Ob Neukölln, Tempelhof, Charlottenburg, Kreuzberg oder Wedding – in Berlin stehen die ehemaligen Karstadt-Gebäude vor unterschiedlichen Herausforderungen und Perspektiven. Zwischen kreativen Neunutzungen, Leerstand, Zwischennutzungen und Planungsstau zeigt sich ein facettenreiches Bild des Umgangs mit der Warenhaus-Ära.

Das ehemalige Karstadt-Gebäude am Leopoldplatz in Wedding soll langfristig umgebaut werden. Geplant sind ein kleineres Warenhaus, Büros und Wohnungen – doch Anwohnende und Stadtteilvertreter blicken kritisch auf die Pläne und fordern eine stärkere Ausrichtung auf die Bedürfnisse des Kiezes. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

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Der Niedergang der traditionsreichen Kaufhauskette Karstadt hat nicht nur wirtschaftliche Spuren hinterlassen, sondern prägt auch das Berliner Stadtbild an zentralen Orten nachhaltig. Über Jahrzehnte hinweg waren die Filialen stadtweit wichtige Ankerpunkte des urbanen Lebens – als Einkaufsorte, soziale Treffpunkte und identitätsstiftende Gebäude in vielen Kiezen. Mit der Schließung zahlreicher Standorte steht die Hauptstadt nun vor einer vielschichtigen städtebaulichen Aufgabe: der sinnvollen, nachhaltigen und gemeinwohlorientierten Nachnutzung großflächiger Immobilien in bester Lage.

Während einige Objekte bereits umfassend umgebaut oder umgewidmet wurden, steckt die Neuausrichtung anderer Flächen noch in der Planungsphase oder ruht vollständig. Gründe sind unter anderem wirtschaftliche Unsicherheiten, politische Uneinigkeit oder fehlende Investoren. Ein Blick auf verschiedene Standorte zeigt, wie unterschiedlich derzeit mit diesen Herausforderungen umgegangen wird – zwischen ambitionierten Mischnutzungsprojekten, pragmatischen Zwischenlösungen und vollständig offenen Entwicklungen.

Neukölln: „Kalle Neukölln“ verbindet Arbeiten, Einkaufen und öffentlichen Dachgarten

Das frühere Karstadt-Gebäude an der Karl-Marx-Straße blieb erhalten und wurde umfassend zum „Kalle Neukölln“ umgebaut. Mit rund 200 Millionen Euro investierte der Eigentümer in eine ressourcenschonende Transformation, die als Modell für die Revitalisierung ähnlicher Bauten dient. / © Foto: smartvillage,Team Code Zero

Einen konsequenten Schritt in Richtung Mischnutzung zeigt das ehemalige Karstadt-Gebäude an der Karl-Marx-Straße. Unter dem neuen Namen „Kalle Neukölln“ ist ein vielseitig genutzter Gewerbekomplex entstanden, der Arbeiten, Einkaufen und Freizeit verbindet. Im Untergeschoss deckt ein Edeka-Markt den täglichen Bedarf. Im Erdgeschoss laden die „Kalle Halle“ mit Streetfood-Angeboten sowie ein Musikladen zu Begegnung und Austausch ein. Ergänzt wird das Konzept durch modulare Veranstaltungsräume von smartvillage, die seit April 2025 für Workshops und Firmen-Events zur Verfügung stehen.

Darüber hinaus bieten rund 26.000 Quadratmeter Bürofläche Raum für Start-ups, Bildungseinrichtungen wie die Code University und Unternehmen wie Soundcloud. Auch das frühere Parkhaus wurde integriert und zu Maisonette-Büros umgebaut. Als zentrales Element öffnet der öffentlich zugängliche Dachgarten mit Pool und Restaurantbereich die Anlage nach oben. Er ist täglich bis 2 Uhr geöffnet und für Veranstaltungen nutzbar.

Tempelhof: Am Tempelhofer Damm soll eine Lidl-Filiale das leerstehende Gebäude beleben

Erhalten bleibt das frühere Karstadt-Gebäude am Tempelhofer Damm, das nun schrittweise modernisiert wird. Historische Elemente treffen dabei auf gezielte Eingriffe, die einen zeitgemäßen und nachhaltigen Nutzungsmix schaffen. / © Foto: Wikimedia Commons, Dirk Ingo Franke, CC BY-SA 4.0

Am Tempelhofer Damm verfolgt die Versicherungskammer Bayern als Eigentümerin einen anderen Ansatz. Hier steht die Eröffnung einer Lidl-Filiale im Mittelpunkt der Umgestaltung. Der Discounter soll das Erdgeschoss beleben und die Nahversorgung sichern. Zugleich betont der Eigentümer, dass die oberen Etagen langfristig weitere Nutzungen aufnehmen könnten.

Bezirksbürgermeister Jörn Oltmann begrüßt das Vorhaben in einer Pressemitteilung vom 30. März 2025 ausdrücklich. Die Maßnahme stärke die lokale Wirtschaft und könne zur Aufwertung des Standortes beitragen. Weitere Ausbauschritte für das Gebäude sind geplant, aber derzeit noch offen.

Charlottenburg: Umbau der Wilmersdorfer Karstadt-Immobilie soll Wohnen, Arbeiten und Nachhaltigkeit verbinden

Das ehemalige Karstadt-Gebäude in der Wilmersdorfer Straße steht seit über einem Jahr leer. Der Leerstand wirkt sich spürbar auf das Umfeld aus – das Stadtbild verändert sich und umliegende Geschäfte verzeichnen einen Rückgang der Kundschaft. / © Foto: Wikimedia Commons, Fridolin freudenfett (Peter Kuley), CC BY-SA 3.0

An der Wilmersdorfer Straße soll das ehemalige Karstadt-Gebäude umfassend umgebaut und neu genutzt werden. Vorgesehen sind Einzelhandelsflächen im Erdgeschoss, Büros in den Obergeschossen sowie rund 40 Wohnungen im rückwärtigen Bereich. Für den Wohnbau ist ein Teilabriss mit anschließendem Lückenschluss geplant. Die Eigentümerin, eine Tochter der Brenninkmeijer-Gruppe, will das Projekt zügig umsetzen. Ein Bau-Vorbescheid liegt bereits vor, die Bauanträge sollen noch in diesem Jahr folgen.

Die Umgestaltung soll auch die Aufenthaltsqualität der Fußgängerzone verbessern. Geplant sind nachhaltige Maßnahmen wie Dachbegrünung, Photovoltaikanlagen und die Entsiegelung des Innenhofs. Während die Politik das Konzept grundsätzlich begrüßt, gibt es Diskussionen über die geplanten Büroflächen. Deren Bedarf sei angesichts des schwächelnden Marktes umstritten. Der Projektentwickler zeigte sich jedoch zuversichtlich, die Flächen vermieten zu können.

Hermannplatz: Gescheiterte Pläne, politische Debatten und ungewisse Zukunft des Standorts

Das Karstadt-Gebäude am Hermannplatz: Der einst prägende Bau steht nach der gescheiterten Umbauplanung und der Insolvenz des Eigentümers vor einer ungewissen Zukunft. Während Lidl einen Teil der Flächen nutzt, bleiben weite Bereiche leer. Das Gebäude wirkt im Stadtbild als Symbol des Umbruchs und steht im Zentrum stadtpolitischer Debatten über Nachnutzung und Gemeinwohl. / © Foto: Wikimedia Commons, A.Savin, FAL

Besonders ungeklärt bleibt die Situation am traditionsreichen Standort Hermannplatz. Die ambitionierten Wiederaufbaupläne der Signa-Gruppe sind nach der Insolvenz gescheitert. Sämtliche Maßnahmen wurden gestoppt, die Verkaufsflächen deutlich reduziert. Zwar betreibt Lidl inzwischen eine Filiale im Untergeschoss und sichert damit die Nahversorgung. Doch ein umfassendes Nutzungskonzept für das gesamte Gebäude existiert bislang nicht. Viele Flächen stehen leer, während die Bedeutung des Hauses als sozialer Treffpunkt zunehmend verloren geht.

Der Bezirk Kreuzberg will die Entwicklung nicht länger allein Investoren überlassen und forderte bereits die Rückgabe der Planungshoheit. So sollen alternative, gemeinwohlorientierte Konzepte geprüft werden. Auch die Überführung des Gebäudes in öffentliches Eigentum ist mittlerweile Gegenstand der Debatte. Noch ist unklar, ob und wann neue Investoren gefunden werden. Fest steht jedoch: Ohne politische Entscheidungen bleibt die Zukunft des Karstadt am Hermannplatz weiter offen.

Wedding: Zwischennutzung im Karstadt-Gebäude am Leopoldplatz und Debatte um langfristige Planung

Das ehemalige Karstadt-Gebäude an der Müllerstraße wird seit 2025 im Rahmen einer Zwischennutzung wiederbelebt. Während Lidl das Erdgeschoss nutzt, sollen weitere Flächen schrittweise für gemeinwohlorientierte und kulturelle Angebote geöffnet werden. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Am Leopoldplatz wurde für das ehemalige Karstadt-Gebäude eine Zwischenlösung gefunden. Seit April 2025 nutzt eine Lidl-Filiale das Erdgeschoss und bringt damit wieder mehr Frequenz an den Standort. Weitere Flächen sollen zudem kulturell genutzt werden. Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger plant, dort ein temporäres Kulturzentrum einzurichten. Ziel ist es, den zentral gelegenen Bau auch während der Übergangszeit für den Kiez zu öffnen und kreative Nutzungen zu ermöglichen.

Langfristige Umbaupläne liegen hingegen weiterhin auf Eis. Höhere Baukosten und gestiegene Zinsen erschweren die Umsetzung. Eine Machbarkeitsstudie soll nun klären, wie die Immobilie dauerhaft genutzt werden kann. Im Gespräch ist ein Konzept, das Wohnen, Arbeiten und Kultur miteinander verbindet. Gleichzeitig gibt es Diskussionen, wie stark die Bedürfnisse des Kiezes dabei berücksichtigt werden. Kritiker befürchten, dass wirtschaftliche Interessen dominieren könnten.

Quellen: Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, Tagesspiegel, Berliner Zeitung, Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Stadtmuseum Berlin, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg