Berlin könnte schon bald München als führende Wirtschaftsmetropole Deutschlands überholen – das zeigt eine neue Studie von Oxford Economics. Besonders beim Bildungsniveau, der Lebensqualität und dem kreativen Sektor schneidet die Hauptstadt stark ab.

In einer neuen internationalen Städterangliste rückt Berlin näher an die Spitze. München liegt noch vorne – doch Berlin überzeugt bei Wachstumsperspektiven und Zukunftsfähigkeit. / © Foto: Depositphotos.com
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Das britische Beratungsinstitut Oxford Economics prognostiziert, dass Berlin in nicht allzu ferner Zeit München als Nummer 1 der deutschen Wirtschaftsmetropolen ablösen könnte. In der neuesten Ausgabe des „Global Cities Index“ belegt die bayerische Metropole inklusive des dazugehörigen Umlands Platz 22 bei weltweit 100 bewerteten Regionen und ist momentan die beste unter den deutschen Regionen.
Global Cities Index: Berlin landet auf Platz 29, vor Hamburg auf Rang 39
Begründet wird die prognostizierte Spitzenposition für die deutsche Hauptstadt mit „robusten wirtschaftlichen Perspektiven“, der Attraktivität der Stadt für junge Menschen und dem „aufblühenden Kreativ- und Technologiesektor“, so der Chefökonom Dmitry Gruzinov.
Jedes Jahr bewertet Oxford Economics weltweit eintausend Großstädte beziehungsweise Ballungsräume in fünf Kategorien: Wirtschaftskraft, Humankapital, Lebensqualität, Umwelt und Verwaltung.
Aufsteigende Tendenz: Bruttoinlandsprodukt Berlins knapp hinter dem von München
Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 283 Milliarden US-Dollar liegt der Großraum München durchaus knapp vor dem Großraum Berlin (inkl. Umland) mit 280 Milliarden. Was das Humankapital angeht, werden Altersstruktur der Bevölkerung und Qualität der Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen unter die Lupe genommen.
Speziell bei den Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen sieht Oxford Economics Berlin vorn, denn, so das Institut, „beim Bildungssystem ist Berlin Weltklasse hinsichtlich der drei großen Universitäten TU, HU und FU und natürlich auch aufgrund vieler kleinerer Fachhochschulen“.
Oxford Economics: Bildungseinrichtungen in Berlin haben Weltklasse-Niveau
Auch der Zugang zur Hochschulbildung ist in Berlin günstiger im Vergleich zu anderen westlichen Städten, wodurch ein stark leistungsorientierter Bildungsverlauf möglich ist. Das seien durchaus relevante Vorteile, die Berlin bei allen Kennzahlen des Index auf der Poleposition sehen und der deutschen Hauptstadt hinsichtlich des Bildungsniveaus weltweit den ersten Platz beschert.
Für die Debatten innerhalb Berlins ist sicher auch von Interesse, dass die Oxford-Economics-Analyse die Stadt nicht nur wegen des vielfältigen Kulturangebots und der „bürgerlichen Freiheiten“ so gut bewertet, sondern auch wegen der zahlreichen Grünflächen und Parks, insbesondere Tiergarten und Tempelhofer Feld. Dies seien Punkte, deren Existenz von den Investoren regelmäßig hinterfragt werde.
Lebensqualität in Berlin: Im weltweiten Vergleich auf Platz 16
Bezugnehmend auf die Lebensqualität belegt Berlin im Weltmaßstab Rang 16 – jedenfalls nach Einschätzung der Oxford-Economics-Analyse. Da drängt sich naturgemäß die Frage auf, ob die vom schwarz-roten Berliner Senat ins Auge gefasste Randbebauung des Tempelhofer Feldes diesen Standortvorteil verspielen könnte. Eine Aussage dazu machten die englischen Wirtschaftsanalysten in ihrem Gutachten nicht.
Wie so oft ist der Blick auf die größte deutsche Metropole von außen wohlwollender als der Blick von innen. Die Berliner Stadtgesellschaft selbst sieht sich selten als internationale Vorzeigemetropole – zu präsent sind die strukturellen Herausforderungen im Alltag. Doch gerade diese Differenz eröffnet Raum für Reflexion über das tatsächliche Potenzial der Stadt.
Während internationale Studien Berlin häufig an der Schwelle zur globalen Spitzenklasse sehen, herrscht vor Ort häufig Ernüchterung über den Zustand der Stadt. Es bleibt die Frage, ob die internationale Erwartung zur lokalen Realität werden kann.
Quellen: Oxford Economics, Der Tagesspiegel