Sperenberg oder Jüterbog? In den 1990er-Jahren standen zwei alternative Standorte für den Hauptstadtflughafen zur Diskussion, samt Anbindung per Magnetbahn. Doch politische und finanzielle Interessen führten zur Entscheidung für Schönefeld – gegen den Rat zahlreicher Fachleute.

Trotz besserer Umweltwerte und weniger Lärm fiel die Entscheidung für den Bau des BER in Schönefeld gegen die Empfehlungen der Fachleute, den Flughafen in Sperenberg oder Jüterbog-Ost zu realisieren. Die (wenigen) Anwohnerinnen und Anwohner in Sperenberg konnten 1996 letztlich erleichtert aufatmen. / © Foto: IMAGO

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Bereits in den frühen 1990er-Jahren wurden verschiedene alternative Standorte für den neuen Hauptstadtflughafen geprüft. Im sogenannten Raumordnungsverfahren von 1992 bis 1994 galten vor allem Sperenberg und Jüterbog-Ost als technisch und umweltpolitisch günstige Optionen. Beide lagen weit genug von Berlin entfernt, um die Lärmbelastung für Anwohnende erheblich zu verringern.

Ein wesentliches Argument der Befürworter war die dünne Besiedlung in diesen Regionen, die eine deutlich einfachere Realisierung versprach. Um die größere Entfernung zu überwinden, wurde sogar der Bau einer Magnetbahn diskutiert, die eine schnelle Anbindung an das Berliner Stadtzentrum ermöglichen sollte.

Sperenberg oder Jüterbog-Ost: Anbindung mit Magnetbahn wurde diskutiert

Die Autoren einer nach dem Verfahren veröffentlichten Studie sprachen sich für die Standorte Jüterbog-Ost oder Sperenberg aus – und votierten ausdrücklich gegen den heutigen Standort in Schönefeld. Sie betonten an diesen beiden Standorten eine deutlich geringere Belastung für Menschen. Beide Standorten wiesen natürlich eine erhebliche Entfernung zum Berliner Stadtzentrum auf (Jüterbog: 75 Kilometer, Sperenberg: 61 Kilometer).

Zur Überwindung dieser langen Streckenabschnitte kam schnell der Vorschlag, den Flughafen mit einer Magnetbahn an das Berliner Stadtgebiet anzuschließen. Ein Argument der Befürworter eines solchen Modells war, dass die Magnetbahn aufgrund der dünnen Besiedlung südlich von Berlin außerordentlich leicht zu realisieren sei.

Die Magnetbahn vom Flughafen nach Berlin wurde nicht realisiert

Wie wir heute wissen, kam es anders. Der neue Hauptstadtflughafen entstand weder in Jüterbog oder Sperenberg, sondern am Standort Schönefeld, auf den sich die Landesväter Diepgen und Stolpe im Mai 1996 nach langen und zähen Verhandlungen über die Finanzierung des Flughafens einigten.

Ausschlaggebend war letztendlich, dass das Land Berlin eine größere finanzielle Beteiligung an einem Standort Jüterbog oder Sperenberg verweigerte. Die Errichtung des Flughafens in Schönefeld sollte von beiden Bundesländern gemeinsam mit dem Bund geschultert werden und sollte nach damaligen Einschätzungen die finanziell preiswerteste Variante sein.

Schönefeld statt Sperenberg: Die politische Entscheidung

Wie der ehemalige Brandenburger Ministerpräsident Matthias Platzeck in einem späteren Gespräch zugab, sprach sich auch das Umweltministerium nach intensiver Prüfung deutlich für den Standort Sperenberg aus. Dort wären laut Platzeck erheblich weniger Menschen vom Fluglärm betroffen gewesen, und die größere Entfernung zur Stadt sei als beherrschbar angesehen worden.

Berlin hingegen wollte den Flughafen möglichst stadtnah, um stärker von den wirtschaftlichen Effekten zu profitieren. Der Bund wiederum strebte an, die Konkurrenz zu den großen Drehkreuzen in Frankfurt am Main und München zu vermeiden. Im Konsensbeschluss von 1996 fiel dann, wie oben beschrieben, die Wahl daher auf Schönefeld – sehr zum Unmut vieler Fachleute. Platzeck selbst betonte rückblickend, dass sein Ministerium „sehr unglücklich“ über diese Entscheidung war.

Chronik eines Bauchaos: Technische Probleme und Improvisationen am BER

Der Bau begann 2006 unter hohem Zeitdruck und mit ambitionierten Zielen. Doch schon bald traten gravierende technische Probleme auf. Besonders der Brandschutz entwickelte sich zum größten Hemmnis: Die Entrauchungsanlage, die Rauch über komplexe Kanäle nach unten absaugen sollte, war fehlerhaft und galt als technisch kaum beherrschbar. Hinzu kamen falsch beschriftete Kabel, fehlerhafte Sprinkleranlagen, zu kurze Rolltreppen und Türen, die nicht wie vorgesehen funktionierten. Zahlreiche Mängelberichte häuften sich, und der TÜV verweigerte wiederholt die Abnahme.

Parallel dazu wurde am Bau immer wieder improvisiert: Pläne wurden geändert, während bereits gebaut wurde. Diese unübersichtliche Vorgehensweise führte zu einem wachsenden Geflecht aus provisorischen Lösungen und Fehlkonstruktionen – das „Monster“ BER nahm endgültig Gestalt an.

Milliardengrab BER: Kostenexplosion und politische Verantwortung

Aus ursprünglich rund einer Milliarde Euro geplanter Kosten wurden bis zur Fertigstellung mehr als sieben Milliarden Euro. Finanzspritzen in Milliardenhöhe mussten schließlich von Bund und Ländern aufgebracht werden, um das Projekt am Leben zu halten. Brandenburg lehnte zwischenzeitlich weitere Zuschüsse ab, konnte sich jedoch nicht gegen die politischen Mehrheitsentscheidungen durchsetzen.

Der Eröffnungstermin wurde insgesamt siebenmal verschoben: von 2011 zunächst auf 2012, dann auf 2013, später 2017 und schließlich auf das Jahr 2020. Jede neue Verzögerung sorgte für internationale Schlagzeilen und führte dazu, dass der Flughafen Tegel länger in Betrieb bleiben musste, obwohl seine Schließung längst geplant war. Schönefeld wurde zunächst als Terminal 5 in den BER integriert, bevor es 2021 stillgelegt und 2022 endgültig geschlossen wurde.

Vom Stolz zum Symbol: Der BER als gescheitertes Großprojekt

Erst 2020, nach jahrelangen Nacharbeiten und Prüfungen, konnte der Flughafen mit Terminal 1 in Betrieb genommen werden. Doch auch nach der Eröffnung blieben technische Schwierigkeiten bestehen, und einige Bereiche mussten erneut modernisiert oder nachgerüstet werden. Bis heute gilt der BER als Inbegriff für unkontrollierte Großprojekte in Deutschland.

Pläne für die Zukunft: Erweiterungen und neue Perspektiven am BER

Heute stellt sich die Frage, ob der BER jemals zu dem werden kann, was einst geplant war: ein modernes, effizientes Drehkreuz und Aushängeschild für Berlin und Brandenburg. Auch nach der Eröffnung sind viele Passagierinnen und Passagiere skeptisch, ob der Flughafen seine Versprechen künftig einlösen kann.

Geplante Erweiterungen wie Terminal 3 für Billigfluggesellschaften und Terminal 4 für internationale Langstrecken sollen zwar die Kapazität erhöhen. Doch bleibt abzuwarten, ob diese Maßnahmen tatsächlich ausreichen, um das Vertrauen der Bevölkerung und der internationalen Reisenden langfristig zurückzugewinnen.

Sozioökonomische Folgen: Der BER als Motor und Mahnmal zugleich

Trotz aller Fehlentwicklungen ist der BER für die Hauptstadtregion ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor. Bereits während der Bauzeit mussten Dörfer wie Diepensee und Teile von Selchow weichen, was für viele Anwohnende den Verlust ihrer Heimat bedeutete. Gleichzeitig legten archäologische Ausgrabungen neue Spuren frühgeschichtlicher Besiedlung frei, die einen einzigartigen historischen Einblick ermöglichten.

Heute gilt der BER als wichtiger Wachstumsmotor für Brandenburg: Tausende neue Arbeitsplätze sind im direkten und indirekten Umfeld entstanden oder geplant. Durch die geplante Anbindung an die verlängerte U-Bahnlinie U7 sowie die verbesserte Vernetzung mit Regional- und Fernzügen soll der Flughafen in Zukunft noch stärker als internationales Drehkreuz etabliert werden. Ob er jedoch jemals das angestrebte Image als „Tor zur Welt“ für Berlin und Brandenburg erreichen kann, bleibt ungewiss.

Strukturprobleme und fehlende Kontrolle: Delius‘ Einblicke

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Martin Delius, kritisierte in Interviews die grundlegenden strukturellen Fehler beim BER. Seiner Einschätzung nach waren die größten Versäumnisse nicht nur technische Pannen, sondern vor allem ein Mangel an strategischer Planung und Kontrolle. Besonders gravierend war die Entscheidung, bei geänderten Nutzungsanforderungen 2009 und 2010 keinen Planungsstopp einzulegen.

Stattdessen wurden Bau und Planung gleichzeitig fortgeführt, was zu massiven Verzögerungen, chaotischen Abläufen und unkalkulierbaren Kostensteigerungen führte. Empfehlungen externer Berater, einen umfassenden Neustart zu wagen, wurden ignoriert.

Delius bezeichnete diese Vorgehensweise als „völlig absurd“ und betonte, dass die Verantwortlichen „immer wieder entschieden haben, im Prinzip nichts zu machen“, sondern durch punktuelle Maßnahmen Zeit und Probleme zu verschleiern.

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Quellen: Berliner Zeitung, Wikipedia, Der Tagesspiegel, Die Welt, rbb24, Süddeutsche Zeitung, Euronews, Bundesregierung.de

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