografisch erfasst. Nun zeigt er erstmals eine kuratierte Auswahl dieser Arbeiten in der Ausstellung „Charlottenburg re:inspected“. Die Ausstellung läuft vom 19. Juni bis zum 18. Juli 2025 in der Papierhalle des Wasmuth Verlags, gelegen in der Axel-Springer-Straße 43 in Berlin-Kreuzberg. Der Eintritt ist frei.

Die Fotografien sind nach elf Straßenzügen im Bezirk gegliedert und ermöglichen einen differenzierten Blick auf die städtebauliche Entwicklung der Nachkriegszeit. Seit seiner Gründung im Jahr 1872 entwickelte sich der Wasmuth Verlag zu einem der führenden Häuser für Architektur- und Kunstpublikationen in Europa. Heute führt die Wasmuth Verlag GmbH das ursprüngliche Programm unter neuer Leitung fort und konzentriert sich auf Themen wie Architektur, Stadtentwicklung, Fotografie und Kulturgeschichte. Die Papierhalle dient dabei als Ort für Ausstellungen, Lesungen und Diskurse zur städtischen Entwicklung.

Vom Funktionalbau bis zum International Style: Ein breites architektonisches Spektrum

Die gezeigten Gebäude verdeutlichen die Spannweite des damaligen Bauens. Trotz wirtschaftlicher Zwänge und standardisierter Verfahren nutzten viele der rund 400 beteiligten Architektinnen und Architekten ihre gestalterischen Spielräume. Entstanden sind Bauwerke, die von sachlich-funktionalen Grundrissen bis hin zu Einflüssen des International Style reichen.

Kregenows Fotografien machen sichtbar, dass selbst im geförderten Wohnungsbau architektonische Vielfalt möglich war. Die Aufnahmen legen ein stilles Zeugnis der Aufbaujahre ab und zeigen, wie pragmatisch, aber auch ambitioniert geplant wurde.

Vom Wiederaufbau zur Gegenwart: Parallelen in der Stadtentwicklung Berlins

Die Ausstellung wirft nicht nur einen historischen Blick auf den Wiederaufbau, sondern stellt auch Bezüge zur Gegenwart her. Themen wie Fachkräftemangel, steigende Baukosten und der Ruf nach modularem Bauen waren bereits in den 1950er Jahren relevant und sind es heute wieder.

Damit dokumentiert David Kregenow nicht nur ein abgeschlossenes Kapitel der Berliner Baugeschichte, sondern auch strukturelle Herausforderungen, die bis heute wirken. Zudem plant der Wasmuth Verlag, das Projekt mit weiteren Ausstellungen und Publikationen zu begleiten.

Biografie eines Chronisten: David Kregenows Weg zur architekturfotografischen Langzeitdokumentation

David Kregenow wurde 1965 in Berlin geboren. Er studierte Kunstgeschichte und französische Literatur in Berlin, Florenz und Paris. Danach absolvierte er eine Ausbildung zum Architektur- und Industriefotografen und arbeitete unter anderem für Mercedes-Benz, AEG und das Bauhaus Dessau.

Seit 2007 widmet sich Kregenow eigenen Langzeitprojekten zu Architektur und Stadt. Seine Arbeit verbindet kunsthistorische Recherche mit fotografischer Präzision.

© Foto: David Kregenow, 2025

© Foto: David Kregenow, 2025

Quellen: Wasmuth Verlag