Der aktuelle Fahrradklima-Test des ADFC stellte Berlin erst kürzlich ein schlechtes Zeugnis aus: Unsicherheit, Konflikte mit Autos und mangelnde Infrastruktur belasten Radfahrende. Nun liegt der Senatsbericht zur Radwegeinfrastruktur 2024 vor – mit Zahlen zu Baufortschritten und Finanzierungsquellen.
© Foto Titelbild: ENTWICKLUNGSSTADT
Die Ergebnisse des aktuellen Fahrradklima-Tests des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) machten es kürzlich offiziell: Die Stimmung unter Berlins Radfahrenden ist angespannt. Mit der Gesamtnote 4,3 belegte die Hauptstadt nur Platz zwölf von fünfzehn in der Gruppe der Großstädte mit über 500.000 Einwohnern – ein Abstieg um drei Plätze im Vergleich zur letzten Umfrage.
Besonders kritisch sahen die Teilnehmenden dabei das Thema Sicherheit: 88 Prozent gaben an, sich auf dem Rad in Berlin nicht sicher zu fühlen. Hinzu kommen laut Umfrage häufige Konflikte mit dem motorisierten Verkehr, die 92 Prozent der Befragten als Problem beschrieben. Der Vorsitzende des ADFC Berlin, Eberhard Brodhage, forderte einen klaren Kurswechsel im Umgang mit dem Radverkehr.
23,6 Kilometer neuer Radverkehrsanlagen in Berlin: Senatsbericht zeigt Ausbau der Infrastruktur
Kurz nach Veröffentlichung der Umfrage hat der Berliner Senat seinen Jahresbericht zur Radwegeinfrastruktur für 2024 vorgelegt. Das Dokument, das jährlich zum 30. Juni erscheint, informiert über die Umsetzung des Leitprojekts Radverkehr im Rahmen des Mobilitätsgesetzes und des Radverkehrsplans.
Demnach wurden in diesem Jahr 23,6 Kilometer neuer Radverkehrsanlagen fertiggestellt, knapp die Hälfte davon im sogenannten Radvorrangnetz. Weitere 24,3 Kilometer befinden sich derzeit im Bau, während 84,9 Kilometer in der Planungsphase sind. Etwa 54 Prozent der fertiggestellten Strecken liegen außerhalb des S-Bahn-Rings und die Gesamtanzahl der Fahrradstraßen in Berlin erhöht sich auf 58.
Hauptstadt investiert in Radwege und Fahrradbügel: Finanzierung trotz schwieriger Haushaltslage
Finanziert wurde der Ausbau aus dem Doppelhaushalt 2024/25, der 22,4 Millionen Euro für den Radverkehr vorsieht. Zusätzlich flossen 6,8 Millionen Euro aus dem Bundesprogramm „Stadt und Land“ in Projekte zur Verbesserung der Radinfrastruktur. Mit diesen Mitteln wurden unter anderem zwölf Kilometer neuer Radwege realisiert, weitere 3,4 Kilometer befinden sich in Bau.
Senatorin Ute Bonde (CDU) betonte laut Bericht, dass man auch in finanziell herausfordernden Zeiten den Radverkehr weiter voranbringe. In ihrer Vorlage an den Senat verwies sie auf den erfolgreichen Abruf von Fördermitteln sowie auf die Koordination zwischen Senatsverwaltung, Bezirken und der landeseigenen GB infraVelo GmbH. Ein weiterer Fokus lag auf der Ausstattung des öffentlichen Raums: 4.400 neue Fahrradbügel wurden installiert, über die Hälfte davon über das Förderprogramm „Fahrradbügel für Berlin“.
Maßnahmen in Berlin bröckeln; Hamburg setzt stärker auf Qualität und Trennung
Gleichzeitig verdeutlichen Einzelfälle die praktischen Herausforderungen. So zeigen sich etwa am neugebauten Radweg auf der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg bereits erhebliche bauliche Mängel: Betonborde, die Radfahrende schützen sollten, lösen sich in Folge unzureichender Befestigung durch verklebte Elemente. Das Bezirksamt Pankow arbeitet laut eigenen Angaben gemeinsam mit InfraVelo an einer Lösung, um die Infrastruktur verkehrssicher nachzubessern.
Ein Blick nach Hamburg zeigt, wie sich Radverkehrsförderung anders entwickeln kann. Im Jahr 2024 wurden dort 65 Kilometer neue oder sanierte Radwege fertiggestellt – ein Rekord für die Hansestadt. Besonders auffällig: Rund 73 Prozent der Strecken wurden baulich vom Autoverkehr getrennt, um die Sicherheit zu erhöhen. Unterstützt durch ein funktionierendes Bündnis aus Verwaltung und Bezirken, scheint Hamburg die Radinfrastruktur nicht nur auszubauen, sondern strategisch zu entwickeln.
Zwischen Anspruch und Realität: Radfahrende in Berlin fühlen sich weiterhin unsicher
Der Bericht zur Umsetzung des Leitprojekts „Radwegeinfrastruktur“ dokumentiert nun zwar Fortschritte beim Infrastrukturausbau, doch die Diskrepanz zur öffentlichen Wahrnehmung bleibt groß. Während auf dem Papier mehr Radwege geplant und gebaut werden, zeigen die Ergebnisse des Fahrradklima-Tests, dass sich viele Berlinerinnen und Berliner davon im Alltag derzeit noch wenig entlastet fühlen.
Ob die aktuelle Strategie reicht, um die Sicherheit und das subjektive Empfinden der Radfahrenden nachhaltig zu verbessern, bleibt offen. Die Ergebnisse des kommenden Jahres dürften zum Prüfstein für die Berliner Radverkehrspolitik werden.
Quellen: Presse- und Informationsamt des Landes Berlin, ADFC, Tagesspiegel, GB infraVelo GmbH, Berliner Woche, Bezirksamt Pankow, Architektur Urbanistik Berlin, Behörde für Verkehr und Mobilitätswende Hamburg
Hamburg misst Meter Radwege, Berlin Netzlänge. Um vergleichbare Werte zu erhalten müsste man Hamburg durch zwei teilen, wobei das nur für Radwege gilt (Fahrradstraßen sind wieder anders). Aber der Vergleich Funktioniert so nicht. Fakt ist aber: Hamburg baut als kleineres Bundesland mehr Radwege als Berlin!