Das Quartiersprojekt „Ringbahnhöfe“ in Berlin-Neukölln sollte einen brachliegenden, ehemaligen Güterbahnhof in lebendigen Wohnraum verwandeln – mit 100-Meter-Hochhaus und insgesamt 700 Wohnungen. Nach jahrelangen Planungen steht das ambitionierte Vorhaben nun jedoch vor einer ungewissen Zukunft.
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Text: Björn Leffler
Die Neuentwicklung ehemaliger Güterbahnhöfe ist in Berlin ein häufig genanntes Thema, wenn es darum geht, Potenzialflächen für den so wichtigen Wohnungsbau zu finden. Mehrere Projekte im gesamten Berliner Stadtgebiet wurden in den vergangenen Jahren angestoßen, aber viele der Güterbahnhof-Projekte kommen nur mühsam oder gar nicht mehr voran. Das vielzitierte Projekt „Pankower Tor“ etwa hängt noch immer am Thema Artenschutz fest, mit ungewissem Ausgang.
In Prenzlauer Berg soll auf dem Gelände des einstigen Güterbahnhofs an der Greifswalder Straße ein neues Quartier samt Schule entstehen, doch der Bezirk Pankow und ein privater Investor können sich seit Jahren nicht auf die Art der Bebauung einigen. Im Süden des Bezirks Tempelhof-Schöneberg soll das Quartier „Marienhöfe“ auf einem alten Güterbahnhof unweit des Bahnhofs Attilastraße entstehen. Das Konzept ist fertig ausgearbeitet, doch der Baustart steht noch aus.
Reaktivierung ehemaliger Güterbahnhöfe in Berlin: Nur wenige Projekte kommen tatsächlich voran
Auch in Köpenick soll auf dem Gelände des einstigen Güterbahnhofs ein neues Stadtquartier entstehen, die Planungen dafür laufen seit Jahren, kommen aber immerhin sukzessive voran. Zumindest am Innsbrucker Platz ist auf dem Gelände des einstigen Güterbahnhofs Wilmersdorf ein neues Wohnquartier entstanden, welches mittlerweile kurz vor seiner Fertigstellung steht. Damit ist das Projekt derzeit jedoch leider die Ausnahme.
Ein weiteres, ähnlich konzipiertes Projekt sollte unweit des S-Bahnhofs Neukölln entstehen, auf der Fläche des einstigen Neuköllner Güterbahnhofs zwischen Karl-Marx- und Hertastraße entlang der Ringbahnstraße. Das Projekt bekam den Namen „Ringbahnhöfe“ und sollte das lange brach liegende Gelände völlig neu entwickeln. Das Berliner Architekturbüro Wehrhahn Architekten hatte die Pläne für den Bau eines 100 Meter hohen Turms mit 25 Stockwerken, der sowohl ein Hotel als auch Wohnungen beherbergen sollte, entwickelt. Auf einer etwa zwei Hektar großen Teilfläche des früheren Güterbahnhofs sollten insgesamt bis zu 700 Wohnungen entstehen.
Bauvorhaben „Ringbahnhöfe“ in Neukölln: Mehrere Projektgesellschaften melden Insolvenz an
Die Ladegleise auf dem rund zwei Hektar großen Areal wurden bereits um das Jahr 2000 entfernt. Die zukünftige Nutzung des Geländes war in den vergangenen Jahren immer wieder im Fokus von öffentlichen Diskussionen. Nach intensiven Auseinandersetzungen, insbesondere über die Gebäudehöhe, wurde 2018 ein Plankonzept beschlossen. Mitte 2022 wurde das Projekt mit einem Entwicklungsvolumen von 719 Millionen Euro beziffert.
Doch wie die Immobilien Zeitung berichtet, haben sich die Bebauungspläne für das Areal wohl vorerst zerschlagen, denn mehrere Projektgesellschaften, die an der geplanten Quartiersentwicklung beteiligt sind, stehen offenbar kurz vor der Insolvenz. Bereits am 9. Juli 2024 wurden entsprechende Anträge beim Amtsgericht Charlottenburg eingereicht. Das Investmentunternehmen Aggregate erwarb das Projekt „Ringbahnhöfe“ im September 2021, gab jedoch rund ein Jahr später bekannt, es gemeinsam mit mehreren anderen Grundstücken wieder veräußern zu wollen.
Eine Umsetzung des Quartiers auf dem Güterbahnhof Neukölln steht derzeit in den Sternen
Dieser Schritt erfolgte vor dem Hintergrund eines Verlusts vor Steuern in Höhe von 271 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2022 sowie eines Unsicherheitsvermerks zur Fortführung des Unternehmens im ungeprüften Finanzbericht für denselben Zeitraum. Aggregate hat jedoch nach aktuellem Wissensstand im Mai 2024 von der luxemburgischen Justiz die Genehmigung für ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren sowohl für seine Luxemburger als auch für seine deutsche Holding erhalten – und davon ist das Projekt „Ringbahnhöfe“ direkt betroffen, denn bislang scheint der gewünschte Verkauf des Grundstücks nicht zustande gekommen zu sein.
Der weitere Fortgang des Projekts ist derzeit also völlig offen – nach vielen Jahren der Diskussion um die Neugestaltung des Areals. Die Hochhauspläne für das Areal bleiben vorerst in den Schubladen. Der geplante 100 Meter hohe Turm, eine Art „Neuköllner Tor“, sollte als markantes städtebauliches Element aus dem umliegenden Häusermeer herausragen und möglicherweise auch zu einem Imagewandel des Viertels beitragen. Doch dieses Konzept wird mittelfristig erst einmal nicht umgesetzt werden – und bleibt vielleicht eines von vielen Berliner Luftschlössern.
Quellen: Wehrhahn Architekten, Immobilien Zeitung, Der Tagesspiegel, Bezirksamt Neukölln, Aggregate