Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die Entwicklung der Baupreise zwangen die Planer des wachsenden Estrel Towers in Berlin-Neukölln zum Umdenken: Die ursprünglichen Pläne für den Bau des 176-Meter-Hochhauses mussten angepasst werden, was vor allem im Innern des Gebäudes und im Umfeld des zukünftigen Hotel-Hochhauses sichtbar werden wird.

Der Neubau des Estrel-Towers in Berlin-Neukölln muss sich flexibel an die neuen Herausforderungen des Marktes anpassen und soll dennoch Maßstäbe in Architektur und Funktionalität setzen. Doch mehrere ursprünglich geplante Elemente des Projekts werden nicht mehr umgesetzt. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
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Text: Björn Leffler
An der Grenzallee hat der Bau des Estrel Towers in Berlin-Neukölln bereits Anfang November ein entscheidendes Stadium erreicht: Der Rohbau hatte bereits vor rund sechs Wochen mit 152 Metern die für einen „Wolkenkratzer“ notwendige Mindesthöhe überschritten. Damit setzt die Hauptstadt erstmals ein architektonisches Zeichen in dieser Höhe.
Der Estrel Tower, als Erweiterungsbau des Estrel Kongresshotels, wird mit einer geplanten Endhöhe von 176 Metern das höchste nicht technische Gebäude der Stadt – ein Superlativ, der bisher durch das Bürohochhaus Edge East Side Tower mit 142 Metern in Friedrichshain gehalten wurde.
Estrel Tower in Neukölln: Herausforderungen bei Bauarbeiten in luftiger Höhe
Bereits Ende Oktober, zum Start der Herbstferien, erreichte der Turm die Höhe des 44. Stockwerks. Das Bauprojekt zieht damit nicht nur Blicke auf sich, sondern markiert damit möglicherweise auch Berlins erste Schritte zu einer Skyline, wie sie in anderen Großstädten von der Ausdehnung Berlins längst Standard ist. Allerdings bleibt der 368 Meter hohe Berliner Fernsehturm das höchste Bauwerk der Stadt, während der Estrel Tower Berlins erster Wolkenkratzer im klassischen Sinne wird.
Der Bau in dieser Höhe stellt besondere Anforderungen. Laut Clemens Planck, Bauleiter beim Estrel Tower, seien Temperaturen und Windstärke die größten Faktoren, die die Arbeit beeinflussen. Bei Minusgraden sei das Arbeiten in diesen Höhen extrem belastend, und bei Windstärke fünf müssten Kranführer ihre Arbeit aus Sicherheitsgründen einstellen, da bereits eine „frische Brise“ am Boden in 150 Metern Höhe zur lebensgefährlichen Gefahr wird.
Wird im Januar bereits Richtfest für Berlins größtes Hochhaus gefeiert?
Die beiden Kräne auf der Baustelle haben derzeit eine Höhe von 200 Metern erreicht. Der Abschluss des Rohbaus ist noch für Ende Dezember geplant, sofern die Wetterbedingungen dies zulassen – bislang sieht es aber gut aus. Damit erreicht der Estrel Tower mit 176 Metern seine endgültige Höhe, und eine Fertigstellung des Rohbaus mit einem Richtfest könnte bereits im Januar oder Februar gefeiert werden.
In den kommenden Monaten wird der Estrel Tower durch Fassadenarbeiten und den Innenausbau weiter Gestalt annehmen. Sobald die Rohbauphase beendet ist, folgt eine Etappe, in der alle äußeren Merkmale und die zukünftige Funktion des Hochhauses sichtbar werden sollen.
Besonderheit: Aluminium-Finnen geben der Fassade eine ganz eigene Ästhetik
Die Fassade des Estrel-Towers ist mit Aluminium-Finnen ausgestattet, die quer über die Fenster verlaufen und den Turm wie ein gefaltetes Stoffkleid wirken lassen. Neben der Ästhetik sorgen sie für weniger Aufheizung der Räume im Sommer und reduzieren den Kühlbedarf, wie die Projektverantwortlichen mitteilen.
Doch gänzlich reibungslos lief auch dieses Bauvorhaben nicht, was unter anderem an den Auswirkungen der Corona-Pandemie lag, wie kürzlich die Berliner Morgenpost berichtete. Auch stark gestiegene Energie- und Baupreise hätten enorme Schwierigkeiten verursacht. Die Pandemie hat die ursprünglichen Pläne zudem deutlich verändert.
Hotelnutzung im Estrel Tower: Planänderung aufgrund der Corona-Pandemie
Geplant waren zunächst ein Hotel mit etwa 720 Zimmern und mehrere Gebäude für Veranstaltungen am Fuße des Hochhauses. Diese sollten polygonale Formen haben und von oben wie ein Tangram-Spiel wirken (ein altes chinesisches Legespiel). Doch es sollte anders kommen.
Die ausbleibenden Hotel- und Veranstaltungsbuchungen während der Pandemie haben jedoch zu großer Unsicherheit in der Branche geführt und die Berliner Planer zum Umdenken gezwungen. Ekkehard Streletzki, der Eigentümer des bereits bestehenden Estrel Berlin, hat trotz der Herausforderungen an dem Projekt festgehalten und auch während der Krise weiter investiert – doch die ursprünglichen Pläne wurden entsprechend verändert.
Verändertes Nutzungskonzept für Hotel-Hochhaus in Neukölln: Weniger Gebäude, veränderter Nutzungsmix
Der Gesamtkomplex ist schließlich auf einen Turm mit nur einem Sockelgebäude reduziert worden, in den alle Funktionen integriert wurden. Zusätzlich zum Hochhaus mit Atrium entsteht ein „Ballroom“ für bis zu 1.200 Personen – dieser war in den ursprünglichen Planungen nicht vorgesehen. Der untere Bereich des Gebäudes wird neun Büroetagen umfassen, ergänzt durch 90 Appartements für längere Aufenthalte und „nur“ noch 522 Hotelzimmer.
Auf der freigewordenen Fläche am Fuße des Hochhauses sollen laut Architekt Lukas Weder vom Büro Barkow Leibinger eine Wildblumenwiese und ein Park am Kanal entstehen. Dort waren ursprünglich jene Gebäude geplant, die nun in den Sockel integriert werden mussten. Für das Umfeld des Hochhauses birgt diese Planänderung aber auch die Möglichkeit einer etwas offeneren Gestaltung.
Im kommenden Jahr soll das Projekt dann fertiggestellt werden. Durch das bemerkenswerte Bauprojekt will das Estrel seine Führungsposition als Deutschlands größtes Hotel und Berlins erfolgreichste Kongresslocation ausbauen. Man darf gespannt darauf sein, wie das neue Gebäude zukünftig auf dem Berliner Veranstaltungs- und Kongressmarkt angenommen werden wird.
Quellen: Berliner Morgenpost, Estrel Berlin, Architektur Urbanistik Berlin, Wikipedia, webcam-profi.de, Deutsches Architektur Forum, RBB, Barkow Leibinger Architekten