Trotz massiver Investitionen in den Radwegebau bleibt der erhoffte Durchbruch beim Radverkehr in Hamburg bislang aus. Neue Daten zeigen stagnierende Zahlen und sorgen laut Kritikern für Zweifel an der Wirksamkeit der aktuellen Verkehrspolitik. Der rot-grüne Senat hingegen stellt die Entwicklung in einen größeren Kontext.

Hamburg investiert umfangreich in die Radinfrastruktur, doch aktuelle Zahlen zeigen bislang nur geringe Zuwächse im Radverkehr. Der rot-grüne Senat verweist auf langfristige Entwicklungen und Fortschritte im Umweltverbund. / © Foto: depositphotos.com
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Hamburg versteht sich als fahrradfreundliche Stadt – so zumindest das erklärte Ziel der Stadtpolitik. Jährlich werden Dutzende Kilometer Radwege neu gebaut oder saniert, insgesamt 293 Kilometer in den letzten fünf Jahren. Doch aktuelle Zahlen deuten darauf hin, dass die Infrastrukturmaßnahmen bislang kaum Wirkung zeigen.
Zwischen 2021 und 2024 stieg die werktags erfasste durchschnittliche Verkehrsstärke des Radverkehrs (DVTw) lediglich um 1,3 Prozent. Auch der Vergleich des ersten Quartals 2024 mit 2025 bringt mit einem Plus von 1,75 Prozent keinen signifikanten Anstieg. Die Zahlen stammen aus einer Antwort des rot-grünen Senats auf eine Anfrage des CDU-Verkehrspolitikers Philipp Heißner und befeuern eine Debatte über die tatsächliche Wirkung der Hamburger Radverkehrspolitik.
Kritik der Opposition am Bau von Radwegen: Ideologie statt Bedarf?
Die CDU sieht im stagnierenden Radverkehr ein Scheitern der aktuellen Strategie. Heißner kritisiert, die Maßnahmen seien nicht an realen Bedarfen orientiert, sondern Ausdruck einer „grünen Verkehrsideologie“. Der Radverkehr sei seit 2020 rückläufig, selbst die offiziellen Erhebungen des Senats würden das inzwischen einräumen. So sei der Radverkehr im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr sogar um ein Prozent zurückgegangen.
Aus Sicht der CDU liegt das Problem nicht im mangelnden Bau, sondern in der Prioritätensetzung. Heißner fordert eine „pragmatische, bedarfsgerechte Verkehrspolitik“ statt der aus seiner Sicht ideologisch motivierten Maßnahmen wie dem Wegfall von Parkplätzen und dem Ausbau kaum genutzter Radspuren auf Hauptstraßen.
Senat verweist auf Umweltverbund: ÖPNV, Fuß- und Radverkehr deutlich erhöht
Der rot-grüne Senat hingegen stellt die Entwicklung in einen größeren Kontext. In der Antwort auf die Anfrage verweist er auf die bundesweite Studie „Mobilität in Deutschland“ (MiD), wonach sich der Anteil des sogenannten Umweltverbunds – bestehend aus ÖPNV, Fuß- und Radverkehr – am Gesamtverkehr deutlich erhöht habe. Demnach lag dieser Anteil 2008 noch bei 61 Prozent, 2023 stieg er auf 71 Prozent.
Auch bei den zurückgelegten Personenkilometern zeigt sich laut Senat ein klarer Trend: Seit 2022 liegt der Anteil des Umweltverbunds über dem des motorisierten Individualverkehrs. Der Rückgang des Autoverkehrs werde als Zeichen gewertet, dass sich das Mobilitätsverhalten grundsätzlich verändere, auch wenn der Radverkehr im engeren Sinn bislang nicht signifikant profitiert.
Fahrradklima-Test gibt Aufschluss über Zufriedenheit der Radfahrenden: Hamburg im Mittelfeld
Ein differenzierteres Bild ergibt sich aus dem Fahrradklima-Test des ADFC. In der Bewertung der Städte mit mehr als 500.000 Einwohnern liegt Hamburg mit der Note 3,6 im oberen Mittelfeld vor Berlin, aber hinter Frankfurt am Main.
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club bewertet Hamburgs Fortschritte beim Ausbau geschützter Radstreifen und bei der Kontrolle von Falschparkern positiv. Gleichzeitig macht die Erhebung deutlich, dass viele Radfahrende weiterhin Verbesserungspotenzial bei Sicherheit und Komfort sehen.
Hamburg: Verkehrswende bleibt Herausforderung
Die Ergebnisse zeigen: Zwischen politischem Anspruch und tatsächlichem Mobilitätsverhalten besteht weiterhin eine deutliche Lücke. Auch die Mobilitätsstudie „MiD“ weist darauf hin, dass Veränderungen im Verkehr nur langsam greifen und statistisch oft schwer zu erfassen sind. So mahnen die Autorinnen und Autoren der Studie zur Vorsicht bei der Interpretation kleiner Abweichungen und betonen die begrenzte Aussagekraft regionaler Stichproben.
Ob Hamburg sich langfristig als Fahrradstadt etablieren kann, wird sich also nicht nur an der Länge neu gebauter Radwege entscheiden, sondern auch an ihrer Akzeptanz, Nutzung und Einbindung in ein funktionierendes, verkehrsträgerübergreifendes System.
Quellen: Mobilität in Deutschland, WELT, Zeit Online, NDR